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Wie Union und FDP versuchen, die Legalisierung von Abtreibungen zu verhindern

Durch einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag schien eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland greifbar. Die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge hat den Antrag mitinitiiert. Im Interview erklärt sie, wie Union und FDP versuchen, die Liberalisierung zu stoppen.

von Jonas Jordan , Lea Hensen · 20. Dezember 2024
Tausende Menschen demonstrieren in Berlin vor dem Bundestag für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes.

Tausende Menschen demonstrieren in Berlin vor dem Bundestag für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes.

Cannabis-Legalisierung, AfD-Verbot und Schwangerschaftsabbruch – in Ihrer ersten Legislaturperiode im Bundestag haben Sie sich direkt die politisch heikelsten Themen ausgeguckt. Ist das Zufall oder Absicht?

Ich mache Politik an den Stellen, wo wir ein großes Gerechtigkeitsdefizit haben. Deswegen sind das die Themen, in denen ich mich engagiert habe.

Seit Jahrzehnten wird über eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland diskutiert. Jetzt bleiben nur noch wenige Wochen bis zur Neuwahl des Bundestags. Warum kommt Ihr Antrag so kurz vor knapp?

Ich finde, das ist nicht kurz vor knapp. Wir debattieren seit Jahrzehnten über eine Reform beim Schwangerschaftsabbruch. Allen, die uns das jetzt vorhalten, würde ich entgegnen: Wenn es um Frauenrechte geht, ist es für sie immer der falsche Zeitpunkt. Wir debattieren das Thema die ganze Legislatur über. Wir hatten es im Koalitionsvertrag verankert. Wir haben erst den Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Da war auch ich federführend. Dann hatten wir die Regierungskommission, die sich das wissenschaftlich angeschaut hat. Auf Basis dieser Regierungskommission gibt es jetzt einen Gesetzentwurf. Den hätten wir bis zum Ende der Legislatur eingebracht. Jetzt kommt das Ende ein bisschen schneller, aber wir wollten nicht warten. Denn es ist Zeit zu handeln.

Carmen Wegge

Carmen Wegge sitzt seit 2021 für die SPD im Bundestag. Gemeinsam mit Ulle Schauws von den Grünen hat sie im November einen Gruppenantrag eingebracht, der eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes in Deutschland erreichen soll.

Die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge spricht im Bundestag.

Gegner*innen der Liberalisierung argumentieren, dass Schwangerschaftsabbrüche schon jetzt nicht geahndet werden, wenn sie in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft durchgeführt werden. Warum braucht es dennoch eine Reform?

Die Regelung im Strafrecht führt dazu, dass sich viele Ärztinnen und Ärzte dagegen entscheiden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, hat sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert. Wir laufen sehenden Auges in einen massiven Versorgungsengpass für Frauen rein. Denn die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche ist gleichbleibend hoch. Außerdem führt die Regelung im Strafgesetzbuch zu einer Stigmatisierung der Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Wenn man das als Frau macht, muss man damit rechnen, gesellschaftlich geächtet zu werden. Zuletzt führt die Regelung im Strafrecht auch dazu, dass der medizinische Eingriff nicht von den Krankenkassen übernommen werden kann. Deswegen müssen viele Frauen den Schwangerschaftsabbruch selbst bezahlen. Damit wird es auch zu einem finanziellen Problem.

Ihr Gruppenantrag hält an der Zwölf-Wochen-Frist sowie der Beratungspflicht fest, auch der Paragraf 218 soll im Strafgesetzbuch erhalten bleiben. Warum?

Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir eine viel weitergehende Beschlusslage. Wir wollen die Beratungspflicht abschaffen. Wir haben gesagt, dass wir über die Zwölf-Wochen-Frist reden müssen. Sie ist aus unserer Sicht willkürlich gewählt. Es wäre auch schöner, den Paragrafen 218 ersatzlos zu streichen. Wir haben uns aber dafür entschieden, all das nicht zu machen, um einen Gesetzentwurf zu haben, der anschlussfähig ist in alle Richtungen, der einen Minimalkonsens darstellt, weil schon dieser Minimalkonsens dazu führt, dass sich die Lage von Frauen und Ärztinnen und Ärzten deutlich verbessern würde.

Der Antrag liegt nun im Rechtsausschuss. Was muss passieren, dass er rechtzeitig vor der Neuwahl ins Plenum zurückkommt, um beschlossen zu werden?

Diese Woche kam es im Rechtsausschuss zum Showdown. Wenn man ein geordnetes parlamentarisches Verfahren geht, ist es so, dass man zunächst eine Anhörung durchführt, dann die Beratungen im Ausschuss abschließt und den Antrag ins Plenum zur finalen Abstimmung zurücküberweist. Wir hatten diese Woche die Rückmeldung, sowohl von Union als auch FDP, dass sie nicht bereit sind, mit uns eine Anhörung zu machen. Daraufhin haben wir den Antrag auf eine Anhörung zurückgezogen, um die Beratungen im Ausschuss abzuschließen. Nach einer sehr langen Debatte hat die Union sich aber dafür entschieden, doch eine Anhörung zu beantragen, um zu verhindern, dass wir die Debatte im Ausschuss abschließen können. Die Anhörung soll am 10. Februar durchgeführt werden. Der Abschluss ist damit in dieser Legislatur sehr unwahrscheinlich geworden. Das liegt am Agieren von Union und FDP.

Ist das Thema ist damit für diese Legislaturperiode durch?

Wir könnten am 10. Februar die Beratungen im Ausschuss abschließen, um es am 11. Februar im Plenum auf der Tagesordnung zu haben. Das geht nur mit Einvernehmen aller Parteien. Deswegen glaube ich, dass auch hier Union und FDP das verhindern wollen werden. Es gibt noch ein, zwei andere kleine Tricks der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Ob wir die ziehen, weiß ich nicht. Ich wäre dafür, weil ich keine großen Chancen sehe, in der nächsten Legislatur für das Thema eine Mehrheit zu bekommen. 

Sollte es in dieser Legislatur nicht klappen, werde ich selbstverständlich in der nächsten Legislatur dafür kämpfen, dass wir es trotzdem hinbekommen, auch wenn die Voraussetzung möglicherweise schlechter werden.

Carmen
Wegge

Die Union und Friedrich Merz haben eine offene Flanke beim Thema Frauenrechte. Frauen in diesem Land müssen wissen, wem sie im Zweifel ihre Stimme geben. Die sollte nicht bei der Union sein und auch nicht bei der FDP.

Wie bewerten Sie das Verhalten der FDP, nachdem zuletzt immer mehr Abgeordnete der Liberalen ihre Zustimmung signalisiert hatten?

Ich bin schwer enttäuscht von der FDP, erneut. Denn es ist kein Geheimnis, dass wir den Gesetzentwurf in enger Abstimmung mit Kolleginnen und Kollegen der FDP erarbeitet haben, die versucht haben, uns zu unterstützen. In ihrem Wahlprogramm spricht sich die FDP für eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aus, stellt sich im Bundestag aber gegen Frauenrechte und kuschelt mit den Konservativen. Ich halte das für höchstgradig fahrlässig und bin sehr enttäuscht.

Wenn es nicht gelingt, die Reform zu verabschieden, wird das Recht auf Abtreibung dann wie in Polen oder den USA zum Wahlkampfthema?

Wir hatten gehofft, dass es nicht zum Wahlkampfthema wird, weil die Sache so wichtig ist, dass wir uns gewünscht hätten, wir hätten es jetzt einfach gemeinsam gemacht. So wie sich die Union gerade verhält, würde ich es auf jeden Fall zum Wahlkampfthema machen. Denn die Union und Friedrich Merz haben eine offene Flanke beim Thema Frauenrechte. Frauen in diesem Land müssen wissen, wem sie im Zweifel ihre Stimme geben. Die sollte nicht bei der Union sein und auch nicht bei der FDP.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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Gespeichert von Michael Kussmaul (nicht überprüft) am Fr., 20.12.2024 - 23:56

Permalink

Es tut mir Leid zu sagen , aber mit Frauen wie Frau Wegge wird die SPD nicht mehr Volkspartei bleiben.
Ende 2022 etwa 6,13 Millionen Katholiken in Nordrhein-Westfalen. In diesem Bundesland wurde Frau Wegge gewählt. Ich kann Ihnen versichern, Frau Wegge wird bei der nächsten Bundestagswahl ihren Sitz im Bundestag nicht wiedererlangen. Denn die Leute, die breite Masse in Nordrhein Westfalen wird diesen herzlosen und bösen Unsinn nicht tolerieren. Sie, Frau Wegge sollten erst einmal verstehen, was nach dem Tod kommt, dass es Menschenverachtung ist derart über das Leben zu diskutieren, sollten selber Familie gründen.

Da sind Sie aber insgesamt nicht gut informiert über die Frau Wegge, die Sie hier so harsch angehen. Sie wurde nicht in Nordrhein-Westfalen gewählt, sondern in Bayern und eine Familie hat sie längst gegründet. Zumindest die Fakten sollten stimmen.

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Sa., 21.12.2024 - 17:07

Permalink

das uns hier grenzen setzt. Wichtig wäre es , hier strategisch vorzugehen, also erstmal dafür sorgen, dass das BVG insoweit günstig besetzt ist, und dann die Gesetzeslage nach Gusto einzurichten. Wem hilft eine gesetzgebung, die das BVG dann wieder kassiert?

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