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Paragraf 219a ist weg: Warum §218 folgen muss

In der vergangenen Koalition scheiterte die Streichung des Paragrafen 219a an der Union. Umso mehr freut es SPD-Politiker*innen, dass die Ampelregierung diesen unhaltbaren Zustand beendet. Sie fordern, dass Paragraf 218 folgen muss.
von Vera Rosigkeit · 18. Januar 2022
Paragraf 219a
Paragraf 219a

„Endlich! Wir streichen den Paragrafen §219a aus dem Strafgesetzbuch – und stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen“, heißt es auf dem Twitterkanal der SPD-Bundestagsfraktion. „Ein entsprechender Referentenentwurf liegt jetzt vor. Ärzt*innen müssen über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen.“

Paragraf 219a wird fallen

Vorgestellt hatte diesen Entwurf Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP: „Paragraf 219a des Strafgesetzbuches wird fallen“, verkündete er am Montag in einer Presskonferenz in Berlin. „Damit wollen wir einen unhaltbaren Rechtszustand beenden.“ Künftig sollten Ärzt*innen auch öffentlich über einen Schwangerschaftsabbruch informieren können – ohne dabei ein strafrechtliches Risiko einzugehen, so Buschmann.

Von der SPD folgte Zustimmung auf allen Kanälen. Auf Twitter spricht Bundeskanzler Olaf Scholz in diesem Zusammenhang von einer „längst überfälligen Modernisierung“. Die SPD Co-Chefin Saskia Esken schreibt: „Auch in den wirklich wichtigen Fragen informieren sich Menschen im Jahr 2022 erstmal im Internet (aka Neuland). Ärzt*innen sollten qualifizierte Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch ins Netz stellen dürfen.“ Und für den stellvertretenden Fraktionschef im Bundestag, Dirk Wiese, schafft die Ampelkoalition damit die dringend benötigte Rechtssicherheit für Ärzt*innen. Dass sie über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen, „sei keine Werbung, sondern Aufklärung. Damit Frauen und Paare selbstbestimmt entscheiden können“, betont Wiese.

SPD-Abgeordnete Wegge beklagt mangelnde ärztliche Versorgung

Bereits vergangene Woche wies die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge in ihrer ersten Bundestagsrede darauf hin, welche Bedeutung diese rechtspolitische Initiative zur Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch hat. Ausgehend von rund 100.000 Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland, seien 100.000 betroffene Frauen pro Jahr auf der Suche nach Ärzt*innen, die ihnen in dieser schwierigen Situation zur Seite stehen. In Bundeländern wie Bayern gebe es laut Bundesärztekammer jedoch Städte und Regionen, in denen keine Schwangerschaftsabbrüche mehr möglich seien.

„In einem Freistaat mit mehr als 13 Millionen Einwohner*innen übernimmt ein Arzt knapp ein Drittel der Schwangerschaftsabbrüche. Das ist vollkommen absurd“, erklärte Wegge. Die Ursache dieser mangelnden Versorgung sieht sie in eben dieser Regelung des Strafgesetzbuches, „die es sogenannten Lebensschützer*innen und radikalen Abtreibungsgegner*innen ermöglicht, regelrecht Jagd auf Ärztinnen und Ärzte zu machen“, fuhr sie fort. Aus diesem Grund würden sich immer mehr Ärzt*innen aus diesem Bereich zurückziehen. Das gehe auf Kosten „von uns Frauen“, so Wegge. Für sie ein „unhaltbarer Zustand“.

Dass das Selbstbestimmungs- und Informationsrecht von Frauen keine ideologische Angelegenheit ist, sondern dem bestmöglichen Schutz ihrer Gesundheit diene, darauf wies am Montag auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hin. Die Streichung sei seiner Meinung nach folgerichtig und überfällig. „Mit CDU/CSU ging das nicht. In der Ampel schon. Gut so!“

Abschaffung von §218 muss folgen

Tatsächlich war die Abschaffung des aus dem Jahr 1933 stammenden Paragrafen längst überfällig. Ins Rollen kam der Konflikt, als im November 2017 die Ärztin Kristina Hänel auf ihrer Website Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlicht hatte und dafür zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt wurde. Die Begründung lautete damals, dass es sich hierbei um unerlaubte Werbung für Abtreibungen handele.

Die SPD forderte daraufhin die Abschaffung des Paragrafen, scheiterte jedoch am Widerstand der Union. Die fürchtet nun nach der gestrigen Ankündigung, den Paragrafen zu streichen, Werbebanner in der S-Bahn. Darauf reagiert die SPD-Fraktion am Dienstag via Twitter mit folgendem Hinweis: „Liebe Kolleg:innen, gern nochmal zum Mitschreiben: Es geht um Informationen. Darum, dass Schwangere selbstbestimmt entscheiden können. Das ärztliche Berufsrecht verhindert natürlich jede Kommerzialisierung.“

Für Josephine Ortleb, stellvertretende Vorsitzende der ASF, ist dies jedoch nur ein erster Schritt. Als Landesvorsitzende von Pro Familia im Saarland wisse sie, wie viel noch zu tun ist, damit beispielsweise Frauen Beratungsangebote ohne Belästigung oder Beeinflussung wahrnehmen können. „Die sogenannte Gehsteig-Belästigung ist ein wichtiger Punkt, den wir jetzt auch schnell anpacken müssenl“, erklärt sie via facebook.

Andere SPD-Abgeordnete fordern ebenfalls weitere Schritte: „16 Jahre gesellschaftspolitischen Stillstand mit der Union beenden wir jetzt gemeinsam in der Ampel“, schreibt die Abgeordnete Cansel Kiziltepe auf Twitter. Sie fordert: „Und dann direkt weiter mit weg mit 218 StGB!“ Die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal erklärt: „Zeit wird’s, dass § 219a endlich Geschichte ist.“ Auch für sie ist klar, dass § 218 folgen muss: „Denn Schwangerschaftsabbrüche haben im Strafgesetzbuch nichts verloren.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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