Stimmung in der SPD: Wie es nach der Wahlniederlage weitergeht
In der SPD wird nach der Wahlniederlage über den weiteren Kurs diskutiert. Es gibt Forderungen nach einem vorgezogenen Parteitag und einem neuen Grundsatzprogramm. Bei einer neuen Gruppe junger Genoss*innen geht der Blick schon über die nächste Wahl hinaus.
IMAGO / Bernd Elmenthaler
Die SPD-Bundestagsfraktion mit ihrem neuen Vorsitzenden Lars Klingbeil
Wenn der Bundestag in der letzten Märzwoche zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt, wird die SPD-Fraktion deutlich kleiner sein. Genau genommen um 87 Abgeordnete, von der größten zur erstmals nur noch drittgrößten Fraktion.
Die Lücken wurden am Mittwochvormittag während der Fraktionssitzung erstmals sichtbar, auf der Lars Klingbeil zum neuen Vorsitzenden und Nachfolger von Rolf Mützenich gewählt wurde. „Die vielen leeren Stühle der ausgeschiedenen Kolleg*innen zeigen, welch große Aufgabe jetzt vor uns allen liegt“, schrieb die Berliner SPD-Abgeordnete Annika Klose auf Instagram und postete ein Bild aus dem Fraktionssaal dazu.
Rot-Rot-Grün als langfristige Perspektive
Es gelte nun, die Ärmel hochzukrempeln. Denn das erwarteten die Menschen im Land von der SPD. Zugleich schrieb Klose mit Blick auf anstehende Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU, dass klar sein müsse: „Eine GroKo darf für uns absolut kein Automatismus sein.“
Der ebenfalls wiedergewählte SPD-Abgeordnete Frank Schwabe plädiert auf X dafür, „jetzt gute Koalitionsverhandlungen zu führen“. „Wenn es geht, müssen wir dann vier Jahre gute Regierungskunst beweisen.“ Gleichzeitig solle die SPD aber auch darüber hinausdenken. „Es gibt sie immer noch, die Idee einer progressiven Regierung. Und die heißt Rot-Rot-Grün“, ist Schwabe überzeugt.
Um einem solchen Bündnis den Weg zu bereiten, wurde 2004 die „Denkfabrik“ in der SPD-Bundestagsfraktion gegründet. Nachdem die Partei „Die Linke“ nun wieder eine wirkliche Linke ohne populistische Rechte sei, gehe das alles besser als vorher, ist Schwabe überzeugt. „Friedrich Merz hat unrecht mit seinem Abgesang auf progressive Kräfte in Deutschland. Das werden wir zeigen“, schreibt der SPD-Abgeordnete.
Junge Menschen besser ansprechen
Klose wie Schwabe sind Mitglieder der Parlamentarischen Linken, einer der drei Strömungen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Deren Sprecher Tim Klüssendorf fordert im Interview mit der „taz“: „Wir müssen ernsthaft über einen personellen und inhaltlichen Neuanfang reden.“ Es brauche eine Neuausrichtung der Partei, vor allem eine viel jüngere Ansprache.
Bei den 18-24-Jährigen erzielte die SPD lediglich elf Prozent der Stimmen und blieb damit deutlich hinter Linken (26), AfD (21) und der Union (13). Klüssendorf plädiert außerdem dafür, den für Ende des Jahres geplanten ordentlichen Parteitag vorzuziehen und personelle Entscheidungen damit „deutlich früher zu treffen“.
Der baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch schreibt in seinem Blog, die Strategie des Wahlkampfs sei nicht aufgegangen: „Die Bundespartei hatte einen Wirtschaftswahlkampf vorbereitet. Als die Union, die Rechtspopulisten und viele Medien alles auf Zuwanderung verengten und die Bundestagswahl als Migrations-Voting verkaufen wollten, fing die SPD das nicht mehr ein.“ Stattdessen habe seine Partei Stimmen an die Linke verloren.
Stoch: „Pragmatismus wichtig, Programm auch“
Deswegen müsse die SPD sehr ausführlich reden, bevor es zu einer Koalition mit der Union kommen könne: „Es ist allerhand kaputtgegangen in diesem Wahlkampf, und das sollte man auch an der Bundesspitze nicht übersehen. All die Genossinnen und Genossen, die für uns plakatiert und diskutiert haben, die Flyer verteilten und an Schirmständen froren – die waren entsetzt davon, wie Friedrich Merz im Bundestag mit der AfD taktierte. Das war kein Wahlkampfgetöse, da ging ganz viel Vertrauen zu Bruch, das man einer Angela Merkel entgegenbrachte.“ Letztlich sei zum Wohle des Landes Pragmatismus wichtig, Programm aber auch.
SPDings – der „vorwärts“-Podcast, Folge 3 mit Dario Schramm
Kommunalpolitisch engagiert sich Dario Schramm für die SPD in Bergisch Gladbach. Bundesweit bekannt wurde der 20-Jährige als Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. Warum er trotzdem froh ist, diesen Titel bald los zu sein, erzählt er in unserer neuen Folge.
Anfang der Woche tauchte auf Instagram auch eine Initiative mit dem Titel „SPD 2029 – wir müssen reden!“ auf, hinter der junge Genoss*innen stehen, darunter unter anderem die früheren Generalsekretär*innen der Bundesschülerkonferenz, Louisa Basner und Dario Schramm, der Gründer des Think Tanks „Fiscal Future“, Carl Mühlbach, oder die frühere Landesvorsitzende der baden-württembergischen Jusos Lara Herter. In einem Offenen Brief an die SPD, zu dessen Unterschrift die Initiator*innen aufrufen, heißt es: „Wir sind wütend. Wütend, weil der Ausgang dieser Bundestagswahl alles andere als überraschend kommt.“
Ihnen falle es schwer, zu erklären, wofür die SPD im Kern stehe und kämpfe. Außerdem hätten sie den Eindruck, „nicht ernst genommen zu werden, wenn wir uns Sorgen um die Partei machen“. Nach dem katastrophalen Ergebnis der Bundestagswahl dürfe die SPD nicht ohne Weiteres zum Tagesgeschäft übergehen. Die Initiator*innen sind der Ansicht: „Es braucht einen echten, glaubhaften Neuanfang: Als SPD müssen wir unseren Mut wiederentdecken, verändern und verbessern zu können. Es muss sichtbar werden, welche inhaltlichen Ideen und Konzepte die SPD mitbringt.“
Deshalb fordern sie vom Parteivorstand einen Prozess ein, in dem unter enger Beteiligung der Mitglieder und der Zivilgesellschaft ein neues Grundsatzprogramm erarbeitet werden soll.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
Quo vadis
Mut der bestehenden und der designierten Führungsriege geht die SPD kaputt und ich habe da nicht die geringste Lust mitzugehen.
Zu Armin Christ Quo vadis
Die BlackRock-Merz-CDU/CSU hat nicht nur in der kürzlichen mehrtätigen Migrations-Debatte im BT der Sozialdemokratie sinnbildlich mehrfach ins Gesicht geschlagen. BlackRock-Merz hat wissentlich und vor allem ohne politische Not in der Migrationsdebatte die Büchse der AfD-Pandora geöffnet!
BlackRock-Merz war sich in der Migrationsthematik nicht zu schade mit der AfD ins politische "Lotterbett" zu steigen. Nun hat er die BT-Wahl gewonnen.
Und jetzt will er die Sozialdemokratie für seine Kanzlerschaft einspannen. D.h. sinnbildlich: Nun will Merz wieder kreuzbrav 'seriös' werden und mit der
Alten Tante SPD ins bürgerlich-solide - politische - Ehebett steigen. Nicht aus Liebe, sondern aus reinem Machthunger! Will sich die Alte Tante SPD d a z u
missbrauchen lassen ??? Gar mit dem Totschlagsargument: Die SPD muss sich jetzt zum Wohle des Landes in die Pflicht nehmen lassen - von BlackRock-Merz. Die SPD m u s s dem Wohle des Landes dienen!!! Aber nicht dem Wohle von BlackRock-Merz!!!
SPD kaputt und ich habe da nicht die geringste Lust mitzugehen.
Für Sie habe ich einen Geheimtipp: BSW. Die sind schon da wohin Sie die SPD mit Ihren Weisheiten gerne bringen möchten. Da finden Sie dann auch einen gewissen Oskar, der ist Ihnen voraus!
Rot-Rot-Grün als langfristige Perspektive
Rot-Rot-Grün wurde seinerzeit (jedenfalls in der Führungszeit von Sigmar Gabriel) total zerredet.
Und zwar von meinungsstarken Zirkeln aus all den beteiligten Parteien. Das war ein sehr großer Fehler!
Rot-Rot-Grün konnte und kann idealtypisch (nach der reinen Lehre jeder dieser Parteien) natürlich nicht in Gänze befriedigen. Aber politisch-praktisch hätte bei gutem Willen der beteiligten Parteien durchaus daraus Fruchtbares entstehen können. Nämlich - im Verbund mit den Teilen der Gewerkschaften, die bereit waren sich schon damals s o z i a l und ö k o l o g i s c h aufzustellen (Stichwort: Hans-Jürgen Urban): Ein ernst zu nehmendes, wirkungsvolles Widerstandsbollwerk gegen die wesentlichen Teile von CDU/CSU und FDP zu bilden, die hemmungslos dem Neoliberalismus zugetan waren (und heute noch sind). Deshalb sollte Rot-Rot-Grün heute keine langfristige, sondern mindestens eine mittelfristige Perspektive sein. Das ist - wenn man es will - keine Utopie!
Rot-Rot-Grün als langfristige Perspektive
Ja, Helmut, auch ich halte rot-rot-grün ebenfalls für eine längerfristige Perspektive, insbesondere nachdem sich die Wagenknecht-Gruppe von der Linken abgespalten hat, finde ich die Vorraussetzungen für eine inhaltliche Zusammenarbeit gestärkt, wobei die SPD natürlich auch zu Zugeständnissen, vor allem im steuerlichen und sozialen Bereich bereit sein muss. Aber gerade die Zugeständnisse, die die SPD in der Ampel gegenüber der FDP gemacht hat und sich besonders auf diese Bereiche beziehen, haben der SPD bei der Wahl geschadet und der AfD Stimmen gebracht, obwohl sich die Inhalte der AfD in diesen Bereichen eher mit der FDP und vielfach auch mit der Union decken.
Ich hoffe, dass die SPD sich in der Koalition mit der Union nicht zu sehr - wie in den früheren Koalitionen - an die Schnapsideen von Merz anpasst, sondern eine klare Linie fährt, sonst wäre dies ihr Todesurteil!!!
Dies habe ich auch an Frank Schwabe geschrieben, der ebenfalls langfristig an rot-rot-grün denkt.
Zu Peter Boettel / Zugeständnisse
Lieber Peter Boettel,
ich wage mal eine Vorhersage: Sollte sich die SPD unter der nunmehrigen Führung von Lars Klingbeil (der nach meiner Auffassung Friedrich Merz nicht gewachsen ist) nach Ansicht von BlackRock-Merz ' zu langsam / zu sperrig ' von BlackRock-Merz "für das L a n d in die Pflicht nehmen lassen", wird Merz sich nicht scheuen, die ' Vaterlandslose-Gesellen-Platte ' aufzulegen. Das tat schon Bismarck. (Bismarck's damalige Sozialgesetzgebung entsprang nicht der Liebe zum Proletariat, sondern sollte der Festigung der feudalen/monarchistischen Herrschaft dienen.) BlackRock-Merz will jetzt unter allen Umständen von der SPD für seine Kanzlerschaft unterstützt werden. Die SPD darf sich von Merz n i c h t bei der 'falschen Ehre' packen lassen. Wie gesagt: Die Sozialdemokratie hat dem Wohl des Landes zu dienen - was sonst! Aber nicht Friedrich-BlackRock-Merz. Friedrich BlackRock-Merz hat nicht das
Wohl des Landes im Blick, sondern das Wohl der Kapitalseite!
Wie es nach der Wahlniederlage weitergeht
Nach dieser vorhersehbaren Niederlage können wir nur dann unser ramponiertes Ansehen bei den Wählern wieder aufpolieren wenn die Parteiführung das Land und weniger die Partei im Blick hat. Wir müssen rasch Lösungen für eine schnelle Regierungsbildung mit überzeugenden Kandidaten anbieten, die Bürger erwarten das. Die Bürger wollen Führung sehen, die Scholz versprochen aber nicht geliefert hat. Jetzt bleibt uns nur der Platz als Juniorpartner in einer neuen GroKo. Als Kandidaten sehe ich da nur Lars Klingbeil als Finanzminister. Er ist der Einzige, dem ich eine starke Rolle in einer Groko zutraue ohne sich im parteipolitischen KleinKlein zu verlieren und damit bei der nächsten BTW der AfD den Weg ins Bundeskanzleramt zu öffnen.