Lars Klingbeil: Das hat der neue SPD-Fraktionschef vor
Parteichef Lars Klingbeil führt nun auch die SPD-Bundestagsfraktion. Am Mittwoch wurde er mit 85,6 Prozent von den Abgeordneten gewählt. Im Anschluss machte Klingbeil deutlich, wo er künftig Akzente setzen will.
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Ist nur nicht nur Partei- sondern auch SPD-Fraktionsvorsitzender: Lars Klingbeil
Das neue Amt beginnt für Lars Klingbeil mit einer Verspätung. Knapp eine dreiviertel Stunde später als geplant tritt der SPD- und frisch gewählte Fraktionschef am Mittwoch in der dritten Etage des Reichstagsgebäudes in Berlin vor die Presse. „In der Debatte in der Fraktion hat man gemerkt, dass der Sonntag noch in den Knochen steckt“, sagt Klingbeil. Über den Inhalt der Wortbeiträge der Abgeordneten verrät er jedoch nichts.
Klingbeil spricht von „ehrlichem Ergebnis“
Überraschend hatte sich das SPD-Präsidium noch am Wahlabend einstimmig für Klingbeil als neuen Fraktionsvorsitzenden ausgesprochen. Am Tag darauf schloss sich der noch amtierende Fraktionsvorstand ebenfalls einstimmig an. „Das findet auch meine Unterstützung“, betonte der bisherige Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich dann am Dienstag. Die 120 Abgeordneten folgten dem Vorschlag am Mittwoch. 95 stimmten für Klingbeil, 13 gegen ihn, drei enthielten sich.
„Das ist ein ehrliches Ergebnis“, sagt Lars Klingbeil am Mittwoch vor der Presse. „Wir sind jetzt aufgestellt für die kommenden Wochen.“ In denen wird es aller Voraussicht nach vor allem um Verhandlungen mit CDU und CSU über die Bildung einer neuen Regierung gehen. Nach der Wahl von Sonntag sind rechnerisch zwar auch andere Bündnisse möglich, aber eine Zusammenarbeit mit der AfD hat CDU-Chef Friedrich Merz mehrfach ausgeschlossen. Ein Dreier-Bündnis zwischen CDU/CSU, SPD und Grünen gilt als äußerst unwahrscheinlich.
Friedrich Merz‘ Worte hallen nach
Er werde „zeitnah“ mit der Union sprechen, sagt Klingbeil. Zunächst müsse es darum gehen, „ein gemeinsames Verständnis für die Größe der Aufgabe zu entwickeln“. Im Wahlkampf hatten sich Union und SPD gegenseitig zum Teil schwere Vorwürfe gemacht, die Sozialdemokraten vor allem nach der gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD Ende Januar.
Friedrich Merz hingegen hatte noch beim Wahlkampfabschluss seiner Partei gewettert, er werde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, die gerade denke und „alle Tassen im Schrank“ habe – und nicht „für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt“. Das hallt bei der SPD nach.
Trotzdem betont Lars Klingbeil am Mittwoch: „Das Angebot für ernst gemeinte Gespräche ist da.“ Mit der Kombination aus Partei- und Fraktionsvorsitz habe er „jetzt ein starkes Mandat für diese Verhandlungen“. Ob Klingbeil Fraktionsvorsitzender bleibt, auch wenn die SPD in eine Regierung eintreten sollte, lässt er am Mittwoch unbeantwortet. Er wolle „völlig frei von der Frage verhandeln, was wird aus einem persönlich“, sagt er nur.
„Es wird eine Fehleranalyse geben“
Die Aufarbeitung der Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl soll aber weder unter möglichen Koalitionsverhandlungen noch unter der neuen Aufgabe leiden. „Es wird eine Fehleranalyse geben“, kündigt Klingbeil an. Erste Konsequenzen könnten schon bei der kommenden Sitzung des Parteivorstands am Montag besprochen werden. „Dieses Ergebnis muss aufgearbeitet werden und es muss Konsequenzen haben“, sagt Lars Klingbeil. Als Parteivorsitzender trage er auch Verantwortung für den Wahlkampf.
Auf die SPD-Bundestagsfraktion kämen so oder so Veränderungen zu. Mit der AfD als zweitstärkster Kraft im Parlament, „wird die Rolle der Fraktion eine andere sein“, betont Klingbeil. Als Vorsitzender wolle er die „unterschiedlichen Blickwinkel“ der 120 SPD-Abgeordneten sichtbar machen. „Ich will zeigen, wie vielfältig die Fraktion ist.“
Eines soll sich nach Klingbeils Willen aber nicht ändern: der Otto-Wels-Saal als Tagungsort. Direkt nach der Wahl hatte die AfD Ansprüche darauf angemeldet. Lars Klingbeil kündigt am Mittwoch an: „Wir werden alles dafür tun, dass der Otto-Wels-Saal fest in sozialdemokratischer Hand bleibt.“
Otto Wels symbolisiert den Widerstand der Sozialdemokratie gegen den Nationalsozialismus. Im März 1933 begründete der Reichstagsabgeordnete im Namen der SPD-Fraktion die Ablehnung des von den Nazis eingebrachten Ermächtigungsgesetzes. Die Rede ging in die Geschichte ein.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
Fehleranalyse
Genausowenig wie bei der Corona Sache wird es wegen des Wahlausgangs eine ehrliche Fehleranalyse geben; dafür garantieren schon der Co-Vorsitzende und der Fraktionsvorsitzende.