Andreas Stoch im Porträt: Wahlkämpfer mit Kante und Gestaltungswille
Erst packt er an, jetzt greift er an: Andreas Stoch kämpft in Baden-Württemberg für eine Rückkehr in die Landesregierung. Es ist ein Wahlkampf, der in der heißen Phase fast ausschließlich digital stattfindet – während der Kampf gegen Krise und Pandemie die Politik landesweit beherrscht. „Es brennt“, sagt Andreas Stoch – und damit meint er noch gar nicht die Coronakrise, die die Bundesrepublik und sein Bundesland seit einem Jahr immer wieder neu herausfordert. Nein, der SPD-Spitzenkandidat im Südwesten meint die vielen anderen Probleme, die er in Baden-Württemberg sieht.
Den Strukturwandel in der Automobilindustrie zum Beispiel. „Davon hängt die Zukunft des Landes ab“, sagt Stoch. Oder die Wohnungspolitik in dem Bundesland, das zu den reichsten der Bundes- republik gehört. „Wir müssen uns jetzt kümmern“, betont er. All diese Probleme seien derzeit aber unter einer „Corona-Schneedecke“ verborgen.
Umso mehr ärgert sich der Sozialdemokrat über die Bildungspolitik in Baden-Württemberg, die seine direkte Konkurrentin Susanne Eisenmann zu verantworten hat. Die CDU-Spitzenkandidatin forderte als Kultusministerin schon im Dezember vehement die Öffnung der Schulen – unabhängig von hohen Infektionszahlen, düpierte später sogar Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen. „Jenseits von gut und böse“, nennt Stoch das, er wirft ihr vor, ohne Konzept die Gesundheit aller aufs Spiel zu setzen. Sein Konzept hingegen ist klar: Schulklassen, wenn, dann nur im täglichen Wechsel unterrichten. „Das ist aus wissenschaftlicher und pädagogischer Sicht der beste Weg“, erklärt er.
Keine Scheu vor Verantwortung
Dabei weiß Stoch, wovon er spricht: Bis 2016 war er selbst Kultusminister im Land. Eine Verantwortung, an die er wieder anknüpfen will. Während Wahlkampf auf der Straße schwierig ist, hält er weiterhin die Kontakte aufrecht, trifft sich digital mit Lehrer*innen und Eltern, Gewerkschaften und Funktionsträger*innen. Sichtbar werden soll der Wahlkampf auf der Straße traditionell mit Plakaten, hinzu kommt in diesem Jahr aber auch ein „Wahl-Magazin“ in hoher Auflage, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Die SPD soll wieder mitregieren, das ist für die Sozialdemokratinnen und -demokraten im Ländle klar. Damit das gelingt, setzt Stoch auf klare Kante gegen rechts, plädiert dafür, in der Krise auf die Wissenschaft zu hören und kämpft mit dem Slogan „Das Wichtige jetzt“ um jede Stimme. Ein aktiver, handlungsfähiger Staat werde mehr gebraucht denn je, das zeige die Krise jeden Tag. Außerdem hat er schon seit 2019 richtig angepackt: Bei „Stoch packt’s an“ arbeitete er tageweise als Gärtner, Kurier, Verkäufer, Schornsteinfeger, Altenpfleger und vieles mehr.
Dabei war der Weg in die Spitzenpolitik für Andreas Stoch gar nicht so deutlich vorgezeichnet: 2009 kommt er als Nachrücker in den Landtag, kann aber 2011 sein Mandat verteidigen. 2013 wird er als Minister für Kultur, Jugend und Sport vereidigt. Mit dem Ausscheiden aus der Regierung 2016 wird er zunächst Fraktionschef, 2018 übernimmt er dann auch den Landesvorsitz, um die Partei nach einer Führungskrise wieder zu einen. Das gelingt. 2020 wird er Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2021.
Politikverständnis: „Verantwortung auf Zeit“
„Karriere in der Politik kann man nicht planen“, sagt Stoch rückblickend, „und das sollte man auch nicht. Es ist immer nur Verantwortung auf Zeit.“ Aber: Für Gerechtigkeit hat er schon immer gestritten. Zehn Jahre arbeitete er als Anwalt, bevor er in den Landtag einzog. Für das Jura-Studium hatte er sich bewusst entschieden, ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung ermöglichte dem jungen Erwachsenen aus einem Arbeiterhaushalt die Hochschulausbildung. „Für mich war als 19-Jähriger klar, dass ich finanziell auf eigenen Füßen stehen will“, sagt Stoch. Studium und Beruf seien auch eine gute Grundlage für seine zweite Leidenschaft gewesen, die Politik. „Ich kann mich schnell in neue Sachverhalte einarbeiten.“
Eine weitere bewusste Entscheidung: Stoch war, ist und bleibt Heidenheimer. Die schwäbische Alb vor der Haustür zieht der 51-Jährige dem Lärm und der Anonymität der Großstadt vor, egal ob Stuttgart oder Berlin. „Wir haben hier Lebensqualität ohne die Nachteile eines Ballungsraums“, sagt er über seine Heimat an der Grenze zu Bayern. In den Wald braucht er zwei Minuten, in fünf Minuten ist er auf dem Wochenmarkt, aber auch nach Stuttgart muss der vierfache Familienvater nur eine Stunde fahren. Das, unterstreicht Stoch, sei für ihn aber auch der notwendige Abstand zur Politik, den er braucht.