Warum Jessica Rosenthal auf ein Rekordergebnis als Juso-Vorsitzende hoffen darf
Sie sind seit kurzem Landesvorsitzende der Jusos Baden-Württemberg. Wie sieht Ihre Zielsetzung in diesem Amt aus?
Ich will, dass wir innerhalb der SPD lauter werden. Das haben wir schon auf dem letzten Landesparteitag deutlich gemacht, wo wir zahlreiche unserer Forderungen ins Landtagswahlprogramm verhandeln konnten. Als Jusos müssen wir aber auch in die Gesellschaft hineinwirken: Mir ist es wichtig, dass wir mit Bewegungen wie Fridays for Future oder Black Lives Matter in Kontakt kommen. Strukturell müssen wir ein moderner Jugendverband werden. Junge Menschen sind nicht immer bereit, sich langfristig zu engagieren. Darauf müssen wir eingehen. Wir brauchen auch ein anderes Image als nur jenes der etwas angestaubten Parteijugend.
Auf dem digitalen Juso-Bundeskongress haben Sie gesagt, dass die Jusos Baden-Württemberg ebenso wie die Hamburger Jusos Jessica Rosenthal bei der Wahl zur Vorsitzenden bewusst unterstützen. Warum?
Denken in Strömungen und verkrusteten Strukturen ist bei den Jusos noch immer präsent – doch genau diese Kategorien passen nicht mehr ins Jahr 2020. Stattdessen brauchen wir einen Kulturwandel im Verband, hin zu einem fairen Umgang untereinander und der Beteiligung wirklich aller Landesverbände auf der Bundesebene. Das Ringen um die besten Inhalte und unser gemeinsamer Kampf für die Interessen der jungen Generation müssen über der Frage stehen, wer welchem „Flügel“ angehört. Deswegen haben der Hamburger Juso-Vorsitzende Alexander Mohrenberg und ich gesagt, dass wir mit diesen schlechten Gewohnheiten brechen und den ersten Schritt gehen wollen. Wir haben das mit Forderungen an Jessica verknüpft, aber wir möchten die Hand ausstrecken und uns in einer so schwierigen Situation mitten in einer Pandemie hinter die neue Bundesvorsitzende stellen.
Kann Jessica Rosenthal demnach mit dem besten Ergebnis einer Vorsitzenden aller Zeiten rechnen?
Wenn es nach uns geht, ja. Ich sage es auch offen: Das würde mich aus Solidarität unter Frauen sehr freuen.
Sie haben angekündigt, die Jusos für junge Frauen attraktiver machen zu wollen. Wie sieht der Plan dafür aus?
Wir haben in Baden-Württemberg eine Neumitgliederkampagne in der Pipeline, die sich speziell an junge Frauen richtet. Die Jusos sollen der Platz für Idealistinnen und Weltverbesserinnen sein – das wollen wir nach draußen tragen und unseren Kreisverbänden Materialien und Aktionsideen an die Hand geben, online wie offline.
Im Hinblick auf die Landtagswahl im März haben Sie einer Zusammenarbeit mit der CDU kategorisch eine Absage erteilt. Wer wären denn Ihre Wunschpartner?
Perfekt wäre eine Neuauflage von Grün-Rot. Das ist die Koalition, in der wir am meisten bewegen und die bei uns doch recht konservativen Grünen in die richtige Richtung treiben können. Wenn das niemand tut, haben wir ein permanentes Chaos, wie jetzt beim Corona-Management.
Wäre die SPD bei einer Neuauflage von Grün-Rot der progressivere Partner?
Zweifelsohne. In unserem Landesparlament ist die SPD mit Abstand die progressivste Kraft.
Welche inhaltlichen Punkte sind den Jusos im Landtagswahlkampf am wichtigsten?
Wir wollen klar machen: Unsere Generation leidet schon jetzt am meisten unter Corona- und Klimakrise, junge Menschen dürfen nicht vergessen werden! Die Lebenshaltungskosten steigen, Ausbildungsplätze brechen weg und insbesondere Berufsanfänger*innen droht Arbeitslosigkeit. Deshalb rücken wir in unserem Jugendwahlkampf die Forderungen nach einem Mietendeckel, einer Ausbildungsgarantie und einem landesweiten 365€-Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr in den Fokus.
Welche Aktionsformen spielen pandemiebedingt die größte Rolle im Landtagswahlkampf?
Uns fehlt wegen Corona definitiv die Planungssicherheit. Wir können jetzt noch nicht abschätzen, was Ende Februar läuft. Deswegen organisieren wir sehr viel digital, auch um unsere Jusos vor Ort zu unterstützen. Denn wir haben mehr Jusos als je zuvor, die für den Landtag kandidieren. Trotz allem planen wir zudem eine Juso-Bustour durchs Ländle: Wir bringen eine „fahrende Bühne“ mit und wollen auf öffentlichen Plätzen und natürlich mit Hygienekonzept denjenigen ein Podium geben, die besonders von der Pandemie betroffen sind – beispielsweise Gastronom*innen, Kulturschaffenden, Schüler*innenvertretungen und anderen.
Sie sind seit 2014 kommunalpolitisch aktiv. Welche Rolle spielt die Kommunalpolitik für Ihre Arbeit als Juso-Landesvorsitzende?
Eine große, weil ich durch die Kommunalpolitik, nicht durch die Jusos sozialisiert worden bin. Das hat mich geprägt. Ich bin zwar jederzeit für Theoriedebatten bis nachts um vier zu haben, aber manchmal braucht es in der Praxis auch Kompromisse, um Veränderung ins Rollen zu bringen. Geduld ist nicht meine Stärke, doch Fortschritt kann, muss manchmal, in vielen kleinen Schritten gehen.
node:vw-infobox
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo