Amnesty International: Jahresbericht zeigt „globale Menschenrechtskrise“
In ihrem aktuellen Jahresbericht spricht Amnesty International von einer weltweiten Krise der Menschenrechte. Um dem entgegenzuwirken, fordert die Organisation mehr Einsatz – auch von der künftigen Bundesregierung.
picture alliance/dpa
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International, beobachtet eine „globale Menschenrechtskrise“ - und fordert auch von der kommenden Bundesregierung mehr Einsatz.
Dass es in Zeiten des globalen Rechtsrucks, der wachsenden sozialen Ungleichheit, der Klimakrise und der vielen bewaffneten Auseinandersetzungen und Kriege nicht besonders gut um Menschenrechte weltweit stehen dürfte, sollte wohl kaum überraschen. Doch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht hierin auch eine graduelle Verschlechterung der Lage, über Jahre hinweg.
Insbesondere seit der Wiederwahl Donald Trumps hätten sich die Negativtrends der letzten Jahre mit Blick auf die Menschenrechte jedoch weiter verschärft – und das nicht nur in den Vereinigten Staaten, erklärte die Generalsekretärin der Organisation, Julia Duchrow, auf einer Pressekonferenz von Amnesty International am 28. April. In vielerlei Hinsicht, ob wegen der Kürzung von Entwicklungshilfe oder wegen der Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof durch die US-Regierung seien Menschenrechte weltweit gefährdet.
Auch die Tatenlosigkeit vieler ist ein Problem
Für den aktuellen Jahresbericht der Organisation wurde die Lage der Menschenrechte in 150 Ländern unter die Lupe genommen. Immer wieder werde hier auch deutlich, dass Menschenrechtsverletzungen von vielen Akteuren nicht einmal mehr vertuscht, sondern offensiv gerechtfertigt würden, so Duchrow. Die „weitgehende Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft“ sei dabei auch ein Problem.
So würde beispielsweise der Diskriminierung von Frauen und Minderheiten oftmals wenig entgegengesetzt, und immer häufiger würden Zivilist*innen als Opfer in Kriegen und bewaffneten Konflikten tatenlos hingenommen, erklärte Julia Duchrow. Ein gerechter Frieden rücke beispielsweise in der Ukraine oder in Gaza durch Verstöße gegen das Völkerrecht, die durch „einflussreiche Staaten“ unterstützt oder mindestens hingenommen würden, „in weite Ferne“.
Freiheiten der Zivilgesellschaft eingeschränkt – auch in Deutschland
Eine weitere Entwicklung, die Amnesty International beobachte, sei, dass Regierungen vermehrt Meinungs-, Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit einschränkten, so die Generalsekretärin. Auch in Deutschland beobachte man, wie insbesondere gegen Klimaaktivist*innen oder Pro-Palästinensische Demonstrant*innen mit „unverhältnismäßiger Härte“ vorgegangen werde. „Das schränkt zivilgesellschaftliche Handlungsräume massiv ein“, befand Duchrow.
Auch die deutsche Migrationspolitik der vergangenen Jahre kritisiert Amnesty International scharf. „In Deutschland fanden im Bereich Migration die massivsten Verschärfungen seit Jahren statt“, erklärte Julia Duchrow, gleichzeitig nahmen rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Übergriffe stark zu.
Mit Blick auf den Koalitionsvertrag habe man in der Organisation wenig Hoffnung, dass die Rechte von Migrant*innen und Asylsuchenden gestärkt würden, so Duchrow – insbesondere, da sich SPD und Union unter anderem darauf verständigt hätten, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte abzuschaffen und Menschen wieder nach Syrien und Afghanistan abzuschieben. „Solche Politik bringt keine Sicherheit sondern schärft die gesellschaftliche Spaltung“, sagte die Generalsekretärin.
Klare Forderungen an die kommende Bundesregierung
An die kommende Bundesregierung hat die Menschenrechtsorganisation klare Forderungen. Die Bundesregierung müsse Rassismus bekämpfen und den Schutz von Geflüchteten verteidigen – die geplanten Zurückweisungen an den Grenzen seien, so Amnesty International, ein „Rechtsbruch mit Ansage“.
Neben der Stärkung der Zivilgesellschaft im Landesinneren sei es zudem auch im Angesicht der US-amerikanischen Außenpolitik, die Menschenrechte missachte, umso wichtiger, dass Deutschland seine Außenpolitik auf Basis der Menschenrechte gestalte, forderte Amnesty International weiter. Das bedeute auch, dass Institutionen, die sich für Menschenrechte einsetzten, wie der Internationale Strafgerichtshof, gestärkt werden sollten.
Trotz aller Negativtrends sei es jedoch auch wichtig, die positiven Entwicklungen nicht aus den Augen zu verlieren. Ob in Frankreich, wo das Recht auf Abtreibung nun Teil der Verfassung ist, in Thailand, dem ersten Land Südostasiens, in dem die Ehe für alle eingeführt wurde oder in Georgien, wo im vergangenen Jahr Massendemonstrationen gegen den pro-russischen Kurs der Regierung statt fanden – Julia Duchrow betonte: „Menschenrechte haben weiterhin eine große Strahlkraft.“