„Riviera des Nahen Ostens“: Welche Folgen Trumps absurde Gaza-Idee hat
Mit seinem Vorschlag, Gaza solle die „Riviera des Nahen Ostens“ werden, natürlich ohne Palästinenser*innen, hat US-Präsident Donald Trump für Empörung gesorgt. Auch wenn sehr fraglich ist, dass er sich damit durchsetzen kann, sind die Folgen von Trumps Äußerung schon jetzt spürbar.
IMAGO / Xinhua
„Riviera des Nahen Ostens“? Nach eineinhalb Jahren Krieg sind mehr als 90 Prozent der Gebäude im Gaza-Streifen zerstört.
Zumindest hat Donald Trump es geschafft, ein neues geflügeltes Wort zu kreieren, das schon jetzt sinnbildlich steht für die groteske, realitätsferne Politik der zweiten Trump-Administration: Die „Riviera des Nahen Ostens.“ In einer Erklärung während des Besuchs des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu Anfang Februar, auf die er seitdem noch mehrmals Bezug nahm, äußerte der amerikanische Präsident die Idee, die USA könnten den Gazastreifen „übernehmen“. Da dort nur noch Trümmer übrig seien, sollten die Bewohner*innen den Gazastreifen verlassen, damit sodann ein Urlaubsparadies mit Luxusimmobilien geschaffen werde.
Mehr als 90 Prozent der Gebäude in Gaza sind zerstört
Mit der Einschätzung, dass der Gazastreifen derzeit praktisch unbewohnbar ist hat Trump zweifellos Recht. 92 Prozent der Gebäude sind nach Angaben der Vereinten Nationen entweder vollständig oder teilweise zerstört. Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Infrastruktur – alles in Schutt und Asche.
„Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und wir handeln dementsprechend“ hatte der damalige israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant kurz nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober angekündigt. Die weitreichende Zerstörung zeigt, dass damit nicht nur die Kämpfer der Hamas gemeint waren. Bis zu 70 Prozent der Opfer der israelischen Armee sind nach UN-Erkenntnissen Frauen und Kinder.
Doch zur israelischen Kriegsführung sagt Trump nichts. Erst Recht nicht dazu, dass die israelische Armee diese Zerstörungen in nicht unerheblichem Maße mit amerikanischen Waffen herbeigeführt hat. Gaza liegt in Trümmern – und bei Trump klingt das, als habe es dort ein große Naturkatastrophe gegeben. Versuche, Kriegsverbrechen aufzuklären oder gar Vorwürfe eines möglichen Genozids zu prüfen, wie ihn Berichte von Amnesty International oder Human Rights Watch nahelegen, lehnt er rundheraus ab. Südafrika hat Trump unter anderem wegen dessen Völkermord-Klage vor dem Internationalen Gerichtshof gedroht, den Internationalen Strafgerichtshof wegen seiner Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant sanktioniert.
Ansätze gab es bereits während Trumps erster Amtszeit
Trumps perfide Vision, Palästinenser*innen nach Ägypten oder Jordanien zu vertreiben, und in Gaza Luxusimmobilien am Strand zu bauen wurde ihm wohl eingeflüstert von seinem „Nahostbeauftragten“ Steve Witkoff, wie Trump Immobilienmakler für Luxusimmobilien, der Gaza bereits besucht hat. In der ersten Trump-Administration hatte sein Schwiegersohn Jared Kushner den Posten inne und sollte für seinen Schwiegervater die Normalisierung Israels mit den arabischen Staaten vorantreiben.
Die damaligen Pläne waren zwar auch extrem einseitig im Sinne Netanjahus; aber immerhin waren noch Reste einer Strategie zu erkennen. Proklamiert wurde ein gemeinsames Bündnis gegen den Iran und dessen Hegemoniebestrebungen im Nahen Osten. Das war auch im Interesse des engen Trump-Verbündeten Saudi-Arabien. Auch wenn der US-Präsident bereits damals einen für die palästinensische Führung indiskutablen „Friedensplan“ vorlegte, im Alleingang Jerusalem inklusive des arabischen Ostens der Stadt als „ewige Hauptsdtadt des jüdischen Volkes“ anerkannte und die US-Botschaft dorthin verlegte. Letzteres machte auch die Biden-Regierung nicht rückgängig.
Auf einer Linie mit der radikalen israelischen Rechten
Doch die jüngsten Äußerungen Trumps gehen weit darüber hinaus. Seine Vision liegt auf einer Linie mit den radikalsten Stimmen der israelischen Rechten, welche seit Beginn des jüngsten Krieges eine Chance auf Vertreibung der Palästinenser*innen und eine Wiederbesiedelung des Gazastreifens sehen.
Damit verbunden ist ein weiteres wichtiges Ziel: Die Zweistaatenlösung endgültig zu beerdigen. Israel soll nach ihrem Willen das ganze Land „zwischen Fluss und Meer“ (israelische Politiker*innen nutzen ungeniert die kompromisslose Floskel zur Untermauerung ihres Herrschaftsanspruches, die in der Regel palästinensischen Extremisten zugeschrieben wird und deren Verwendung daher in Deutschland untersagt wurde) beherrschen, mit möglichst wenigen verbleibenden Palästinenser*innen.
Im Januar 2024 kamen in Jerusalem 2000 israelische Siedler*innen zusammen, um genau diese Pläne in Bezug auf Gaza zu propagieren. Ein Dutzend Minister*innen aus Netanyahus Regierung nahmen teil. Der Ministerpräsident selbst ist klar in seiner Ablehnung der Zweistaatenlösung. Zum Machterhalt braucht er die Ultrarechten; und mit Trumps Unterstützung kann er diese bei Laune halten. Trumps wirre Statements haben reale Folgen: Außenminister Katz kündigte bereits die Schaffung einer Stelle an, die Palästinenser*innen bei ihrer „freiwilligen Ausreise“ behilflich sein soll.
Trump stößt seine Verbündeten im Nahen Osten vor den Kopf
Mit den jüngsten Aussagen, die international als Ankündigung ethnischer Säuberungen verurteilt wurden, hat Trump aber auch seine engen Verbündeten in Nahost vor den Kopf gestoßen. Für Jordanien und Ägypten ist die Aufnahme einer größeren Zahl von Palästinenser*innen nicht zuletzt aus innenpolitischen Gründen völlig inakzeptabel. Ägyptens Präsident Sisi fürchtet neue Flüchtlingslager, die die Folge wären, als Quelle politischer Opposition und islamistischer Angriffe auf Israel und letztlich sein eigenes Regime. Für den jordanischen König, dessen Land einst in einem Bürgerkrieg über die Palästinafrage versank, ist die Lage noch prekärer. Die Propaganda der israelischen Rechten, die Palästinenser*innen hätten mit Jordanien ja schon einen Staat, greift dessen Existenz an.
Auch Saudi-Arabien als engster Verbündeter der USA in der Region hat sich bemüht, Trumps Äußerungen scharf zurückzuweisen. Obwohl Kronprinz Mohammed bin Salman längst fest im Sattel sitzt, kann er sich vor seiner eigenen Bevölkerung nicht leisten, Trumps Unrechtsfantasien unwidersprochen zu lassen. Saudi-Arabien hatte 2002 selbst einen Plan vorgestellt, in dessen Mittelpunkt eine Normalisierung mit Israel im Gegenzug zur Schaffung eines palästinensischen Staates stand. Dieser Plan wurde zuletzt mehrfach von den Staaten der arabischen Liga bekräftigt.
Die EU muss Trump konkrete Maßnahmen entgegensetzen
Die Europäische Union sollte ihn jetzt mit Nachdruck unterstützen. Sie wurde von Trump bereist in der Ukrainefrage überrollt. Sie muss deutlich machen, dass internationales Recht und die maßgeblichen UN-Resolutionen die zentrale Grundlage einer zukünftigen Regelung sein müssen, nicht Trumps Partikularinteressen oder die Vertreibungsambitionen der israelischen Siedler*innenbewegung.
Die EU muss Trumps Ankündigungen jetzt konkrete Maßnahmen entgegensetzen, die an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort ausgerichtet sind: umfassende humanitäre Hilfe und der Beginn eines Wiederaufbaus. Das geht nur, wenn der temporäre Waffenstillstand in einen dauerhaften politischen Prozess überführt wird. Das ist im Interesse aller Staaten der Region – nicht zuletzt auch Israels.
Noch eine letzte Bemerkung zur „Riviera des Nahen Ostens“: Gaza war in der Tat ein wunderschöner Ort. Zu Beginn des Osloer Friedensprozesses, als Gaza zu den ersten selbstverwalteten Gebieten gehörte, gab es schon einmal Pläne, hier eine Urlaubsregion zu schaffen. Der Satz von der Riviera sollte nicht als Sinnbild für Trumps perfide Version eines Luxusressorts ohne Palästinenser sein. Er sollte die Zukunftsvision eines wiederaufgebauten Gazastreifens für die Palästinenser beschreiben.
ist Historiker, Dozent an der International Hellenic University in Thessaloniki und Autor mit Schwerpunkt Naher Osten und östliches Mittelmeer. Von 2012 bis 2015 leitete er das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah.