TV-Duell: Wie Scholz im Aufeinandertreffen mit Merz punktete
Am Sonntagabend standen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im gemeinsamen TV-Duell von ARD und ZDF gegenüber. Der Bundeskanzler zeigte sich zuversichtlich und trat Merz gegenüber kämpferisch auf.
picture alliance/dpa/dpa-Pool | Michael Kappeler
Zwei Wochen vor der Bundestagswahl trafen Bundeskanzler Olaf Scholz und Herausforderer Friedrich Merz im TV-Duell bei ARD und ZDF aufeinander.
Zwei Wochen sind es noch, bis in Deutschland ein neues Parlament gewählt wird. Höchste Zeit also für das TV-Duell, das hierzulande seit 2002 vor Bundestagswahlen Tradition besitzt. Damals standen sich Gerhard Schröder und Edmund Stoiber gegenüber, am Sonntagabend Bundeskanzler Olaf Scholz und sein CDU-Herausforderer Friedrich Merz. Es ist ein ungleiches Duell: Auf der einen Seite der Kanzler, der über mehr als eineinhalb Jahrzehnte Regierungserfahrung in unterschiedlichen Funktionen verfügt, auf der anderen Seite Friedrich Merz, für den es mit fast 70 Jahren das erste Regierungsamt wäre.
Während der Unionskanzlerkandidat in der vergangenen Woche im Bundestag sein Wort brach und mit den Stimmen der AfD einen umstrittenen Migrationsantrag beschließen ließ, wandte sich Bundeskanzler Scholz am Tag des TV-Duells in einem Brief an die Wähler*innen und gab ihnen eine „Mitte-Garantie“. Wörtlich schrieb Scholz: „Ich werde alles dafür tun, dass die Parteien der Mitte Lösungen liefern – für Sie, die Bürgerinnen und Bürger.“
Im von Sandra Maischberger und Maybrit Illner moderierten gemeinsamen TV-Duell von ARD und ZDF wiederholte Scholz mit Blick auf mögliche Bundestagsmehrheiten von CDU/CSU und AfD: „Das ist meine ernste Sorge.“ Er fügte angesichts der gemeinsamen Abstimmung in der vergangenen Woche an: „Das ist aus meiner Sicht ein Wortbruch und ein Tabubruch. Deswegen kann man sich nicht sicher sein, was passieren wird, wenn die Dinge wieder schwierig werden.“ Merz erwiderte zwar: „Ich möchte das ausdrücklich noch mal klarstellen: Wir werden das nicht tun. Es gibt keine Gemeinsamkeiten zwischen der AfD und der Union.“ Überzeugte das Scholz? „Nein. Ich kann mir leider nicht mehr sicher sein“, sagte der Bundeskanzler.
Scholz: Ich stehe für „taffen Kurs“ in der Migrationspolitik
Bezüglich der Tat in Aschaffenburg, bei der zwei Menschen Ende Januar ermordet wurden, sagte der Sozialdemokrat: „Wir können uns niemals abfinden mit solchen Taten. Deswegen bin ich für einen harten und kompromisslosen Kurs in der Asyl- und Migrationspolitik. Ich habe ihn durchgesetzt.“ Beispielhaft verwies er auf den deutlichen Rückgang bei den Asylanträgen in Deutschland, wo es im Januar die zweitniedrigste Zahl der vergangenen zehn Jahre zu verzeichnen gab. Scholz sagte, er wolle diesen „taffen Kurs“ fortführen, beispielsweise mit der Umsetzung der GEAS-Reform in nationales Recht. „Es gibt demnächst viele Verbesserungen. Herr Merz hält sie auf“, sagte er mit Blick auf die GEAS-Reform und fügte an: „Wir sind auf die richtige Straße eingebogen, die müssen wir jetzt auch im Bundestag zu Ende gehen.“
Merz sprach in der Debatte von „weit über zwei Millionen irregulären Migranten“, die während Scholz' Amtszeit nach Deutschland gekommen seien. Wie er auf diese Zahl kam, blieb unklar. Scholz wurde im Dezember 2021 als Bundeskanzler gewählt. Das Portal statista verzeichnete seitdem knapp 865.000 Asylanträge hierzulande. Auch Scholz ging seinen Herausforderer direkt an: „Ich finde, Sie reden drum herum. Deswegen erzählen Sie etwas Falsches und versuchen von der Wirklichkeit abzulenken.“ Der Kanzler fügte an: „Es ist gegen deutsche Interessen, was Herr Merz hier vorschlägt. Warum soll man so doof sein? Herr Merz würde nach einer Woche damit leben, dass alle seine Vorschläge Makulatur sind.“
Grundlage für Wirtschaftswachstum gelegt
Nach einer halben Stunde wechselte das Thema von Migrations- zu Wirtschaftspolitik. Scholz sprach von einer schlechten Stimmungslage, betonte aber auch: „Wir haben die Inflation niedriger gekriegt und uns jetzt durchgekämpft. Deswegen muss jetzt was getan haben, damit wir auf dieser Basis das Wachstum nach oben kriegen.“ Konkret forderte er Bürokratieabbau und mehr Investitionen. Merz erwiderte: „Da bin ich einigermaßen erstaunt, was Sie für eine Wahrnehmung haben.“ Scholz stand währenddessen seitlich an sein Redepult gelehnt und schaute direkt zu Merz. „Wollen Sie darauf antworten?“, fragte Illner. Scholz sagte: „Unbedingt.“ Er verwies auf die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit der G7-Staaten und die höchste Erwerbstätigenzahl der Geschichte. Das sei die Grundlage für künftiges Wachstum.
Zudem erinnerte der Kanzler daran, dass Deutschlands Wirtschaft in besonderem Maße mit den Folgen des russischen Angriffskrieges in Deutschland zu kämpfen habe. „Es wäre gut, wenn dieser Krieg endlich endet“, sagte Scholz später in der Debatte. Bis dahin bleibe Deutschland der größte Unterstützer der Ukraine in Europa. Deutlich wurde er, als es um die Finanzierung der Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab 2028 ging. „Es gibt nur einen fairen Vorschlag in der Debatte, der kommt von mir und der SPD“, sagte Scholz und kritisierte seinen Kontrahenten direkt: „Was Sie hier vorgetragen haben, ist lächerlich. Es gibt kein Wirtschaftswachstum, das 30 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr pro Jahr finanziert. Ich bin dagegen, den Bürgerinnen und Bürgern etwas vorzumachen.“
Nein zur Atomenergie, Ja zum Mindestlohn
Auch als Merz zwischendurch eine Rückkehr zur Atomkraft ins Spiel brachte, bügelte Scholz das schnell ab: „Neue Atomkraftwerke kosten 40 Milliarden Euro. Das ist alles hanebüchen, was hier diskutiert wird.“ Beim Mindestlohn warf der Unionskandidat dem Kanzler Wortbruch vor. Scholz sagte „Nö“ und fügte an: „Ich bin für einen Mindestlohn von 15 Euro und ich bin stolz darauf, dass die SPD den Mindestlohn überhaupt eingeführt hat.“ Denn das habe dazu geführt, dass der Niedriglohnsektor in Deutschland derzeit so gering sei wie noch nie. Zur Verlängerung der Mietpreisbremse sagte Scholz: „Unbedingt.“ Merz hingegen: „Meine Vermutung ist, sie bremst den Wohnungsbau.“ Einig waren sich die beiden bei ihrer Einschätzung zur FDP. Ein Bundestag ohne die Liberalen wäre „ärmer, aber durchaus lebensfähig“.
Zum Ende des Duells gab sich der Bundeskanzler zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass die SPD ein neues Mandat bekommt und ich Koalitionsgespräche führen kann.“ Denn diese Debatte habe noch einmal gute Gründe geliefert, „warum es mit der CDU nicht funktioniert“.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
„Ungleiches Duell“_1
Klein gegen Groß, Herausforderer gegen Kanzler: who`s who?
In dem „ungleichen Duell“ warb unser Bundeskanzler (u. a.) für seinen „taffen Kurs“ in der Migrationspolitik - Olaf ist halt ein taffer Typ. Das bewies er auch, als er Merz, der „bis zu 3%“ vom BIP für Aufrüstung ausgeben will, zu entlocken versuchte, wie der (nur) 2% zu finanzieren gedenke, denn das wären 2024 83 Mrd. € gewesen, der Haushalt aber wies nur 52 Mrd. € aus (ohne Anteil vom Sondervermögen (20 Mrd. €)). So ergibt sich die – jährliche - Finanzierungslücke von etwa 30 Mrd. €, die Merz (unwidersprochen) durch Wirtschaftswachstum abdecken will. "Was Sie hier vorgetragen haben, ist lächerlich“, entgegnete Scholz. Scholz konnte das sagen, weil eine Zunahme der Bundessteuereinnahmen um 30 Mrd. € ein Wachstum des BIP von etwa 8,4% voraussetzt. (Würde sich das für 2025 prognostizierte Wachstum von 0,3% perpetuieren, müssten wir 28 Jahre warten, bis die Bundessteuern um 30 Mrd. angewachsen wären.
„Ungleiches Duell“_3
Militärgüter sind keine Investitionen, die während ihrer Nutzungsdauer etwas zum BIP beitragen.
Niemand kann sie essen, trinken; Urlaub auf einem U-Boot ist auch nicht sehr erholsam. Und da, wo eine Rakete oder auch nur Kanonenkugel einschlägt, möchte nicht einmal Pistorius sein. Die ständigen jährlich Ausgaben für Aufrüstung müssen aus dem jährlichen Bundeshaushalt kommen (und auch da nicht die Neuverschuldung belasten.) Ehrlicherweise müsste Scholz also eine Finanzierung unserer Aufrüstung durch Umstrukturierung im Haushalt bewirken: „Wir müssen Strukturen verändern, auch Budgets neu verhandeln“ (Klingbeil, 21.6.22). (Kurz darauf wurde Klingbeil wegen seiner „brutalen Plakativität und radikalen Einfachheit“ zum „Strategen des Jahres“ 2022 gekürt (14.10.22)). Weder Scholz noch Klingbeil muten der deutschen Bevölkerung die Wahrheit über unsere massive Aufrüstung zu: Ausgaben für das Militär machen die Bevölkerung maßstabsgetreu ärmer.
„Ungleiches Duell“_4
Wenn es nur 30 Mrd. € jährlich mehr wären, könnte man (fast) darüber hinwegsehen. Bereits 2,2% vom BIP bedeuten (92,1 Mrd. €, also) 40 Mrd. € mehr, 3% schon 73,6 Mrd. € - Jahr für Jahr. Unser Militärhaushalt betrüge dann jährlich 125,6 Mrd. € (auf der Basis 2023).
Wird Trump sich mit 3% vom BIP zufrieden geben?
Was wird die SPD dann ihren Wählern sagen?
„Ungleiches Duell“_2
Eine Wachstumsrate von 1,2%, gegenwärtig nicht in Sicht, würde die Wartezeit aber schon auf 7 Jahre reduzieren. In den Jahren bis dahin wären Teilbeträge anderweitig zu stemmen.) Scholz konnte sich also völlig zurecht empören: „Ich bin dagegen, den Bürgerinnen und Bürgern etwas vorzumachen.“ Merz war in dem Moment auch sichtlich kleinlaut.
Was hat Scholz zur Deckung der zusätzlichen Ausgaben für „Investitionen in unsere Sicherheit“ vorgesehen? Der Vorwärts hat es nicht mitbekommen; ich habe es auch nicht gehört, obwohl ich gerade an diesem Teil des Duells besonders aufmerksam war. Wenn ich den einzigen „fairen Vorschlag in der Debatte, der von mir und der SPD kommt“, Scholz hat ihn beim Bruch der Koalition angedeutet, halbwegs richtig verstehe, will er die massive Aufrüstung fremdfinanzieren und deshalb die Schuldenbremse modifizieren. Das sollte nicht geschehen, nicht mit dieser Begründung.