Meinung

Merz und die AfD: Wie Angela Merkels Kritik am CDU-Chef ins Schwarze trifft

Die Erklärung von Angela Merkel zur Zusammenarbeit von Friedrich Merz mit der AfD hat es in sich: Sie wirft ihm Wortbruch, Unredlichkeit und taktische Manöver vor. Und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Die Wähler*innen sollten sich dazu ihr eigenes Bild machen.

von Lars Haferkamp · 31. Januar 2025
Harte Kritik am Vorgänger: Ex-CDU-Chefin Angela Merkel und ihr Nachfolger im Parteiamt Friedrich Merz

Harte Kritik am Vorgänger: Ex-CDU-Chefin Angela Merkel und ihr Nachfolger im Parteiamt Friedrich Merz

Es kommt sehr selten vor, dass ein Ex-Parteichef seinen im Bundestagswahlkampf stehenden Nachfolger öffentlich kritisiert. Auch ehemalige Kanzler halten sich mit Kritik an Kanzlerkandidaten der eigenen Partei – drei Wochen vor der Wahl – zurück. Und seit dem Ende ihrer Amtszeit 2021 äußert sich Angela Merkel kaum noch zur Tagespolitik. Es muss also schon etwas sehr Einschneidendes geschehen sein, wenn die frühere CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin davon abweicht und harte Kritik an ihrem Nachfolger im Parteivorsitz übt.

Und das ist es auch. Am 29. Januar hat CDU-Chef Merz „sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD“ herbeigeführt, so Merkel in ihrer Erklärung, die sie am Donnerstag über ihr Büro veröffentlicht hat. Das nennt die Kanzlerin a.D. klar „falsch“.

Merkel: „Nicht taktische Manöver, sondern in der Sache redlich“ sein

„Stattdessen“, fordert sie weiter, sei es erforderlich, „dass alle demokratischen Parteien gemeinsam über parteipolitische Grenzen hinweg, nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich, im Ton maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts, alles tun“, um Anschläge wie in den Aschaffenburg in Zukunft zu verhindern. Denn genau das Gegenteil von dem, was Merkel fordert, tut Merz. 

Deshalb sind ihre Forderungen auch eine fundamentale Kritik am Kanzlerkandidaten der Union: an seiner Politik, an seinem Verhalten, an seinem Charakter. Und Merkel weiß, wovon sie spricht. Sie kennt Merz sehr gut, seit mehr als 30 Jahren. Und sie hat mit ihrer Kritik in jedem Punkt recht.

Die Ex-Kanzlerin beschreibt die Fakten

Denn Merkel beschreibt die Realität: Statt SPD und Grüne auch nur zu einem einzigen Gespräch über seine Migrationsanträge einzuladen, ist Merz beide Parteien in dem für ihn typischen maßlosen Ton angegangen. Statt überparteiliche Mehrheiten für praktikable Lösungen zu suchen, hat er sich auf parteitaktische Manöver beschränkt, in der Hoffnung, damit zu punkten. Statt den Grundkonsens der Demokraten zu wahren, nicht mit Verfassungsfeind*innen zusammenzuarbeiten, hat er – erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik – genau das getan. Statt das Europarecht zu achten, will Merz es brechen. Kein Wunder, dass ihm – als einziger EU-Regierungschef – Victor Orban zu dieser Politik gratuliert. 

„In der Sache redlich“, wie Merkel es fordert, wäre es, wenn Merz nicht bis zum heutigen Tage wahrheitswidrig behaupten würde, es gäbe überhaupt keine Zusammenarbeit der Union mit der AfD – obwohl sie vor aller Welt am 29. Januar im Bundestag stattgefunden hat. „In der Sache redlich“ wäre es auch, wenn er für seine Entscheidung mit der AfD zu kooperieren, endlich Verantwortung übernehmen würde, statt sie auf SPD und Grüne abzuschieben. „Mir ist es völlig gleichgültig“, so Merz vor der Abstimmung, wer seinen Migrationskurs „politisch mitgeht“. Und weiter: „Wenn die AfD zustimmt, dann stimmt sie zu.“ Als sie es dann tat, versuchte sich Merz aus der Verantwortung zu stehlen. Das ist zutiefst unredlich und ungehörig, ja unanständig. 

Merkel-Erklärung entfaltet Wucht und Wirkung

Dass Angela Merkel ihre Erklärung nicht direkt am 29. Januar veröffentlicht hat – wo sie in der Aufregung über die Ereignisse im Bundestag nur eine Randnotiz gewesen wäre – sondern einen Tag später, erhöht die Wucht und Wirkung ihrer Kritik. Sie war am Donnerstag der große Aufmacher in den meisten Fernsehnachrichten. Es gibt wohl wenig, was sich Merz in seinem Wahlkampf weniger gewünscht haben kann.

Angela
Merkel

Für falsch halte ich es, sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen.

Bemerkenswert ist auch, dass die Ex-Kanzlerin ganze 70 Prozent ihrer Erklärung dem Wortbruch von Merz widmet, im Bundestag nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Das zeigt, wie schwer für sie die Unredlichkeit des CDU-Chefs wiegt. 

Ex-Kanzlerin richtet Merz mit dessen eigenen Worten

Merkel zitiert ihn aus seiner Rede am 13. November 2024 im Bundestag. Hier hatte er sein Versprechen bekräftigt, keine Mehrheiten mit der AfD zuzulassen. Merkel richtet Merz quasi mit seinen eigenen Worten, indem sie in aller Ausführlichkeit seine gebrochene Zusage zitiert.

So sagte Merz zu den Fraktionen von SPD und Grünen: Er wolle mit beiden „vereinbaren, dass wir nur die Entscheidungen auf die Tagesordnung setzen, über die wir uns zuvor geeinigt haben, sodass weder bei der Bestimmung der Tagesordnung, noch bei den Abstimmungen in der Sache, auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da von der AfD zustande kommt.“ 

Dem CDU-Chef fehlt es an Haltung

Und Merkel zitiert Merz weiter: „Denn das hätten diese Damen und Herren von rechts außen doch gerne, dass sie plötzlich die Mehrheiten besorgen, und sei es mit Ihnen von den beiden Minderheitsfraktionen bei der Bestimmung der Tagesordnung. Wir wollen das nicht. Ich hoffe, Sie sehen das auch so, liebe Kolleginnen und Kollegen.“ 

Diesen Vorschlag von Merz „und die mit ihm verbundene Haltung“, so Merkel, unterstütze sie „vollumfänglich“. Die Wertschätzung für die ursprüngliche Haltung heißt im Folgeschluss, dass es Merz aus Sicht Merkels heute an der richtigen Haltung fehlt.

Merz nicht kanzlertauglich – weder politisch, noch charakterlich

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel wird damit zur Kronzeugin, dass Merz zur Kanzlerschaft nicht geeignet ist – weder politisch, noch charakterlich. Denn ein Politiker, dem es an Haltung und Redlichkeit fehlt, der sich immer wieder im Ton vergreift, der statt Mehrheiten zu formen nur parteitaktische Manöver betreibt und mit seinen Forderungen gegen europäisches Recht verstößt, ist schlicht nicht kanzlertauglich. Jeder, der Merkels Zeilen liest, versteht es. Bleibt zu hoffen, dass die Wähler*innen es auch verstehen.

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