Merz und die AfD: Warum ein kopfloser Kandidat nicht als Kanzler taugt
Kann man Friedrich Merz noch trauen, es werde „keine Zusammenarbeit“ von Union und AfD geben? Ein Mann, dem in dieser zentralen Frage nicht zu trauen ist, sollte man das Amt des Kanzlers nicht anvertrauen.
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Merz' Haltung zu einer Zusammenarbeit von Union und AfD im Bundestag löst Besorgnis und Protest aus: Beschmiertes Wahlplakat der CDU im Siegerland am 26.01.2025
„Was soll ich glauben?“, fragt Bundeskanzler Olaf Scholz mit Blick auf die widersprüchlichen Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz zu einer Zusammenarbeit von Union und AfD. Was soll man dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in dieser Frage überhaupt noch glauben?, könnte die Frage auch lauten. Denn dessen Glaubwürdigkeit ist durch seinen eigenes Reden und Handeln mittlerweile schwer erschüttert.
So will Friedrich Merz in dieser Woche Anträge der Unionsfraktion zur Migration in den Bundestag einbringen „Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer zustimmt“, kündigt er an. „Kompromisse sind zu diesen Themen nicht mehr möglich“, tönt der CDU-Chef. Also eine Kooperation von Union und AfD? „Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht“, so Merz vollmundig. „Ich gehe keinen anderen.“ Um auf Nachfrage noch einmal nachzulegen: „Wir machen in der Unionsfraktion das, was wir in der Sache für richtig halten. Und wenn die AfD zustimmt, dann stimmt sie zu.“
Welches Wort von Merz gilt denn nun?
Wie bitte? Weiß Friedrich Merz, was er da sagt? Hat er die Kontrolle über sich verloren? Das fragen sich angesichts dieser heftigen Worte nicht wenige. Das scheint auch Merz zu bemerken. Deshalb versichert er wenig später: „Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Darauf können sich alle verlassen.“ Und fordert SPD, Grüne und FDP zum Gespräch auf. Ja, was denn nun? Welches Wort von Friedrich Merz gilt denn nun? Was ist Gepolter und Geschwätz? Und was ist ein Versprechen? „Ich kann die Frage nicht mehr beantworten“, sagt Bundeskanzler Scholz. So wird es vielen gehen.
Fakt ist: Merz kopfloses Krakeelen in der Migrationsfrage hat die Brandmauer der Demokraten gegen die Verfassungsfeinde von rechts schwer beschädigt „Die Brandmauer ist gefallen“, jubelt AfD-Chefin Alice Weidel sogar. „CDU und CSU haben mein Angebot angenommen, in der Schicksalsfrage der Migration im Bundestag gemeinsam mit der AfD zu stimmen.“ Co-Parteichef Tino Chrupalla betont, dass „CDU und CSU unsere Anträge der letzten Jahre kopieren“.
Glaubwürdigkeit des CDU-Chefs erschüttert
Die Frage nach Merz‘ Glaubwürdigkeit wird im Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Denn nach den letzten Tagen werden sich viele Demokrat*innen fragen: Wenn der CDU-Chef schon vor dem Wahltag öffentlich seine Bereitschaft erklärt, Mehrheiten mit der AfD zu suchen – was wird er dann erst nach der Wahl tun? Wer soll noch seiner Beteuerung glauben, es werde „keine Zusammenarbeit“ von Union und AfD geben?
Friedrich Merz
Wir machen in der Unionsfraktion das, was wir in der Sache für richtig halten. Und wenn die AfD zustimmt, dann stimmt sie zu.
So sehr sich viele wünschen, dass die Probleme im Bereich Migration und Asyl mit einem einzigen Maßnahmenpaket noch vor der Wahl zu lösen sind, dass quasi der gordische Knoten mit einem Schwerthieb zu durchschlagen sei: Alle mit Regierungs- und Verwaltungserfahrung, die mit den Fakten vertraut sind, wissen, dass die Realität deutlich komplexer und komplizierter ist. Das wissen Deutschlands Bürgermeister*innen und seine Landrät*innen. Das wissen die Mitglieder der Landesregierungen und der Bundesregierung. Das weiß und betont Bundeskanzler Olaf Scholz zu recht immer wieder.
Ein Kanzler ohne jede Regierungserfahrung?
Friedrich Merz weiß es offensichtlich nicht. Immer noch nicht. Ihm fehlt jede Erfahrung in einem Regierungsamt, sowohl auf der kommunalen Ebene als auch auf der Landes- oder Bundesebene. Das erklärt vielleicht manche seiner irrlichternden Forderungen, die in der Realität schlicht nicht umsetzbar sind. Aber es macht die Sache nicht besser. Erst recht nicht, wenn man sich vorstellt, dieser Mann wird Bundeskanzler.
Die vollmundigen Forderungen von Merz nach einem nationalen Alleingang Deutschlands in der Migrationspolitik sind aber nicht nur in der Sache falsch – etwa weil sie gegen das Grundgesetz und die europäischen Verträge verstoßen – sie sind gefährlich. Denn wer in der Migrationsfrage den Eindruck erweckt, mit der einen beherzten Entscheidung – wie die Union es jetzt mit ihren Anträgen zur Migrationspolitik praktiziert – seien die Probleme effektiv und dauerhaft zu lösen, der weckt Erwartungen bei den Menschen, die enttäuscht werden müssen.
Merz macht die AfD größer und stärker
Und diese Enttäuschten machen dann, das zeigt die Meinungsforschung, am Wahltag ihr Kreuz bei der AfD, die ihre Frustration dankbar aufnimmt und weiter aufstachelt. Friedrich Merz hat bei seinem Amtsantritt als CDU-Chef erklärt, er wolle die AfD klein machen. Durch sein kopfloses Gerede über Migration macht er die Rechtsextremen nur größer und stärker.
Je genauer man Merz zuhört und zuschaut, umso mehr verstärkt sich der Eindruck, den Bundeskanzler Helmut Schmidt über den damaligen CSU-Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß so auf den Punkt brachte: „Dieser Mann hat keine Kontrolle über sich! Und deshalb darf er erst recht keine Kontrolle über unseren Staat bekommen!“ Ob ein Mann außer Kontrolle Kanzler wird, auch darüber wird am 23. Februar entschieden.
Deutschland und Österreich - ein Vergleich
ÖVP (Österreich) | CDU (Deutschland)
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Karl Nehammer, 5. Januar 2025: | Friedrich Merz, 10. Januar 2025:
„Mit einer FPÖ unter Herbert Kickl ist | „Die Brandmauer zur AfD steht. Eine Zusammenarbeit mit
kein Staat zu machen.“ | der AfD kommt für die CDU auf keinem politischen Level
| in Frage – weder im Bund noch auf Landes- oder
| kommunaler Ebene.“
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Christian Stocker, 5. Januar 2025: | Friedrich Merz, 11. November 2024:
„Es geht darum, dass dieses Land | „Weder vorher, noch nachher, noch zu irgendeinem
eine stabile Regierung benötigt –