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Auftakt zum Mitgliedervotum: „Es steht verdammt viel auf dem Spiel“

Zum Start des Mitgliedervotums konnten SPD-Mitglieder am Montag in Hannover mit der Parteispitze über den Koalitionsvertrag diskutieren. Dabei gab es viele Fragen – und eine deutliche Ansage.

von Lea Hensen · 15. April 2025
Bei der Dialogkonferenz in Hannover ging es um offene Fragen der Mitglieder zum Koalitionsvertrag.

Was passiert eigentlich, wenn die Mehrheit mit Nein stimmt? Die Frage wurde am Montagabend in Hannover eigentlich nur einmal gestellt, doch als sie gestellt wurde, hatte Lars Klingbeil schon mehrfach darauf geantwortet. „Wenn wir das jetzt verbocken", sagte der SPD-Chef direkt zu Beginn der Veranstaltung mit Blick auf ein mögliches Scheitern der Koalition von SPD und CDU/CSU, „wer weiß, was das für die Bundestagswahl 2029 oder 2033 in diesem Land bedeutet."  

Nach wochenlangen Verhandlungen haben SPD und Union in der vergangenen Woche ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Jetzt ist die Basis aufgerufen, über die Vereinbarung zu entscheiden. 358.322 SPD-Mitglieder können von Dienstag, 15. April, bis Dienstag, 29. April, online abstimmen. Am 30. April soll das Ergebnis bekannt gegeben werden. Nur wenn sich mindestens ein Fünftel der Mitglieder beteiligt, ist das Votum bindend. 

SPD-Mitglieder entscheiden ab 15. April

Die Dialogkonferenz in Hannover fand am Montag zum Auftakt des Votums statt. Die Hauptverhandler*innen des Koalitionsvertrags um Klingbeil und Amtskollegin Saskia Esken stellten sich dabei den Fragen der Genoss*innen. Dabei warb die Parteispitze eindringlich um die Zustimmung zur Koalition, zeigte sich aber auch bewusst über die Kritik, die es innerhalb der SPD an der Vereinbarung gibt. 

So hatte am Montag nach mehreren Landesvorständen auch der Juso-Bundesvorstand angekündigt, beim Votum mit Nein zu stimmen. Die SPD-Jugend fordert unter anderem Nachbesserungen im Bereich Arbeit und Soziales. Klingbeil appellierte an die staatstragende Verantwortung der SPD – in Zeiten von Ukraine-Krieg, Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump und der starken AfD in Deutschland. „Es steht verdammt viel auf dem Spiel“, sagte der Parteichef. „Und deswegen geht es darum, die Frage zu beantworten, ob wir es hinbekommen, eine stabile Regierung in der demokratischen Mitte dieses Landes zu bilden.“

Klingbeil: „Zukunft des Landes gestalten“

„Ich möchte, dass wir uns nicht wegducken, und ich möchte, dass wir die Zukunft dieses Landes gestalten“, sagte Klingbeil, und betonte den Unterschied gegenüber früheren Abstimmungen wie der von 2018. Damals stimmte die SPD über die Große Koalition ab, allerdings waren kurz zuvor noch Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen geplatzt. „Es gibt diese Alternative jetzt nicht“, sagte Klingbeil mit Blick auf den neuen Bundestag, wo nur SPD und Union zusammen eine Mehrheit haben, die ohne die AfD auskommt. 

Auch Nachverhandlungen, wie sie die Jusos fordern, würden nicht zu besseren Ergebnissen führen, warnte der SPD-Chef. Scheitert das Votum, werde es Neuwahlen geben oder die CDU/CSU müsse in einer Minderheitsregierung regieren. Es bestehe die Gefahr, dass dann Stimmen in der Union mehr Kraft gewinnen, die für eine Normalisierung der AfD stehen. 

Esken: Verhandlungen waren „kein Spaziergang“

Klingbeil und seine Amtskollegin Saskia Esken betonten die Erfolge der SPD bei den Gesprächen mit der Union. „Glaubt mal, so manchen Unfug der Union haben wir in diesen Verhandlungen gestoppt“, sagte der Parteichef. Beim Migrationsthema sei die SPD nicht über eine rote Linie gegangen: „Für uns war klar, Migration muss geordnet und gesteuert werden, aber die doppelte Staatsbürgerschaft wird nicht angefasst und das individuelle Recht auf Asyl nicht angegriffen.“ 

Esken lobte das „historisches Finanzpaket für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz“, die Absicherung des derzeitigen Rentenniveaus bis 2031 und die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro im kommenden Jahr. Auch um die erweiterte Kostenübernahme von Krankenkassen bei Abtreibungen habe sie sehr mit der Union gerungen. „Das war kein Spaziergang.“

Heil: „Grundsicherung bleibt bestehen“

Die anwesenden Genoss*innen wollten allerdings weniger über die Erfolge sprechen, als über die Lücken, die sie im Koalitionsvertrag sehen. Einige prangerten an, Schwarz-Rot hätte zu wenig für Klimaschutz geplant, andere vermissten Maßnahmen in der Pflege. Ein Juso sorgte sich um den Mindestlohn, der wie alle Maßnahmen im Koalitionsvertrag unter „Finanzierungsvorbehalt“ steht. „Lasst uns die Mindestlohn-Geschichte der SPD nicht kaputt reden“, entgegnete Hubertus Heil, derzeit noch geschäftsführender Bundesminister für Arbeit und Soziales. „Wir haben ihn eingeführt, ich habe ihn auf 12 Euro erhöht und wir werden ihn weitererhöhen.“ 

Heil warnte davor, den Parolen der Union auf den Leim zu gehen. So hatte die Union im Wahlkampf damit geworben, das Bürgergeld abschaffen zu wollen. Im Koalitionsvertrag steht nun, es werde umgestaltet, wer allerdings weiterlese, erkenne, es gehe vor allem um schärfere Sanktionen. Die Grundsicherung bleibt bestehen. „Nicht der Satz, sondern die Substanz entscheidet“, betonte Heil.

Dialogveranstaltung in Baunatal am 26. April

Klingbeil wiederholte abschließend seinen Appell, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen. „Ja, das ist nicht hundert Prozent SPD“, sagte er. „Aber da ist verdammt viel drin, womit wir dieses Land die nächsten vier Jahre gestalten können. Und den Rest heben wir uns danach auf.“ Bei einer zweiten Dialogveranstaltung im hessischen Baunatal am 26. April haben Mitglieder noch einmal die Gelegenheit, mit der Parteispitze die Koalitionsvorhaben zu reden.

Aktuelle Entwicklungen zur Bundestagswahl und den Koalitionsverhandlungen gibt es zum Nachlesen in unserem Newsticker.

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Gespeichert von HANS d:: weITERMANN (nicht überprüft) am Di., 15.04.2025 - 11:45

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meine Erinnerung an junge Tage sagt, dass wir Jungen oft auf den Putz hauen wollten. Das wird heute nicht viel anders sein. Deshalb bitte ich die sonst so hilfreichen Jusos etwas zurück zu stellen. Denn es darf nicht sein, dass einen unfähige Regierung mit SPD-Anteil geschaffen wird, weil alle dazu etwas sagen wollen.

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