Inland

Arbeitszeit bis Mindestlohn: Was für Arbeitnehmer im Koalitionsvertrag steht

Was können Arbeitnehmer*innen von der möglichen künftigen schwarz-roten Regierung erwarten? 15 Euro Mindestlohn sollen kommen, ein Gesetz zur Tariftreue im Bund auch. Das sind Vorteile für Beschäftigte, der Koalitionsvertrag hat aber auch Haken.

von Vera Rosigkeit · 11. April 2025
Plakat mit 15 Euro Mindestlohn

15 Euro Mindestlohn: Was bisher eine Forderung der SPD war, findet sich nun auch im gemeinsamen Koalitionsvertrag mit CDU und CSU.

Es sei entscheidend, dass in Deutschland wieder eine wirtschaftliche Dynamik entstehen kann. Diese müsse den Beschäftigten zugutekommen, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Mittwoch bei der Vorstellung des ausgehandelten Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD in Berlin. Darin sind bereits einige Punkte für Beschäftigte vorgesehen. An einigen Stellen konnte sich die SPD mit ihren Forderungen durchsetzen, an anderen nicht. 

15 Euro Mindestlohn 

Ein Mindestlohn in Höhe von 15 Euro war eine zentrale Forderung der SPD im Wahlkampf. Tatsächlich könnte der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland bereits 2026 von derzeit 12,82 Euro auf 15 Euro steigen. Die Entwicklung des Mindestlohns soll laut Koalitionsvertrag weiterhin durch die unabhängige Mindestlohnkommission erfolgen, diese soll sich dabei jedoch künftig an bestimmten Referenzwerten orientieren. Genannt werden hier zum einen die Tarifentwicklung und zum anderen die Höhe des sogenannten Medianlohns (60 Prozent des Bruttolohns von Vollzeitbeschäftigten). So sieht es die EU-Mindestlohnrichtlinie vor, die auch für Deutschland verbindlich ist. 

Tariftreuegesetz im Bund 

Laut Koalitionsvertrag sollen Tariflöhne „wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben“. Die mögliche künftige schwarz-rote Regierung will dafür ein Tariftreuegesetz im Bund auf den Weg bringen. Danach sollen öffentliche Aufträge des Bundes nur noch an die Unternehmen gehen, die ihre Mitarbeiter*innen nach Tarif bezahlen. Auch diese Forderung stammt von der SPD. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hierzu hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bereits im vergangenen Jahr vorgelegt. Er wurde jedoch von der Ampel-Regierung nicht mehr umgesetzt. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wird bei diesem Vorhaben sehr konkret, wenn es heißt, dass das Gesetz für Vergaben „auf Bundesebene ab 50.000 Euro und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro“ greifen soll. Gleichzeitig sollen Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen „auf ein absolutes Minimum“ begrenzt werden.

Betriebsräte und Mitbestimmung

Auch bei der Mitbestimmung im Betrieb konnte die SPD einiges erreichen. So sollen künftig Online-Betriebsratssitzungen möglich sein und als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten gelten. Diese Forderung war auf Arbeitnehmer*innenseite während der Corona-Zeit entstanden. Auch die Möglichkeit, Betriebsräte online zu wählen, soll im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden. Das Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe soll zusätzlich um einen digitalen Zugang erweitert werden.

Auch beschreibt der Koalitionsvertrag, dass der Einsatz von KI im Unternehmen sowohl die Qualifizierung der Beschäftigten als auch die faire Regelung des Umgangs mit den Daten im Betrieb erfordert. Was das allerdings in der Praxis bedeutet, ob beispielsweise Betriebsräte in diesen Fällen mehr Mitbestimmung erhalten sollen, bleibt unklar. Klarer formuliert ist, dass die mögliche künftige Regierung eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft durch steuerliche Anreize für Mitglieder attraktiver machen will.

Mehrstunden ohne Steuern

Künftig sollen Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei bleiben. Diese Forderung stammt aus dem Wahlprogramm der Union und gilt nur für Beschäftigte in Vollzeit. Die ist im Koalitionsvertrag folgendermaßen definiert: Für tarifliche Regelungen gilt eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden. Die konkrete Ausgestaltung soll ebenfalls mit den Sozialpartnern vorgenommen werden. Auch für die Ausweitung der Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigten wird ein neuer steuerlicher Anreiz in Aussicht gestellt.

Wochenarbeitszeit statt Acht-Stunden-Tag

Statt einer täglichen, soll künftig eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gelten. Auch diese Forderung stammt aus dem Wahlprogramm der Union und soll für mehr Flexibilisierung der Arbeitszeit sorgen. Ob das im Sinne der Beschäftigten ist, bleibt fraglich. Gewerkschaftsvertreter*innen kritisieren das Vorhaben. Allerdings soll die neue Arbeitszeitregelung im Dialog mit den Sozialpartnern ausgestaltet und im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie gebracht werden. Laut dieser EU-Richtlinie darf die durchschnittliche Arbeitszeit für jeden Sieben-Tage-Zeitraum 48 Stunden einschließlich Überstunden nicht überschreiten. Die hohen Standards im Arbeitsschutz sollen laut Koalitionsvertrag gewahrt werden und die geltenden Ruhezeitregelungen beibehalten. „Kein Beschäftigter darf gegen seinen Willen zu höherer Arbeitszeit gezwungen werden. Deshalb werden wir Missbrauch ausschließen“, heißt es hierzu.

Fachkräfte und Weiterbildung

Beim Thema Fort- und Weiterbildung werden einige Zielvorstellungen genannt, deren Umsetzung bleibt im Koalitionsvertrag jedoch vage: Ein Ziel ist, dass jeder junge Mensch einen Schulabschluss und eine Ausbildung machen kann. Dafür soll die frühe Berufsorientierung an Schulen ausgebaut und die Berufswegeplanung gestärkt, das Berufsbildungsgesetz evaluiert werden. Die duale berufliche Aus- und Weiterbildung wird als „Aushängeschild Deutschlands“ bezeichnet, die künftig auch bei den Erzieherberufen eingeführt werden soll. Um die Versorgung mit Fachkräften zu sichern soll u.a. die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöht werden. Außerdem soll die Anerkennung auch von ausländischen Berufsqualifikationen beschleunigt und die Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt durch berufsbegleitenden Spracherwerb und berufsbegleitender Qualifizierung vorangebracht werden.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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