Streit um Koalitionsvertrag: Steigt der Mindestlohn auf 15 Euro oder nicht?
Die SPD ist überzeugt, dass der gesetzliche Mindestlohn bereits 2026 auf 15 Euro steigen wird, die Union widerspricht. Auf die Frage, wer Recht hat, gibt der Koalitionsvertrag nur beinahe eine klare Antwort.
IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Auf dem Bundesparteitag der SPD im vergangenen Dezember forderten die Deligierten 15 Euro Mindestlohn.
„Stabile Renten, bezahlbares Wohnen, 15 Euro Mindestlohn“, für SPD-Generalsekretär Matthias Miersch ist der vergangene Woche gemeinsam mit der Union vorgestellte Koalitionsvertrag „ein starkes Zeichen in schwierigen Zeiten“. Ein Mindestlohn von 15 Euro soll danach bereits 2026 kommen, das steht für die SPD außer Frage. Doch der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht das wohl anders, wenn er einen Anstieg auf diese Höhe für das kommenden Jahr als nicht gesetzt bezeichnet. „Es wird keinen gesetzlichen Automatismus geben“, erklärte er im Gespräch mit der „Bild am Sonntag". Warum sich die SPD dennoch sicher ist, könnte mit einer Änderung der Geschäftsordnung der Mindestlohnkommission zu tun haben.
Was steht im Koalitionsvertrag?
Zunächst einmal haben sich die Koalitionspartner*innen darauf verständigt, an einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission festzuhalten. Das bedeutet nichts anderes, als dass auch weiterhin diese Kommission über die Höhe der gesetzlichen Lohnuntergrenze entscheiden wird. Laut Koalitionsvertrag soll sich diese jedoch künftig sowohl an der Entwicklung der Tarifentwicklung als auch an der Höhe des sogenannten Medianlohns (60 Prozent des Bruttolohns von Vollzeitbeschäftigten) orientieren. Diese Kritierien sind Teil einer EU-Mindestlohnrichtlinie, die auch für Deutschland gültig sind.
Entscheidet die Mindestlohnkommission unabhängig?
Ja. Bislang gab es nur eine Ausnahme. 2022 hatte sich die damalige Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag darauf verständigt, einmalig per Gesetz einzugreifen, um den Mindestlohn auf 12 Euro anzuheben. Danach ist man wieder zurückgekehrt zum System einer sozialpartnerschaftlichen Entscheidung in der Mindestlohn-Kommission, in der jeweils Vertreter*innen aus Gewerkschaften und Arbeitgeber sitzen. Die Tätigkeit der Mitglieder ist ehrenamtlich, zuletzt entschied sie im Juni 2023 die vierte Anpassung des Mindestlohns, der seit dem 1. Januar bei 12,82 Euro liegt.
Allerdings ist im Oktober 2022 eine EU-Mindestlohnrichtlinie in Kraft getreten, die seit November vergangenen Jahres auch für Deutschland verbindlich ist. Um den darin enthaltenen Kriterien zur Anpassung des gesetzlichen Lohnuntergrenze in den Mitgliedstaaten gerecht zu werden, wurde im Januar 2025 die Geschäftsordnung der deutschen Mindestlohnkommission geändert.
Wie verbindlich ist die EU-Mindestlohnrichtlinie?
Für eine EU-Mindestlohnrichtlinie hatten im September 2022 die Mehrheit der europäischen Abgeordneten gestimmt. Sie gilt in allen für alle europäische Mitgliedstaaten, in denen weniger als 80 Prozent der Arbeitsverhältnisse unter den Geltungsbereich von Tarifverträgen fallen. Das trifft auf Deutschland zu. Die Richtlinie legt unter anderem fest, dass der Mindestlohn eines Landes mindestens 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens betragen müsse. Median steht dabei für das mittlere Einkommen von mehreren und ist nicht zu vergleichen mit einem Durchschnittseinkommen. Deutschland hätte diese Richtlinie bereits im Herbst 2024 umsetzen müssen, was einem Mindestlohn in Höhe von 14,75 Euro gleichgekommen wäre, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im September letzten Jahres gegenüber der ARD mitteilte.
Warum ist die SPD sicher, dass der Mindestlohn auf 15 Euro steigt?
Auch deshalb ist sich Heil und die SPD sicher, dass ein Mindestlohn von 15 Euro kommt. Auf die Frage, wie die SPD die 15 Euro Mindestlohn in 2026 erreichen will, erklärte der noch amtierende Bundesarbeitsminister am Montag im ZDF: „Das erreichen wir, indem sich die Mindestlohnkommission an die eigene Geschäftsordnung hält“. Damit verwies Heil auf die Änderung der Geschäftsordnung. Darin heißt es, dass sich die Mindestlohnkommission zur Festsetzung des Mindestlohns „an der
Tarifentwicklung sowie am Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns von
Vollzeitbeschäftigten“ sowie an den Kriterien der EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der Europäischennun Union (EU-Mindestlohnrichtlinie) orienieren muss. Für Heil steht fest: „Damit sind die 15 Euro erreichbar.“
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.