Wahlaufruf: Warum die größten deutschen Betriebsräte hinter Olaf Scholz stehen
Betriebsräte machen mobil – für mehr Mitbestimmung, eine aktive Industriepolitik und Investitionen in die Infrastruktur. In einem Aufruf erklären 56 Vorsitzende und Betriebsräte der wichtigsten Unternehmen des Landes, warum sie die SPD wählen. Denn Olaf Scholz greift ihre Forderungen auf.
IMAGO/Susanne Hübner
Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG, hat den Wahlaufruf für Olaf Scholz unterzeichnet
Es geht um sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze und um die Zukunft der deutschen Wirtschaft. In einem Wahlaufruf begründen Betriebsratsvorsitzende und Betriebsräte aus ganz Deutschland, warum sie am 23. Februar für Olaf Scholz und die SPD stimmen. Damit Deutschland Industrieland bleibe, komme es in den nächsten Jahren darauf an, „dass unser Land in die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft und Infrastruktur investiert", heißt es in dem Aufruf, der am Mittwoch zuerst in den Zeitungen der Madsack-Gruppe erschienen ist. Die Unterzeichnenden des Aufrufs vertreten weit mehr als eine Millionen Beschäftigte in den wichtigsten Unternehmen dieses Landes.
Was die Betriebräte fordern
Stellvertretend für die 56 Betriebsrats-, Gesamtbetriebsrats- und Konzernbetriebsratsvorsitzenden betonte Hermann Soggeberg, Betriebsratsvorsitzender von Unilever, einem der weltweit größten Hersteller von Verbrauchsgütern: „Olaf Scholz steht nicht nur fest an der Seite der Beschäftigten, sondern auch für echte Wirtschaftskompetenz." Neues Wachstum und sichere Arbeitsplätze kämen nicht von selbst. Olaf Scholz kenne sich „in besonderem Maße" mit den Rahmenbedingungen, Investitionsbedarfen und der wandelnden Weltwirtschaft aus. „Deshalb genießt er unser Vertrauen.“
Im Detail fordern die Betriebsräte „massive Investitionen", beispielsweise in die Stahl-, Automobil- und Chemieindustrie, in Halbleiter und in die Batterieproduktion. Aber auch in gute Verkehrswege, gute Bildung oder ein gutes Gesundheits- und Pflegewesen müsse investiert werden. Da sich diese Investitionen nicht von selbst tätigen, plädieren die Unterzeichnenden für eine Reform der Schuldenbremse, „die immer mehr zu einer Investitions- und Zukunftsbremse geworden ist“.
Mehr Mitbestimmung
Weil Wachstum weder durch Massenentlassungen noch mit dem Abbau von Rechten der Arbeitnehmer*innen zu erreichen sei, fordern die Betriebsräte mehr Mitbestimmung, etwa bei der Personalplanung und Personalbemessung. Auch dürften wichtige Entscheidungen über Produktionsstandorte „künftig nicht mehr gegen die Arbeitnehmerbank“ getroffen werden.
Diesen Forderungen kommt die SPD in ihrem Wahlprogramm nach. Sie will das Betriebsverfassungsgesetz reformieren und die Mitbestimmung von Betriebsräten ausbauen, etwa bei der Personalplanung oder bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz, aber auch beim Gesundheitsschutz und in der Weiterbildung im Betrieb. Die Behinderung demokratischer Mitbestimmung soll als Offizialdelikt gelten.
Mehr Tariftreue
Die Betriebsräte fordern weiterhin, dass Steuergelder, die für die Transformation der Wirtschaft ausgezahlt werden, an Bedingungen wie Tarifbindung, Standorttreue und Beschäftigungssicherung geknüpft sein müssen.
Das entspricht dem von der SPD geplanten Bundestariftreuegesetz: Demnach sollen öffentliche Aufträge des Bundes nur an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Auch öffentliche Gelder und Fördermittel zur Bewältigung der Kosten für die Transformation sollen konsequent an die Kriterien Tarifbindung, Standortentwicklung, Beschäftigungssicherung und Qualifizierungsstrategien gebunden sein.
Mehr Aus- und Weiterbildung
Neben mehr Tarifbindung fordern die Betriebsräte, die duale Ausbildung zu stärken, Weiterbildung in allen Lebensphasen zu unterstützen und bessere Regeln für Kurzarbeit, wenn es in betrieblichen Übergangsphasen schwierig wird.
Die SPD plant Qualifizierung und Weiterbildung zu fördern. Dazu will sie die Versicherungsleistung im Arbeitslosengeld stärken. Ziel ist ein Recht auf Weiterbildung und beruflichen Neustart in allen Lebensphasen. So sollen beispielsweise Weiterbildungszeiten während der Arbeitslosigkeit nicht mehr auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds angerechnet werden, wodurch sich der Anspruch auf Unterstützung verlängert. Auch will die SPD ihren Weg der Ausbildungsgarantie fortsetzen. Dafür unterstützt sie Maßnahmen wie beispielsweise die Einführung eines Umlagefonds in Branchen, in denen unterhalb des Bedarfs ausgebildet wird.
Was die SPD außerdem plant
Die Pläne der SPD zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland sind umfangreich und enthalten einen „Made in Germany“-Bonus, der Unternehmen unterstützt, die in Deutschland investieren. Darüber hinaus will die SPD „Deutschlandfonds“ mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro schaffen und dafür sorgen, das gezielt in den Ausbau von Infrastruktur – von modernen Energienetzen, über Wohnungen bis zu Datenleitungen – investiert wird.
Diese Ausgaben seien zwar unter Einhalt der Schuldenregeln zu bewältigen, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Parteitag der SPD im Januar in Berlin. Trotzdem wirbt die SPD in ihrem Wahlprogramm „für eine moderate Reform“ der Schuldenbremse.
Zusätzliche Einnahmen verspricht sich die SPD von einer Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie von einer Vermögensteuer, die sie revitalisieren will. Dadurch sollen, „die höchsten Vermögen in unserem Land" stärker bei der Finanzierung der Gemeinschaft in die Verantwortung genommen werden.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.