Staatsfinanzen erklärt: Was sind Schuldenbremse, Sondervermögen und Co?
So viel ist mittlerweile klar: Deutschland braucht Mittel für Investitionen. Woher soll das Geld kommen? Wir erklären die wichtigsten Begriffe der Debatte.
IMAGO / Wolfilser
Um in Wirtschaft und Infrastruktur zu investieren, kann sich die Bundesregierung finanzpolitischer Instrumente bedienen.
Was genau ist die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse wurde auf dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschaftskrise in 2009 beschlossen und greift vollständig seit 2016. Sie gibt der Bundesregierung, vereinfacht gesagt, vor, nicht mehr Geld auszugeben, als sie durch Steuern einnimmt. Die Regelung ist im Grundgesetz verankert und soll die Staatsschulden begrenzen. Verschuldet sich Deutschland trotzdem, dürfen die Schulden höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Die zulässige Nettokreditaufnahme erhöht sich in konjunkturell schlechten Zeiten, in konjunkturell guten Phasen wird sie kleiner.
Gibt es Ausnahmen?
In Notsituationen oder Naturkatastrophen kann die Bundesregierung die Schuldenbremse aussetzen, wenn diese „sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Das bedeutet, der Bund nimmt Kredite auf, für die es jeweils einen Tilgungsplan gibt. 2020 und 2021 hat die Ampel-Koalition diese Ausnahmeregel wegen der Corona-Pandemie angewendet und 2022 noch einmal wegen des Ukraine-Kriegs. 2024 kam der Bundeshaushalt nach vier Jahren erstmal wieder ohne Notlagenkredite aus und hielt die Obergrenze der Nettokreditaufnahme ein.
Wieso fordern einige eine Reform der Schuldenbremse?
Kritiker*innen, unter ihnen Teile der SPD, argumentieren, dass die Schuldenbremse die finanziellen Spielräume von Bund und Ländern zu sehr einschränkt – dringende Investitionen bleiben in Deutschland auf der Strecke. Die Liste ist lang: Von Infrastruktur, bis Gesundheitswesen, Schule und der Wirtschaft. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beziffert den Investitionsbedarf des Staates in Infrastruktur bis 2035 mit rund 400 Milliarden Euro. Dafür reichen die Mittel im regulären Haushalt nicht.
Um die Schuldenbremse zu ändern oder gar abzuschaffen, braucht es zwei Drittel der Stimmen im Bundestag. Um Investitionen zu erlauben, möchte die SPD „bestehende Möglichkeiten zur Finanzierung von Investitionen im Rahmen der Schuldenregel stärker nutzen“, heißt es in der Beschlussvorlage der vergangenen Vorstandsklausur von Oktober 2024. SPD und Grüne wollen die Schuldenbremse reformieren. Union und FDP waren bislang dagegen – am Ende war die Ampel-Koalition am Streit über die Finanzregel zerbrochen. Zuletzt signalisierte CDU-Parteichef Friedrich Merz plötzlich doch noch Bereitschaft, über eine Reform zu sprechen.
Welche Finanzierungswege gibt es neben dem regulären Haushalt?
Das Grundgesetz bietet ausdrücklich die Möglichkeit, für einen bestimmten Zweck einmalig ein Sondervermögen einzurichten. Diese Fonds tauchen nicht im Bundeshaushalt auf, unterliegen also auch nicht der Schuldenbremse. Als Geldgeber für die Kredite kommen Banken wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Investmentsfonds, Versicherungen und Anleger im In- und Ausland in Frage.
Laut Bundesrechnungshof gab es im vergangenen Jahr 29 Sondervermögen über insgesamt rund 869 Milliarden Euro. Bekannte Beispiele für Sondervermögen sind der Corona-Wirtschaftsstabilitätsfonds (WSF), der Klima- und Transformationsfonds (KTF) (seit 2022, davor: Energie- und Klimafonds) oder der Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Bekämpfung der Energiekrise (2020 bis 2022). Wegen des Ukraine-Kriegs hat die Bundesregierung das Sondervermögen für die Bundeswehr (2022) eingerichtet.
Für den Haushalt 2021 hatte die Bundesregierung ungenutzte Mittel aus Notlagenkrediten aus der Corona-Zeit von 60 Milliarden Euro rückwirkend in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) überwiesen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte im November 2023, dass das nicht zulässig war.
Was sind zum Beispiel das Sondervermögen für die Bundeswehr und der Klima- und Transformationsfonds?
Mit dem einmaligen Kredit von über 100 Milliarden Euro investiert die Bundesregierung zusätzlich zum Verteidigungsetat in die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr. Olaf Scholz nannte die Maßnahme eine „Antwort auf die Zeitenwende“. Zum Beispiel werden aus dem Vermögen Großgeräte der Luftwaffe finanziert, der Eurofighter ECR gekauft und weiterentwickelt. Mit dem Eintrag ins Grundgesetz hat sich die Bundesregierung in diesem Fall besonders abgesichert.
Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) stellt für die Förderung der Energiewende, des Klimaschutzes und der Transformation von 2024 bis 2027 insgesamt 211,8 Milliarden Euro zur Verfügung. Mit diesem Fonds unterstützt die Bundesregierung etwa die energetische Gebäudesanierung, die Dekarbonisierung der Industrie sowie den Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Elektromobilität und der Ladeinfrastruktur. Der KTF finanziert sich anteilig aus Erlösen des Europäischen Emissionshandels sowie der CO2-Bepreisung.
Was sind Investitionsfonds?
Über Investitionsfonds könnte eine Bundesregierung mit gezielten staatlichen Unterstützung Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft fördern. Zuletzt war in diesem Zusammenhang von einem Deutschlandfonds die Rede. Allerdings ist nicht ganz geklärt, wie so ein Fonds finanziert werden soll und ob ein Sondervermögen eingerichtet werden muss, um die Schuldenbremse zu umgehen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat für eine neue Amtszeit einen Fonds von mindestens 100 Milliarden Euro für Investitionen in Sicherheit und Infrastruktur in Aussicht gestellt. Er soll anteilig aus öffentlichen Mitteln und privatem Kapital bestehen. Für Unternehmen soll es eine Investitionsprämie in Höhe von zehn Prozent geben, wenn sie in Deutschland produzieren.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte einen ähnlichen Fonds vorgeschlagen, über den die Industrie eine Investitionsprämie über zehn Prozent der Kosten für Anschaffungen bekommen soll. Der Deutschlandfonds soll laut Habeck über Schulden finanziert, die Schuldenbremse aber nicht ausgesetzt werden.
wäre es zielführend, anstelle von Schulden den
Begriff "Rückzahlungsdividende" zu etablieren? Wir müssen endlich weg von dieser permanenten Schuldenhuldigung