Inland

Ökonom Jens Südekum: Warum die Ideen der SPD der Wirtschaft helfen würden

Der von Olaf Scholz geforderte Made-in-Germany-Bonus würde viel dazu beitragen, die Konjunktur zu beleben, sagt Jens Südekum. Im Interview erklärt der Ökonom, wieso der Kanzler und die SPD auf dem richtigen Weg sind und über welche Positionen von Friedrich Merz er den Kopf schüttelt.

von Nils Michaelis · 17. Januar 2025
Ford Automobilindustrie E-Autos

Im Juni 2023 wurde das Ford Cologne Electric Vehicle Center eröffnet. Derzeit erlebt der Markt für E-Autos eine Flaute.

Der von Olaf Scholz vorgeschlagene Made-in-Germany-Bonus soll Investitionen von Unternehmen in Deutschland ankurbeln. Ist diese Steuerprämie dafür der richtige Weg? 

Ja, ich glaube, dass der Made-in-Germany-Bonus und Investitionsprämien im Allgemeinen zielgenaue Instrumente sind. Deutsche Unternehmen haben in den letzten Jahren wesentlich weniger investiert als amerikanische, französische oder niederländische. Das ist ein riesiges Problem. So laufen Unternehmen Gefahr, den Anschluss an neue Technologien zu verlieren. 

Damit Deutschland aus der Krise kommt, brauchen wir dringend eine Steigerung der privaten Investitionen. Der besagte Bonus, der zehn Prozent der Investitionskosten über eine Steuerprämie abdeckt, würde für eine schnelle und unbürokratische Entlastung sorgen. Wer beispielsweise eine Million Euro investiert, bekommt über die nächste Steuererklärung 100.000 Euro zurück. Das würde viel mehr bringen als die von der Union geforderte Steuerentlastung nach dem Gießkannenprinzip. Niedrige Steuern führen nicht automatisch zu mehr Investitionen. 

Welche Reaktionen aus der Wirtschaft haben Sie in Bezug auf den Made-in-Germany-Bonus wahrgenommen?

Wenn man die Chance hat, das Instrument genau zu erklären und auch zu vergleichen mit einer simplen Steuersatzsenkung, ist die Resonanz positiv. Dann sagen die meisten, das macht ja Sinn. Die Historie dieser Investitionsprämie reicht weit zurück. Zum ersten Mal lag sie, mit dem Fokus auf Investitionen in Energieeffizienz, im Rahmen des sogenannten Wachstumschancengesetzes auf dem Tisch. Umgesetzt wurde sie jedoch nicht. 

Der „Made in Germany“ Bonus ist breiter angelegt, es geht um ein unbürokratisches und ganz und gar nicht, wie manche meinen, planwirtschaftliches Instrument. Man muss es eben nur verständlich vermitteln.

Gibt es Unternehmen, die die Einführung des Bonus begrüßen würden?

Absolut. Ein Beispiel: Im März letzten Jahres habe ich mich in einem Gastbeitrag im „Handelsblatt“ für einen Investitionsbonus starkgemacht. Meine Co-Autoren waren NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur von den Grünen und Paul Niederstein, der Geschäftsführer von The Coating Company, dem ältesten deutschen Familienunternehmen. Er hat das damals durchgerechnet und gesagt, dass sich eine auf diese Weise geförderte Millioneninvestition in eine strombasierte Verzinkerei lohnen würde.

Der Investitionsbonus steht in ähnlicher Form auch im Wahlprogramm der Grünen. Auch die haben erkannt, dass es im Vergleich mit Steuergeschenken das bessere Instrument ist.

Der Wirtschaftsexperte

Jens Südekum ist Ökonom. An der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf lehrt er Volkswirtschaft. Der 49-Jährige gehörte dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium an. Südekum ist SPD-Mitglied.

Jens Südekum

Kritiker*innen, etwa aus den Reihen der CDU, sagen, für mehr Investitionen brauche es keinen Steuerbonus, sondern weniger Bürokratie und eine bessere Infrastruktur. Liegen sie völlig falsch?

Natürlich brauchen wir weniger Bürokratie. Aber das hat Olaf Scholz ja auch gesagt. Bürokratieabbau allein wird aber nicht zu mehr Investitionen führen. Warum sollte ein Unternehmen mehr in eigene Kapazitäten investieren, nur weil es weniger Berichte für EU-Behörden schreiben muss? Es nimmt mehr Geld in die Hand, wenn es davon ausgeht, dass eine höhere Nachfrage vorliegt, die zu bedienen ist.

Wo sollte die Politik sonst noch ansetzen, um Investitionsanreize zu schaffen? 

Ich halte den Bonus für das wichtigste Instrument. Man sollte aber auch eine gute Nachfragekonstellation herstellen. Unternehmen stecken beispielsweise nur dann Geld in die Produktion von grünem Stahl, wenn sie davon ausgehen, dass dieser auch gefragt sein wird. 

Die Politik kann helfen, indem sie die Idee von grünen Leitmärkten einführt und festlegt, dass bei allen öffentlichen Bauprojekten verpflichtend ein gewisser Prozentsatz an grünem Stahl verbaut wird. Um der Flaute auf dem E-Auto-Markt zu begegnen, sollten mehr Kaufanreize geschaffen werden. 

Die SPD will 95 Prozent der Menschen entlasten, etwa über eine geringe Mehrwertsteuer und eine Absenkung der Einkommenssteuer. Könnte beides die Wirtschaft beflügeln?

Ja. Gerade der private Konsum kommt nicht in Gang. Das zeigen die aktuellen Zahlen vom Statistischen Bundesamt. Die Leute sparen momentan sehr viel Geld und auch deswegen schwächelt die Konjunktur. Von daher ist es wichtig, jetzt für Steuerentlastungen zu sorgen, etwa im Bereich der Einkommenssteuer, gerade in den unteren Bereichen. Dadurch hätten die Menschen mehr Geld in der Tasche. Steigt die Nachfrage im Kleinen, springen auch die Unternehmensinvestitionen wieder an. 

Die grundlegenden Unterschiede zwischen CDU und SPD in Sachen Wirtschaftspolitik werden immer deutlicher. Stehen wir am 23. Februar tatsächlich, wie viele Politiker*innen sagen, vor einer Richtungswahl?

Ja, ich glaube schon. Die eine Partei schlägt nominale Steuersatzsenkungen vor, die andere einen Investitionsbonus. Bei beiden geht es im Grunde um dasselbe Ziel, nämlich die Steigerung der privaten Investitionen. Die Wähler*innen können entscheiden, welches Instrument sie bevorzugen. 

Jens 
Südekum

Der Made-in-Germany-Bonus ist das wichtigste Instrument, um Unternehmen zu mehr Investitionen zu ermutigen.

Im Steuer- und Wirtschaftskonzept von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz klafft eine 100-Milliarden-Lücke. Ist seine „Agenda 2030“ nur ein Luftschloss? 

Fairerweise muss ich sagen, dass die Agenda auch gute Vorschläge enthält. Die CDU schlägt unter anderem eine Einkommenssteuerreform vor, nach dem Motto: Arbeit muss sich wieder lohnen. Im Prinzip habe ich nichts dagegen. Man muss aber genau sagen, wie man das gegenfinanzieren will, anstatt den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen. 

Es genügt nicht, allein auf zusätzliches Wachstum und Einsparungen, zum Beispiel beim Bürgergeld, zu setzen. Diese Rechnung geht nicht auf. Um die von der Union geforderten Steuersenkungen zu finanzieren, bräuchten wir ein Wachstum von rund zehn Prozent. Das werden wir aber nicht bekommen.

Es ist unseriös, so etwas zu versprechen. Ein Wahlprogramm sollte in sich konsistent und durchgerechnet sein. Diese Anforderung erfüllt das CDU-Programm aus meiner Sicht nicht.

Wie steht es um die Wirtschaftskompetenz von Friedrich Merz, auf die er sich so gerne beruft?

Wirtschaftskompetenz beginnt damit, dass man eins plus eins rechnen kann und dabei zwei herauskommt.Wenn man schon an dieser Stelle scheitert, habe ich ein bisschen Zweifel, was die Wirtschaftskompetenz angeht. Vielleicht weiß Friedrich Merz aber auch selbst, dass sein Steuerkonzept nicht aufgehen kann. Dann wäre es ein unredliches Luftschloss allein für den Wahlkampf. Wie gesagt: Parteien sollten Konzepte vorlegen, die auf sicheren Füßen stehen. 

Merz hat sich jüngst skeptisch zum Umstieg auf grünen Stahl geäußert. Auch beim Thema E-Mobilität bremst seine CDU und pocht auf die sogenannte Technologieoffenheit. Wie gefährlich sind Merz und seine Partei für den Wirtschaftsstandort Deutschland, insbesondere für die kriselnde Stahl- und Autobranche? 

Mit aus der Hüfte geschossenen Aussagen kann man den Industriestandort Deutschland kaputtreden. Die Autoindustrie hat große Probleme, weil sie Investitionen in neue Geschäftsfelder, gerade E-Mobilität, jahrelang verschlafen hat. Jetzt machen sich Unternehmen auf den Weg und investieren, weil klar ist, dass der Weg in Richtung Elektromobilität geht. Wer jetzt ankündigt, das Aus für Verbrenner verschieben zu wollen, entwertet diese Investitionsentscheidungen. Unternehmen brauchen klare Rahmenbedingungen.

Beim grünen Stahl ist es genauso. Es ist völlig klar, dass es in 20 Jahren keine konventionelle Stahlproduktion in Deutschland mehr geben wird. Wollen wir die Klimaziele erreichen, müssen wir auch hier weg von der Kohle. 

Es hat keinen Sinn, mit Billigstahl aus China zu konkurrieren. Wenn die deutsche Stahlindustrie eine Überlebenschance hat, dann allein mit qualitativ hochwertigem, klimaneutralem Stahl. Den müssen wir als Erste auf den Weltmarkt bringen. Hierfür wurden riesige Investitionen angebahnt. Eigentlich hatten das alle verstanden. Und dann kommt Friedrich Merz und sagt, er glaubt nicht an grünen Stahl. Da kann man nur den Kopf schütteln. 

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