Meinung

Finanzen: Warum die Einigung von Schwarz-Rot ein echter Sprung nach vorn ist

Deutschland braucht schnell mehr Geld für seine Verteidigung und die Infrastruktur. Genau dafür wollen SPD und Union nun mit ihrer Einigung über Sondervermögen und Schuldenbremse sorgen. Das ist ein großer Erfolg der SPD – den bisher die FDP verhinderte.

von Gustav Horn · 5. März 2025
SPD-Chef Lars Klingbeil: Er verhandelte mit CDU-Chef Friedrich Merz erfolgreich die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung und Infrastruktur.

SPD-Chef Lars Klingbeil: Er verhandelte mit CDU-Chef Friedrich Merz erfolgreich die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung und Infrastruktur.

Es gibt Zeiten, da scheint die Welt sich schneller zu drehen. Bestehende Gewissheiten geraten ins Wanken und neue, beängstigende Gefahren tauchen am Horizont auf. In einer solchen Zeit leben wir derzeit, und eine künftige Bundesregierung muss sich diesen gewaltigen Herausforderungen stellen. Sie muss vor allem Vorschläge machen, die einer sich ausbreitenden Unsicherheit und Angst sowohl in der Bevölkerung als auch zwischen Staaten mit realistischen und rasch fühlbaren Maßnahmen entgegentreten. Darum geht es bei den derzeit laufenden Sondierungsgesprächen zwischen SPD und der Union. 

Schneller als von den meisten gedacht, sind nun weitreichende Entscheidungen gefallen. Vor dem Hintergrund einer düsteren globalen Dramatik haben sich beide Parteien auf eine Art zwei Phasen Paket geeinigt. Die erste Phase besteht in bereits kurzfristig wirksamen Maßnahmen, die zweite in Reformen, die eine längerfristige Neuaufstellung einleiten. Schnelligkeit ist vor allem mit Blick auf die Militärausgaben und eine fühlbar verbesserte Infrastruktur erforderlich. Mit dem derzeitig geltenden Haushalt ist dies wegen der rechtlichen Begrenzungen durch die Schuldenbremse nicht in notwendigem Umfang zu erreichen. 

Investitionen in Infrastruktur seit langem überfällig

In der ersten Phase wird ein Sondervermögen für Infrastruktur eingeführt. Dieses besteht in der Erlaubnis, zweckgebundene Ausgaben in vorbestimmter Höhe über den geltenden Haushaltsrahmen hinaus zu leisten. Der Zweck sind in diesem Fall höhere Ausgaben für eine verbesserte Infrastruktur in Sachen Verkehr, Energieversorgung, Gesundheit, Bildung-, Betreuungs-Wissenschaftsinfrastruktur sowie in Zivil- und Bevölkerungsschutz. Dafür sind 500 Mrd. € vorgesehen. Das sind in der Summe gut 10 Prozent unseres BIP. Dieser Betrag soll im Lauf der kommenden 10 Jahre ausgegeben werden. 

Mit diesem Schritt erfüllt die mögliche neue Bundesregierung Anforderungen, die viele Ökonominnen und Ökonomen schon seit Jahren erbeben. Nunmehr beseht endlich die Chance, unsere in vielen Bereichen marode Infrastruktur in einem langjährigen und stetigen Investitionsprozess wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Das wird die alltäglichen Ärgernisse und Beschwerden in der Bahn, in den Schulen, bei der Pflege und im Gesundheitssystem deutlich vermindern. Das ist ein großer Erfolg für die SPD, den die FDP für die Ampel leider verhindert hat.   

Hohe Flexibilität bei künftigen Verteidigungsausgaben

Der mögliche Ausfall der USA als Partner in der Verteidigung erzwingt eine weitere, rasche Entscheidung. Zweifel an den Fähigkeiten, den sicherheitspolitischen Herausforderungen begegnen zu können, sollten möglichst im Keim erstickt werden. Hierzu muss die stärkste Volkswirtschaft einen spürbaren und sichtbaren Beitrag leisten. Gelänge dies nicht, würden wirtschaftliche, militärische und gesellschaftliche Unsicherheiten zu möglicherweise schweren Verwerfungen führen. 

Daher sollen ab sofort alle Militärausgaben über 1 Prozent des BIP von der Schuldenbremse freigestellt werden. Das erlaubt auf die teilweise unbekannten und nicht vorhersehbaren Herausforderungen flexibel zu reagieren. Es ist gleichzeitig das klare Signal an unsere Partner, dass wir hierzu bereit sind. Für diese Mittel gibt es keine rechtliche Obergrenze. Das ist sinnvoll mit Blick auf die notwendige Flexibilität. Ökonomisch ist aber zu beachten, dass Militärausgaben konsumtive Ausgaben sind, die sich also nicht durch ein höheres Wachstumspotenzial zumindest teilweise selbst finanzieren und damit eine steigende Schuldenbelastung nach sich ziehen. 

Langfristige Reform der Schuldenbremse richtig

Die Vereinbarungen zwischen SPD und Union reichen aber über die kurze Frist hinaus. Mit dem Vorhaben, die Schuldenbremse grundlegend zu reformieren wird eine überfällige Wende in der Geschichte der deutschen Wirtschaftspolitik eingeleitet. Von Anfang an krankte die Schuldenbremse unter dem ihr zugrunde liegende Denkfehler, man könne das Wirtschaftsgeschehen in einen verfassungsrechtlich quantifizierten Rahmen pressen. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben in aller Deutlichkeit gezeigt, dass dies nicht möglich ist. In der Konsequenz wurde viel Zeit und Energie für das Ausspüren von Um- und Auswegen von den Anforderungen der Schuldenbremse verschwendet. Das diente weder der Haushaltsklarheit noch einer hinreichend dynamischen Investitionsdynamik. Im Ergebnis steht der Verschleiß, den wir an allen Ecken beobachten können und erleiden müssen. 

Mit der angedachten Reform sollte dies in Zukunft nicht mehr der Fall sein. So wie die SPD es bereits 2023 auf ihrem Parteitag beschlossen hat, sollen öffentliche Investitionen, die der Daseinsvorsorge und damit dem Wohlstand der Vielen dienen, jederzeit in gefordertem Umfang möglich sein. So geht sozialdemokratische Wirtschaftspolitik.   

Alle Sozen-Wirtschaft-Beiträge von Gustav Horn lesen Sie hier.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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