Inland

Wahlkampf in Berlin: Klartext mit dem Kanzler

Inmitten einer politisch turbulenten Woche stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit viel Engagement den Fragen der Berliner*innen – und warnt vor einer „schwarz-blauen Mehrheit“.

von Finn Lyko · 28. Januar 2025
In Berlin stellt sich Kanzler Olaf Scholz den Fragen der Bürger*innen - und spricht Klartext.

In Berlin stellt sich Kanzler Olaf Scholz den Fragen der Bürger*innen - und spricht Klartext.

Live-Konzerte und Partys – das ist es, womit die meisten Berliner*innen den „Festsaal Kreuzberg“ verbinden. Heute stehen jedoch Polizeiwagen auf dem Gelände, im Gebäude folgen dann strickte Sicherheitskontrollen für alle, die ein Ticket für den Dienstagabend bekommen haben. Doch es ist weder eine Rockband, noch ein Techno-DJ, den man hier live erleben kann, sondern Bundeskanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Die Aufregung scheint dadurch jedoch nicht geschmälert.

Angeheizt durch die erneut verschärfte Migrationsdebatte erreicht der Bundestagswahlkampf in dieser Woche wohl seinen Höhepunkt, und der „Festsaal Kreuzberg“ ist entsprechend gut gefüllt. Gut 400 Menschen aller Altersgruppen, darunter auch unzählige Medienvertreter*innen, tummeln sich, die Gespräche vor Veranstaltungsbeginn drehen sich viel um politische Themen wie den Wahlkampf und die Chancen der SPD, jetzt doch noch aufzuholen – manchmal jedoch auch nur um die Qualität der Brezeln vor Ort.

Berliner Direktkandidat*innen „so vielfältig, wie Berlin selbst“

Sie wolle zunächst einige besondere Gäste begrüßen, richtete die Berliner Direktkandidatin für den Wahlkreis Treptow-Köpenick, Ana-Maria Trăsnea, pünktlich zum Veranstaltungsbeginn das Wort an das Publikum. Denn auch die Vorsitzenden der SPD Berlin, die Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey und weitere Mitglieder des Berliner Senats seien heute vor Ort, sowie alle Direktkandidat*innen der insgesamt 12 Berliner Wahlkreise. Diese seien, so Trăsnea, so vielfältig, wie Berlin selbst. 

Als die Kandidat*innen ihre Anliegen vorstellen, wird klar, was sie damit meint: Von dem Einsatz für bezahlbare Mieten bis zu außenpolitischer Diplomatie decken die Kernthemen alles entlang sozialdemokratischer Kernthemen ab. „Sie alle sind mit Herzblut dabei“, beschrieb Trăsnea.

Scholz: Klare Absage an Friedrich Merz‘ migrationspolitische Vorhaben

Doch nicht nur für die Berliner Wahlkreise, so Ana-Maria Trăsnea, sondern auch für Deutschland als großes Ganzes habe die SPD einen „klaren Vorschlag, wer das Land regieren soll“ – nämlich Olaf Scholz, der in genau diesem Moment gut gelaunt und unter großem Applaus die Bühne betritt.

Als es dann um die aktuelle politische Lage geht, wird er jedoch sofort ernst. Tödliche Angriffe auf Menschen wie der der vergangenen Woche in Aschaffenburg dürfen sich nicht weiter wiederholen: „Es reicht, das können wir nicht mehr ertragen, das wollen wir nicht mehr ertragen“, so der Bundeskanzler. Man müsse nun „richtig reagieren“, und das fordere auch schwierige Entscheidungen – wie die Grenzkontrollen, die nach der Messerattacke von Solingen zunächst verlängert wurden. Ebenso wichtig sei jedoch: „Wer verfolgt wird, braucht Schutz – und kann ihn in Deutschland auch bekommen“ – entsprechende Vorgaben des Grundgesetzes und Europarechtes müssen auch in schwierigen Zeiten wie den aktuellen ein Grundsatz bleiben, betonte Olaf Scholz.

Für ihn sei klar: Die – in seinen Worten – „komischen Konzepte“, die Friedrich Merz nun im Bundestag auch mit Stimmen der AfD einbringen wolle, achten diese Grundsätze nicht mehr. „So kann man eine solche Verantwortung in diesem Land nicht wahrnehmen“, kritisiert der Kanzler seinen Konkurrenten. Dafür, dass Merz nun „mit den extremen Rechten gemeinsame Sache macht“, gebe es laut Olaf Scholz keine Entschuldigung. Einen Vorteil habe das ganze jedoch aus seiner Sicht: Die Unglaubwürdigkeit von Friedrich Merz sei nun bestätigt. „Die Bürgerinnen und Bürger wissen jetzt woran sie sind“, so Olaf Scholz. Gegen diesen drohenden Rechtsruck im Parlament helfe vor allem, wenn „der Kanzler so heißt, wie jetzt“, appellierte er mit einem Lachen.

Scholz: SPD wählen als bestes Mittel gegen den Rechtsruck

Doch bei allen gut gemeinten Wahlappellen – nun muss sich Olaf Scholz beweisen, indem er sich den Fragen des Berliner Publikums stellt. Ana-Maria Trăsnea eröffnet die Debatte: Jetzt sei Klartext angesagt.

Und das kann der Kanzler. Zunächst an vielen Stellen vage, wird er dennoch mit jeder Frage, die die Bürger*innen an ihn richten sicherer, konkreter – und humorvoller. So antwortet er auf die Frage, wie eine Mehrheit von Union und AfD im Bundestag verhindert werden könne schlichtweg mit einem Augenzwinkern: Das beste Mittel dagegen sei, wenn er die Wahl gewinne.

Für alles eine Antwort und Geduld parat

Neben dem Rechtsruck sind es jedoch auch andere Themen – mal persönlicher, mal größer – die die Berliner*innen beschäftigen. Eine Frau fragt nach Digitalisierungskonzepten für die Pflege, ein Mann fragt nach den Plänen der SPD zur Stärkung der Gemeinnützigkeit, eine Grundschullehrerin nach Plänen zu einem Sondervermögen für den Bildungssektor, ein Mann zum Nutzen von Volksentscheiden, eine Frau aus Moldau nach der Unterstützung für die Ukraine aber auch für Länder wie Moldau oder Georgien, die sich von Russland bedroht sehen.

Und der Kanzler? Hat auf jede Frage eine Antwort parat. Geduldig klärt er auf – sei es über die bereits umgesetzten Maßnahmen der Ampel-Regierung, über die Kernthemen der SPD für die nächste Legislaturperiode, über die verschiedenen Zuständigkeiten des Bundes, der Länder und der Kommunen oder die Unterstützung Deutschlands für die Ukraine.

Selbst, als eine junge Mitarbeiterin des AWO-Jugendwerks berichtet, dass sie sich im sozialen Sektor wegen nicht umgesetzter Gesetzesvorhaben wie der Kindergrundsicherung nicht beachtet fühle und so langsam nicht mehr wisse, warum man noch SPD wählen sollte, hat Olaf Scholz dem etwas entgegenzusetzen. Mit der Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags sowie der „massiven Ausweitung des Wohngeldes“ sei durchaus „viel für Kinder passiert“, so der Bundeskanzler. Als nächstes wolle sich die SPD nun beispielsweise für der Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und der Einführung kostenloser Schulessen einsetzen, um damit Familien konkret zu entlasten.

Trotz Tumult ein geselliger Abschluss

Alles in allem ist es ein friedlicher, konfliktfreier Abend – doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Gegen Ende der Veranstaltung konfrontiert eine junge Frau Olaf Scholz mit den Waffenlieferungen Deutschlands an Israel, die in Anbetracht der vielen Todesopfer der palästinensischen Zivilbevölkerung bereits seit längerer Zeit von Aktivist*innen scharf kritisiert werden. Gerade, als der Kanzler dazu ansetzt, die Außenpolitik seiner Regierung zu erklären, beginnt eine Frau, wütend dazwischenzurufen. Doch Scholz bleibt souverän, bedankt sich „für die Frage und den Zwischenruf“ und erklärt seine Position.

Die beiden Frauen verlassen den Raum, sobald die Veranstaltung vorbei ist. Viele andere bleiben. Es gibt die Chance auf ein Foto mit Olaf Scholz auf der Bühne – die viele nur zu gern ergreifen. Die Berliner Direktkandidat*innen haben sich derweil für Gespräche unter die verbliebenen Bürger*innen gemischt. Der Abend im „Festsaal Kreuzberg“ scheint gerade erst begonnen zu haben.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 29.01.2025 - 11:07

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Warum soll ich einer Partei und einem Bundeskanzler meine Stimme geben die mein Vertauen in den letzten Jahren zutiefst enttäuscht haben ? Nur um ein vermeintlich größeres Übel zu verhindern ?
Naja es sind ja noch 3 Wochen in denen ich mir das überlegen kann.
Als ich 1998 die SPD wählte wegen ihres Programms bekam ich Sozialabbauer Schröder und Kriegshetzer Fischer. Vor 3 1/2 Jahren bestimmten das "grüne" die Politik mit Kriegshetze und Wirtschftsruin. In welche Traufe gerate ich dieses mal ????

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