SPD Aschaffenburg: Wahlkampf nach dem Anschlag – geht das?
Ende Januar erschütterte ein Messerattentat Aschaffenburg. Zwei Menschen starben. An Wahlkampf war erstmal nicht zu denken. Wie gehen die SPD und ihr Bundestagskandidat vor Ort mit dieser Situation um? Ein Besuch
Alexander Klotz | OrangeProduction.de
SPD-Bundestagskandidat Manuel Michniok überreicht am „Dönerstag“ in Aschaffenburg einen Döner.
Nervös tritt Manuel Michniok von einem Fuß auf den anderen. In fünf Minuten soll es losgehen, der erste „Dönerstag“ in Aschaffenburg. Eine Wahlkampfaktion der dortigen SPD, bei der ein großer Döner dank SPD-Subvention an diesem Tag nur fünf Euro kostet. Normalerweise sind es 8,50 Euro. Wahlkampf zehn Tage vor einer Bundestagswahl – so weit so normal. Doch an Normalität war in der unterfränkischen Großstadt mit ihren gut 70.000 Einwohner*innen in den vergangenen Wochen nicht zu denken. „Es lag tagelang ein dunkler Vorhang über der Stadt. Niemand hat gewusst, wie es weitergeht“, berichtet Michniok, der in Aschaffenburg SPD-Vorsitzender ist und hier für den Bundestag kandidiert.
Wahlkampf-Pause nach Attentat
Ende Januar tötete ein Afghane in einem Park in der Stadt am Untermain zwei Menschen. Mit einem Mal stand „Aschaffenburg“ für Terror. „Das war ein einschneidendes Ereignis. Wir haben sofort die Bremse eingelegt und gesagt: Jetzt muss der Wahlkampf erst mal ruhen“, sagt der SPD-Bundestagskandidat. Denn in einer Situation, in der die gesamte Stadtgesellschaft um die Opfer des Anschlags trauerte, sei es völlig unangebracht gewesen, einen normalen Wahlkampf zu machen oder die Tat womöglich sogar politisch zu nutzen. So hatten es sich die Familien der Hinterbliebenen auch gewünscht und sich mit der Bitte an alle politischen Parteien gewandt hätten.
Daher blickt Michniok mit Unverständnis darauf, wie andere Parteien mit dieser Bitte umgingen. „Das gipfelte darin, wie Alexander Dobrindt von der CSU aus dem Polizeibericht vorlas und Friedrich Merz im TV-Duell mit Olaf Scholz im Detail beschrieb, wie viele Messerstiche es gab. Das sind Sachen, die gehören da nicht hin.“ Die SPD habe hingegen versucht, das zu wecken, was Aschaffenburg laut Michniok schon immer ausgezeichnet habe: die Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Stadtgesellschaft.
„Aschaffenburg ist eine starke Stadt mit den Menschen, die hier leben, und der Vielfältigkeit, die wir haben. Gemeinsam sind wir stark. Das war das Motto, um nach vorne zu blicken.“ In diesem Geist habe sich auch ein breiter Querschnitt der Stadtgesellschaft dem Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke in den Weg gestellt, als dieser und seine Anhänger*innen versuchten, das Attentat mit einer Trauerkundgebung für sich zu instrumentalisieren.
Neujahrsempfang als Neuanfang
Für die Aschaffenburger SPD begann der Blick nach vorne mit ihrem Neujahrsempfang, der zwei Wochen nach dem Attentat geplant war. Die Genoss*innen diskutierten: Absagen oder wie geplant durchziehen? „Wir haben uns dann gesagt: Damit setzen wir ein Signal nach vorne und danach starten wir wieder in den Wahlkampf“, berichtet Michniok. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte spontan zu und kam an den Untermain. „Lasst uns zeigen, dass Respekt und Zuversicht stärker sind als Angstmache“, forderte Esken die Anwesenden in der Aschaffenburger Stadthalle auf.
Eskens Sätze hat sich die Aschaffenburger Sozialdemokratie für den Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben. „Ich bin angetreten, weil es mir persönlich wichtig ist, die Themen der normalen Beschäftigen nach vorne zu bringen und dafür im Wahlkampf einzutreten. Ich möchte dafür sorgen, dass die Menschen einen fairen Lohn bekommen, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz haben, dass wir diese Transformation im Sinne der Beschäftigten gestalten und meistern und dass wir gute Arbeitsbedingungen haben. Das ist für mich der Kern meines politischen Handelns“, sagt Michniok, der als Gewerkschaftssekretär für die IG Metall arbeitet, für den Wahlkampf aber zwei Monate lang freigestellt ist. Anders ginge es zeitlich gar nicht, sagt der Sozialdemokrat und lächelt die Augenringe weg, die der Wahlkampf und die Vaterschaft von sieben Monate alten Zwillingen mit sich bringen.
Döner mit Wahlkampf-Flyer
Währenddessen wuselt sein Team durch den knapp 20 Quadratmeter großen Dönerladen, hängt Plakate an die Fensterscheiben und versucht, Michnioks Wahlkampf-Video auf den großen Bildschirm auf der hinteren Wand des Ladens zu bringen. „Ich habe ein total engagiertes Wahlkampfteam, die wirklich Vollgas geben“, sagt er. Das ist auch an diesem Tag zu spüren. Kurz vor 17 Uhr warten schon 15 Leute, darunter drei Jungs von der Jugendfeuerwehr, eine Mutter mit ihrer Tochter. Als es losgeht, brandet Jubel auf. Michniok steht hinter der Ladentheke. Er trägt eine rote SPD-Schürze und ein schwarzes T-Shirt mit dem Logo des Dönerladens. Während die Mitarbeiter*innen die klassischen Fragen stellen – „Mit allem?“, „Joghurtsauce oder Knoblauch?“, „auch Zwiebeln?“ – packt Michniok zu jedem Döner einen Flyer von sich dazu. „Den muss man heute mitnehmen“, sagt er den hungrigen Käufer*innen und grinst.
„Okay, Leute, die Menschen stehen bis zum Juwelier“, ruft irgendwann eine Genossin aus Michnioks Wahlkampfteam. Um die Wartezeit auf den Döner zu verkürzen, verteilen sie draußen schon mal SPD-Flyer. Auch Mitglieder der Grünen und der PARTEI kommen vorbei. Nach einer Stunde sind mehr als 100 Döner über die Theke gegangen. Hinter der Aktion steckt nicht nur Spaß und der Gedanke, möglichst viele Menschen im Wahlkampf zu erreichen, wie Michniok erklärt: „Die Preise steigen schneller als die Löhne. Viele Menschen haben deshalb nicht mehr das Geld, sich einfach mal einen Döner zu gönnen. Aber ein guter Döner darf kein Luxus sein. Deshalb kämpfe ich für gute Löhne und eine Politik, die das echte Leben im Blick hat.“ Und weil seine Aktion so gut ankam, folgt am kommenden Donnerstag schon die Fortsetzung.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo