Franz Müntefering: Warum Friedrich Merz nicht Kanzler werden darf
Der frühere SPD-Vorsitzende und Sauerländer Franz Müntefering kennt Friedrich Merz seit Jahrzehnten. In einem Gastbeitrag verweist er auf fehlende Erfahrung und Eignung des CDU-Kanzlerkandidaten.
picture-alliance/ dpa/dpaweb | Kay Nietfeld
Der damalige Vizekanzler Franz Müntefering und der CDU-Abgeordnete Friedrich Merz begegnen sich im Januar 2006 in Hamburg.
Friedrich Merz kann locker sein, freundlich und fidel. Aber er schleppt auch Macken mit sich herum, die ihn für die Wahl zum Bundeskanzler disqualifizieren. Vom Europa-Abgeordneten wechselte er 1994 in die Bundespolitik, um sich sein Lebensziel zu erfüllen: Friedrich Merz wollte und will Bundeskanzler werden. Das treibt ihn an, auch zu seltsamen Dingen. Manche davon treffen auch seine Partei, die CDU.
Merz' Lebensziel: Bundeskanzler
Als er den Fraktionsvorsitz 2002 an Angela Merkel verlor, verlor er auch das Interesse an der Bundespolitik und konzentrierte sich alsbald als Lobbyist auf die große, lukrative Wirtschaft. Weigerte sich aber, das Ausmaß seiner Nebentätigkeiten offenzulegen. Dafür zog er sogar vor das Bundesverfassungsgericht und wurde schließlich dazu gezwungen.
Merz verließ den Bundestag, servierte seiner Partei und der Öffentlichkeit aber sein Glaubensbekenntnis: ein dickes Buch mit dem Titel „Mehr Kapitalismus wagen“. Auch für viele in der CDU eine Zumutung. Widerrufen hat er meines Wissens nichts davon. Das passte auch zu seiner heftigen Kritik an der Struktur der Pflegeversicherung, die Norbert Blüm und wir Sozialdemokraten in den 1990er Jahren zum Gesetz gemacht hatten. Merz bewegte sich damals egozentrisch am Rande der Union. Als Frau Merkel ihren Abschied vom Kanzleramt ankündigte, war Merz sofort wieder auf der Bühne. Klar, es ging um sein Lebensziel.
Ohne Erfahrung ins Kanzleramt?
Aber was an Erfahrung bringt er eigentlich mit? Er war nie Bürgermeister, Landrat, Ministerpräsident. Kohl und Merkel holten ihn nie in ihre Kabinette – sie kannten ihn. Da ist nicht viel. Man merkt: Kanzler zur Probe? Besser nicht.
Sein Lebensziel treibt ihn auch jetzt wieder zu Schlaumeiereien und Absurditäten.
Alle sind sich bewusst, dass die Verbrechen zugereister Menschen, die es wiederholt gab, Katastrophen sind und von allen Menschen im Lande auch so erlebt werden. Gesetzlich und in der Praxis gibt es Handlungsbedarf, um solche Verbrechen sicherer auszuschließen. Das muss an einem Tisch verhandelt und vereinbart werden, an dem alle demokratischen Parteien unseres Landes sitzen.
Merz versucht, Trump zu spielen
Dabei ist auszugehen von der „Gleichwertigkeit aller Menschen“ (Menschenrechtskonvention der UN 1948) und vom Artikel 16a des Grundgesetzes zum „Asylrecht für politisch Verfolgte“. Es gibt keine Recht auf Willkür, nicht für Zureisende und nicht für den Staat.
Dass Friedrich Merz knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl Trump versucht zu spielen und die Zustimmung der AfD anpeilt und nicht die der demokratischen Parteien, ist ein schwerer Verstoß gegen bisher unbestrittene Regeln demokratischen Wirkens in unserem Land. Sein Versuch ist im Bundestag knapp gescheitert. Gut so. Und Grund für Stolz auf die SPD-Bundestagsfraktion und alle, die geholfen haben, Merz hier zu stoppen.
Dass Friedrich Merz vier Wochen vor der Bundestagswahl versucht, Bundeskanzler zu spielen und sich mit pauschalierter Argumentation die Zustimmung der AfD holte, war wahrlich kein Beweis für seine Kanzlerqualifikation und ein Wahlgeschenk an die AfD. Wusste er es nicht oder störte ihn das nicht? Soll Merz die Zukunft unserer Demokratie sein? Wirklich, muss nicht! Wir sind gewarnt. Am 23. Februar hat unser Land die Chance, alle fatale Spielerei mit Nationalismus und einem trumpierenden Merz zu stoppen. Alle Gutwilligen sind willkommen.
Müntefering: „Ich bin stolz auf meine Partei“
Wichtig ist: Es reicht nicht, es besser zu wissen als Merz. Es kommt darauf an, es besser zu machen. Besser für die Menschen, die in diesem Land geboren sind oder schon lange leben. Besser für die, die sich hierher retten und die nach besten Kräften sich integrieren. Die gibt es ja, in großer Zahl sogar. Sie sind eine Chance für unser Land – demografisch und menschlich. Diese positive Konsequenz von Zuwanderung und Integration ist eine große Leistung unserer Gesellschaft und derer, die gekommen sind. Die uns willkommen bleiben.
Die Geschehnisse und Debatten in der vergangenen Woche in Deutschland und im Bundestag und die Ergebnisse bei den Abstimmungen haben gezeigt, wie wichtig eine starke Sozialdemokratie für unser Land und die Sicherung der Demokratie ist. Ich bin stolz auf meine Partei.
Merz' Lebensziel obsolet machen
Am 23. Februar bei der Bundestagswahl können alle Stimmberechtigten dafür sorgen, dass nicht mit Friedrich Merz Leichtsinn und Dilettantismus in Deutschland dominieren. Und dass niemand die AfD hofieren kann.
Dabei wäre dann Merz‘ Lebensziel allerdings obsolet. Aber bei der voraussichtlich übernächsten Bundestagswahl 2029 wird Merz rund 74 sein und die Jüngeren in der Union werden mit Sicherheit rechtzeitig vorher klären, wer von ihnen 2029 folgen soll. Friedrich Merz wird spätestens dann Ruheständler. Dazu wünsche ich ihm 2029 alles erdenklich Gute.