Zustrombegrenzungsgesetz: Wie Merz trotz der AfD scheiterte
Alle Augen waren am Freitag auf den Bundestag gerichtet, weil dort ein erneuter Dammbruch nach Rechtsaußen drohte. Eine hitzige Debatte und vier Stunden Sitzungsunterbrechung später war klar: Diesmal konnte sich Friedrich Merz nicht mithilfe der AfD durchsetzen.
IMAGO / Frank Ossenbrink
Friedrich Merz ist mit seinem kontroversen Gesetz im Bundestag gescheitert.
Der wichtigste Tagesordnungspunkt begann am Freitag mit einer langen Pause, es war die Ruhe vor dem Sturm. Vier Stunden rangen Abgeordnete und Fraktionsspitzen darum, das abzuwenden, was seit Mittwoch alle befürchteten: Dass erstmals im Bundestag ein Gesetz mit Stimmen von Rechtsextremen beschlossen wird. Schon am Mittwoch hatte CDU-Chef Friedrich Merz den demokratischen Konsens gebrochen und für seine nicht europarechtskonformen Forderungen auf eine Mehrheit mit der AfD gesetzt.
Abgeordnete von CDU und FDP stimmten gegen den Gestzentwurf
Am Freitag drohte sicher dieser Dammbruch fortzusetzen: Hatte die Entscheidung von Mittwoch noch keine rechtlichen Konsequenzen, hätte die Bundesregierung das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz umsetzen müssen, hätte es auch noch Bundesrat passiert. Es sollte unter anderem den Familiennachzug von Menschen mit beschränktem Schutzstatus stoppen. Außerdem sollte die Bundespolizei mehr Befugnisse bekommen, Ausreisepflichtige eigenständig in Haft nehmen zu können, ohne vorher die Staatsanwaltschaft zu konsultieren.
Doch nach einer hitzigen Debatte kam dann alles anders: Von den 693 abgegebenen Stimmen, stimmten 350 Abgeordnete in zweiter Lesung gegen den Gesetzentwurf. 338 Abgeordnete stimmten mit Ja, fünf enthielten sich. Der Vorstoß von Friedrich Merz war damit geplatzt. Als die Ergebnisse der Auszählung verkündet wurden, brach in den Reihen von SPD, Grünen und Linken Jubel aus. Zuvor hatten neben der Union auch die AfD, die FDP, das BSW und Fraktionslose angekündigt, zuzustimmen. Wie die Abgeordneten tatsächlich stimmten, wurde noch nicht bekanntgegeben. Offenbar haben aber zwölf Abgeordnete der Union und auch einige der FDP nicht für den Gesetzentwurf.
Einzelne Abgeordnete von Union stimmten nicht ab
Möglicherweise ein stiller Protest, glich die Debatte, die der Abstimmung vorausging, doch in vielem einer Achterbahn-Fahrt. Noch am Morgen war ein Vorschlag der FDP-Fraktion bekannt geworden, den Gesetzentwurf in den Innenausschuss zu überweisen, um Zeit für weitere Verhandlung zu gewinnen. SPD und Grünen waren dazu bereit. Union, AfD und auch die FDP stimmten am Ende dagegen.
Was folgte, übertraf in seiner Schärfe die Szenen von Mittwoch: Im Plenum wurde gebuht, gepfiffen und geschimpft. Viele Redner*innen überschritten ihre Redezeit, Bundestagsvizepräsidentin Kathrin Göring-Eckert musste ständig ermahnen. Zu Beginn kritisierte SPD-Fraktionschef Frank Mützenich die fehlende Kompromissbereitschaft von Union und FDP. Merz hatte Grüne und SPD am Mittwoch aufgefordert, mit ihm zu verhandeln. Solche Gespräche müssten aber auf Augenhöhe stattfinden, betonte Mützenich, und nicht nach dem Prinzip „Friss oder Stirb“.
Der SPD-Fraktionschef appellierte an die Abgeordneten, den Gesetzentwurf abzulehnen. „Die Lebensader der Demokratie wurde vor zwei Tagen beschädigt, aber noch nicht durchschnitten“, sagte er, und an Merz gerichtet: „Der Sündenfall wird Sie für immer begleiten. Aber das Tor zur Hölle können wir noch schließen.“ Die SPD-Abgeordneten dankten ihm mit tosendem Applaus und Standing-Ovations.
Friedrich Merz wies alle Vorwürfe weit von sich, stritt eine AfD-Nähe ab, um dann rhetorisch so weit zu entgleisen, dass er von täglichen „Gruppenvergewaltigungen“ aus dem „Asylmilieu“ sprach. Grüne und SPD seien für das Erstarken der AfD verantwortlich, sagte er. Die AfD ergriff die Vorlage und vermeldete, sie wolle „Deutschland erlösen“.
Merz zum Rückzug aufgefordert
Einprägsam war auch der Auftritt von Annalena Baerbock (Grüne). Die Rede der Außenministerin wurde von empörten Zwischenrufen unterbrochen, die sie selbst „sexistisch“ nannte. Die Grünen-Politikerin sprach über die Auswirkungen des Antragbeschlusses von Mittwoch. Darin hatte die Union die Schließung der deutschen Grenzen gefordert. Andere EU-Staaten könnten es Deutschland nachmachen, sagte die Außenministerin, dann stehe die EU-Asylreform auf dem Spiel.
Baerbock lieferte sich einen heftigen Schlagabtausch mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Thorsten Frei: Als dieser die Außenministerin der Lügen bezichtigte, antwortete sie: „Dass Männer, wenn sie nicht mehr weiterwissen, mit dem Wort Lüge um sich werfen, bin ich ja schon gewohnt.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hob hervor, dass SPD und Grüne eigene Alternativen im Bundestag vorgelegt hatten: Gesetze, um die EU-Asylreform umzusetzen und die Bundespolizei zu stärken. SPD-Chef Lars Klingbeil mahnte, „das Tischtuch zur Union“ nicht zu zerschneiden, und hob CDU-Politiker vor, die den Unionsbeschluss mit der AfD kritisiert hatten. Dazu gehörten in der vergangenen Woche etwa der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), oder Michel Friedmann (CDU), der aus der Union austrat. „Lassen sie uns eine gemeinsame Lösung finden“, appellierte er an der Liberale und Konservative.
Heidi Reichinnek (Linke) forderte Merz schließlich zum Verzicht auf die Kanzlerkandidatur auf. „Sie haben gesagt, Sie reichen der AfD nicht die Hand. Stimmt. Sie liegen sich ja schon lange glücklich in den Armen.“ Ob Merz dem folgen wird, ist allerdings mehr als fraglich.
Migration, Debatte am 31.1.2025 im Bundestag
Mit Recht und großer Entschlossenheit hat die SPD gegen die unsäglichen Gesetzesvorlagen der Union gestimmt. Merz ist nun gewächt. Klug wäre es, wenn die SPD das wichtige Thema Begrenzung der illegalen Migration erneut aufgreifen und noch am 12.2.2025 wieder in den Bundestag einbringen würde. Dazu könnte auch das im Bundesrat von der Union blockierte Gesetzt dienen. Wir sollten Herrn Günther und Herrn Wegener aufrufen, dieses Gesetzt nun passieren zu lassen.