Neue Barnier-Regierung: Warum Frankreich ein heißer Herbst droht
16 Tage nach seiner Ernennung zum französischen Premier hat Michel Barnier sein Kabinett vorgestellt. Schon jetzt ist klar, dass die Regierung deutlich nach rechts rücken wird – und keine Mehrheit im Parlament hat. Frankreich droht ein heißer Herbst.
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Anfang dieser Woche traf sich das Kabinett von Michel Barnier zu seiner ersten Sitzung. Die Regierung ist in Frankreich hoch umstritten.
Das politische Gewicht in der französischen Regierung verlagert sich mehr als deutlich nach Rechts. Die „Republicains“, Schwesterpartei von CDU/CSU, haben als lediglich fünftstärkste Fraktion zwar eine derbe Wahlschlappe erlitten, werden aber erstmals seit der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy (2012) wieder an einer Regierung beteiligt sein. Der neue Premier Michel Barnier, der über keine Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt und dort auf die Tolerierung durch Marine Le Pens rechtsextremen „Rassemblement National“ angewiesen ist, hat weitere, ultrakonservative Republikaner*innen in zentrale Funktionen gesetzt.
„Wir werden sehen, wie weit wir gehen können.“
Allen voran den neue Innenminister Bruno Retailleau. Der starke Mann des Kabinetts ist ein absoluter Hardliner, bekannt für seinen vehementen Kampf gegen die gleichgeschlechtliche Ehe wie gegen Migration. In den Medien er bereits allgegenwärtig mit Äußerungen wie, er werde „alle Mittel ergreifen“, um „die Einwanderung in Frankreich zuunterdrücken“.
Damit ist generell der Ton gesetzt. Es gehe zuallererst darum, „die Ordnung wiederherzustellen“, sagt Retailleau. Ein neues Gesetz zur Reform der staatlichen medizinischen Hilfe (AME) sei bereits in Vorbereitung, was praktisch vor allem eine erhebliche Einschränkung der Gesundheitsversorgung für Migant*innen bedeutet. Ebenso die Wiedereinführung des Tatbestands „Verbrechen des illegalen Wohnsitzes“, der unter dem sozialistischen Präsidenten Francois Hollande abgeschafft wurde, oder stichprobenartige Grenzkontrollen. „Wir werden sehen, wie weit wir gehen können“, sagte er am Montagabend im Fernsehsender TF1.
Viele fühlen sich um die Wahl betrogen
Die Parlamentswahlen waren ein deutliches Votum gegen die Politik der Rechten und speziell gegen Le Pens rechtsextremes Programm. Die konservative Regierung des neuen Premierministers Barnier dürfte gleichwohl vieles davon umsetzen. So viel ist schon in den ersten Tagen des Kabinetts klar geworden. Präsident Macron hat qua französischer Verfassung das Recht und die Pflicht, einen Premier zu bestimmen, der oder die ihm am geeignetsten scheint, das Land zu regieren. Barnier zu bestimmen ist, das muss betont werden, völlig legal. Es widerspricht allerdings vehement dem Wählerwillen.
Die Enttäuschung der Französinnen und Franzosen ob der Entscheidung des Präsidenten, eine konservative Regierung zu bilden, ist daher gewaltig und äußert sich in Demonstrationen im ganzen Land – und das schon vor der ersten Regierungserklärung Barniers. Viele Menschen fühlen sich um die Wahl betrogen. Macron, nach den olympischen Spielen gerade wieder leicht im Aufwind, genießt aktuell nur noch des Vertrauen von einem Viertel der Bevölkerung. Ein Tiefststand.
Republikaner an den Schalthebeln der Macht
Macrons eigene Abgeordnete und hatten sich bei den Parlamentswahlen im Juli gegen einen Rechtsruck gestemmt, und drittplatzierte Kandidat*innen für den zweiten Wahlgang zurückgezogen, um die jeweils aussichtsreichste Person gegen den Rassemblement National, die rechtsextremen Partei von Marine Le Pen, zu stützen. Sozialisten, Kommunisten, Grüne und Macronisten – alle Parteien bildeten diese „republikanische Front“, mit Ausnahme der Republikaner. Aber ausgerechnet die sind nun aber an Schalthebeln der Macht.
Ebenso wie die „Rückkehrerin“ Agnès Pannier-Runacher. Die Macronstin war von 2018 bis Anfang 2024 nacheinander Ministerin für Wirtschaft, Energiewende und zuletzt Landwirtschaft. Ihr wurden sowohl Interessenkonflikte vorgeworfen als auch mangelnde Fachkompetenz in ihren Zuständigkeitsbereichen. Das alles hat sie nicht angefochten. Stattdessen ging die dezidierte Befürworterin der Atomenergie mit teils abenteuerlich falschen Thesen auf Konfrontationskurs zur deutschen Energiepolitik. Nun wird sie zuständig für eine „Ökologische Energiewende, Klimaschutz und Risikovorsorge“.
Frankreich droht ein ausgesprochen „heißer Herbst“.
Den formal wichtigsten Posten nach dem Premier, das Amt des Justizministers, hat mit Didier Migaud der einzige Sozialist im Kabinett inne. Alle anderen Linken hatten sich geweigert mitzutun. Inwieweit Migaud in der Lage sein wird, mehr als ein Feigenblatt zu sein für die Reformansätze aus Macrons erster Amtsperiode, ist fraglich. Eher sind Konflikte und Niederlagen vorprogrammiert.
Die Parteien der Linken Volksfront haben daher bereits ein Misstrauensvotum gegen Barnier angekündigt. Dann wird sich zeigen, wie weit Le Pens Leute die Rechtsregierung stützen. Obendrein muss der Premier in den kommenden Wochen einen Haushalt durchs Parlament bringen und auch dafür fehlt ihm die Mehrheit.
Mit Stimmen der Linken kann er nicht rechnen, auch hier braucht er die Unterstützung der Rechtsradikalen. Le Pen fordert dafür öffentlich „Zugeständnisse“ zu ihren Forderungen, und die dürfte sie wohl auch bekommen. Gleichzeitig hat Barnier angekündigt, in dieser Woche Gespräche mit den Gewerkschaften führen zu wollen. Es ist mehr als zweifelhaft, dass er dort auf Zustimmung zu seinen Ideen treffen wird. Im Gegenteil, Frankreich droht erneut ein ausgesprochen „heißer Herbst“.
So isses
Ich möchte daran erinnern, daß der vorwärts den Messjöö Macron vor ein paar Jahren zum Quasisozialdemokraten hochgejubelt hat, obwohl klar war daß er ein Mann des Finanzkapital war und immer noch ist.
Seufz ! Warum ist es sooo schwer die SPD von der schiefen Ebene zu holen ???
Macron
Von der Unterstellung, wir würde Politiker*innen "hochjubeln" distanzieren wir uns entschieden.
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"Macron statt Merkel: Der Klima-König sitzt jetzt in Paris" .. "Der neue Retter sprach ..."
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"Unterstützt Macron! Sonst geht Europa kaputt!" "..Doch gerade die Sozialisten sollten Macron unterstützen"
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