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Präsidentschaftswahl in Frankreich: Die Magie des Emmanuel Macron

Emmanuel Macron zieht die Massen an. Der unabhängige Kandidat könnte laut Umfragen die Präsidentschaftswahl in Frankreich gewinnen, doch er muss erst noch ein Programm liefern.
von Christine Longin · 15. Februar 2017
Präsidentschaftswahl in Frankreich: Emmanuel Macron zieht die Massen an und war einmal Mitglied der Sozialisten.
Präsidentschaftswahl in Frankreich: Emmanuel Macron zieht die Massen an und war einmal Mitglied der Sozialisten.

Mehr als 10.000 Zuhörer in Lyon, 15.000 in Paris und 5000 in Lille: Emmanuel Macron füllt die Säle. Die Auftritte des Jungstars gleichen US-Wahlkampfshows, in denen der 39-Jährige am Schluss die Arme weit ausbreitet und sich feiern lässt. Ein „Guru“ sei der studierte Philosoph, wirft ihm der konservative Kandidat Francois Fillon vor, der von Macron in den Umfragen auf den dritten Platz verdrängt wurde. Der parteilose Kandidat, der von ihm gegründeten Bewegung „En Marche" profitiert dabei von der Schwäche des einstigen Regierungschefs Fillon, dessen Glaubwürdigkeit durch die Affäre um eine mögliche Scheinbeschäftigung seiner Frau Penelope gelitten hat.

Europafreundlicher Kurs gegen Rechtspopulisten

Bei rund 20 Prozent sieht das Meinungsforschungsinstitut Ifop den Sonnyboy – an zweiter Stelle hinter Marine Le Pen in der ersten Wahlrunde. Die Stichwahl würde der frühere Wirtschaftsminister dann mit rund 65 Prozent gegen die Kandidatin des Front National (FN) gewinnen. Gegen Le Pen hat Macron deutlich Stellung bezogen: „Die Partei, die die Republik beschmutzt“, nennt er ihren FN. Mit seinem klar europafreundlichen Kurs wird er zum Gegner der Rechtspopulisten, die im Falle ihrer Wahl Frankreich aus dem Euro und der EU führen wollen.

Im Gegensatz zu Le Pen hat Macron allerdings noch kein Programm vorgelegt. „Macron ist ein bisschen hohl“ kritisierte der Parteichef der Sozialisten (PS), Jean-Christophe Cambadelis. Er hat jedem PS-Abgeordneten, der den unabhängigen Kandidaten unterstützt, mit Rauswurf gedroht. Nach dem Sieg des Linksaußen Benoit Hamon bei den Vorwahlen der Sozialisten hatte die Parteiführung eine Massenflucht der Anhänger eines sozialdemokratischen Kurses zu Macron befürchtet. Doch die Ängste waren unbegründet: letztlich wechselte nur rund ein Dutzend Abgeordnete die Seite.

War einmal Mitglied der Sozialisten

Den sozialistischen „Primaires“ wollte sich Macron nicht unterziehen. Dabei war der frühere Investmentbanker, dessen Bewegung sich als „Weder links noch rechts“ versteht, selbst einmal Mitglied der Sozialisten. Über Francois Hollande, dessen Präsidentschaftswahlkampf er unterstützte, kam der Absolvent der Elitehochschule ENA in die Politik. Von 2012 bis 2016 arbeitete er an der Seite seines politischen Ziehvaters, zuerst als Wirtschaftsberater und dann als Wirtschaftsminister.

Der linke Parteiflügel um Hamon betrieb damals innerparteiliche Opposition gegen den Wirtschaftskurs der Regierung und auch heute trennen die beiden Kandidaten ideologische Gräben. Hamon, den Umfragen bei rund 15 Prozent sehen, kämpft für ein Grundeinkommen von 750 Euro, will Industrieroboter besteuern und die 32-Stunden-Woche einführen. „Frankreich hat weniger Roboter als Deutschland, aber mehr Arbeitslose“, mokierte sich Macron bei einem Auftritt vor Unternehmern über die Pläne des einstigen Bildungsministers.

Prominenter Regierungsberater für Programm verantwortlich

Macron kann auf einige frühere Berater des Präsidenten zählen, die sich ihm angeschlossen haben. Der Prominenteste ist Jean Pisani-Ferry, der einstige Leiter des Regierungs-Thinktanks „France Strategie", der nun das Programm des Kandidaten ausarbeitet. „Unser Projekt ist nicht sozialistisch“, sagte der Experte der Sonntagszeitung „Journal du Dimanche“. Allerdings ist auch der kalte Wirtschaftsliberalismus Fillons Macron fremd, der im Gegensatz zu seinem konservativen Rivalen die Sozialversicherung noch ausbauen will.

Anfang März will der dynamische 39-Jährige sein lange erwartetes Programm vorlegen. Kein Katalog mit Versprechen, sondern ein „Vertrag mit den Wählern“ soll es werden. „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass das Programm das Herzstück ist“, sagte Macron dem „Journal du Dimanche“. Es gehe vielmehr darum, eine Botschaft zu definieren: „Das ist eine Art Magie“. Eine Magie, die die Menschen in Massen zu ihm treibt. Doch die Hälfte von Macrons potenziellen Wählern ist sich ihrer Entscheidung noch unsicher – sein Zauber könnte also schnell wieder verpuffen.

Autor*in
Christine Longin

Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.

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