Unterstützt Macron! Sonst geht Europa kaputt!
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„Citoyens d’Europe – Bürger Europas“ – so beginnt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron seinen offenen Brief, mit dem er sich am 5. März per Tageszeitung in allen 28 Mitgliedsstaaten der EU (einschließlich Großbritannien) knapp drei Monate vor der Europawahl in 22 unterschiedlichen Sprachen an die „Bürgerinnen und Bürger Europas“ wendet. Er fordert neue gemeinsame Institutionen, vor allem aber ein Mehr an Gemeinsamkeit in der Steuer-, der Klima-, der Wirtschafts- und auch der Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor, ja eine Neuerfindung unserer Zivilisation. Große Worte, durchaus mit Frankreich typischem Pathos unterlegt.
Kritik von rechts und links
Wahlkampfgetöse ist dann auch die schnelle und wohlfeile Reaktion in Teilen der französischen Presse. Der Präsident wolle ablenken vom innenpolitischen Druck der Gelbwesten, erklären Konservative in Frankreich und wortgleich auch in anderen EU-Staaten. In reinstem AfD-Sprech formuliert der ultrakonservative Vorsitzende der Republikaner, der gaullistischen mitte-rechts Partei, der Orban-Freund Laurent Wauquiez: „Macron redet davon, unseren Kontinent zu retten. Und er sagt kein Wort zur Massenimmigration. Kein Wort zum Islamismus. Wie immer, nur große Worte um die wahren Probleme zu verdecken“.
Wie zu erwarten, stößt Marine Le Pen, Chefin des rechtsradikalen Rassemblement National, ins gleiche Horn. Sie erklärt, Macron sei doch nur „der armselige Verteidiger einer verschwindenden EU“ und er solle besser kleinere Brötchen backen. Manon Aubry, Spitzenkandidatin der Linkspartei La France Insoumise, wirft Macron dagegen Doppelzüngigkeit vor. Er sei „gerade nicht die Wiedergeburt der europäischen Idee“. Er rede zwar von ehrgeizigen Zielen, tue innenpolitisch aber genau das Gegenteil. Dabei schafft sie es, Macron die Nicht-Umsetzung von Klimazielen vorzuwerfen und im gleichen Satz die Gelbwesten dafür zu loben, höhere Benzinpreise zugunsten des Klimaschutzes zu attackieren.
Martin Schulz hat Recht
Ganz anders der ehemalige Premierminister Jean-Pierre Raffarin. Der Konservative nennt Macrons Brief „den gelungensten Debattenbeitrag zum europäischen Projekt, eine ambitionierte Vision zu Wiedergeburt der europäischen Idee(n), geprägt vom Willen zu sozialen und liberalen Fortschritt“ und er kündigt an, mit Macrons LREM (La République en marche) für die Europawahl kandidieren zu wollen. Der Wesenskern des Wahlkampfs, der Macron in den Élysée gebracht hat, war das pro-europäisches Bekenntnis, so deutlich, wie es sich zuvor kaum ein anderer Politiker auf diesem Kontinent getraut hat. Das haben die Franzosen gewählt. Diesen Impetus wiederholt er jetzt erneut und genau das ist die große Angst der französischen Opposition von rechts wie links. Es könnte auch noch einmal klappen.
Martin Schulz hat Recht, wenn er in seiner Replik die Bundesregierung auffordert, Macron endlich zu unterstützen, nicht nur mit Worten, sondern endlich auch mit Taten. Auch er sieht Europa an „einem existentiellen Scheideweg“, auf dem es nur dann erfolgreich sein kann, wenn es sich reformiert und bessere Lösungen zum Wohl der Menschen schafft. Und denen, die Macron wie die Sozialisten Boris Vallaud und Olivier Faure vorwerfen, er sei zwar „ein guter Drehbuchautor, aber ein schlechter Regisseur“, er „kenne große Worte, habe aber nur begrenzte Ambitionen bei deren Umsetzung“ möchte man zurufen:
Dann nehmt ihn doch beim Wort! Wenn die Ideen gut und richtig sind, dann unterstützt sie, sorgt doch dafür, dass sie nicht nur große Worte bleiben, sondern zur Realität in Europa werden. Andernfalls werden die Orbans und Kaczynskis, die Le Pens und Gaulands weiter daran arbeiten, dieses Europa kaputt zu machen.