Geschichte

Das Duell Scholz gegen Merz: eine Neuauflage von Schmidt gegen Strauß?

Es war einer der härtesten Wahlkämpfe der Bundesrepublik: 1980 trat CSU-Chef Franz Josef Strauß gegen SPD-Kanzler Helmut Schmidt an. Und attackierte immer wieder persönlich. Wiederholt sich 2025 dieses Muster? Ein Blick zurück ins aufregende Wahlkampfjahr 1980

von Lars Haferkamp · 27. Dezember 2024
Einer der härtesten Wahlkämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik: Die Auseinandersetzung zwischen Franz Josef Strauß (l.) und Helmut Schmidt (r.) um die Kanzlerschaft im Jahr 1980

Einer der härtesten Wahlkämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik: Die Auseinandersetzung zwischen Franz Josef Strauß (l.) und Helmut Schmidt (r.) um die Kanzlerschaft im Jahr 1980

Dass Bundeskanzler Olaf Scholz und Oppositionsführer Friedrich Merz nicht gut miteinander können, haben die vergangenen Jahre deutlich gezeigt. Besonders Merz griff den Kanzler immer wieder persönlich an und zeigte sich hinterher beleidigt, wenn Scholz entsprechend antwortete. Nun treten beide im Bundestagswahlkampf als Kanzlerkandidaten gegeneinander an. Und damit verschärft sich der Ton zwischen ihnen noch einmal.

Scholz: „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“

Das jüngste Beispiel war die Vertrauensfrage des Kanzlers im Bundestag. Und wieder lief es nach dem bekannten Muster: Erst griff Merz den Bundeskanzler persönlich an. Er zitierte angeblich aus vertraulichen Sitzungen der EU-Staats- und Regierungschefs – allein das schon ein Unding – um Scholz dann vorzuwerfen, er agiere in der EU „zum Fremdschämen“. Merz wörtlich an den Kanzler: „Es ist peinlich, wie sie sich auf europäischer Ebene verhalten. Sie blamieren Deutschland.“

Scholz reagierte darauf noch am selben Abend in einem ZDF-Interview und erklärte: „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“, also dummes Zeug oder frei erfundenen Unsinn. Und schließlich, ebenfalls noch am selben Abend, die übliche Reaktion des CDU-Chefs auf eine Replik des Kanzlers: Er zeigte sich empört und beleidigt. „Ich verbitte mir, dass der Herr Bundeskanzler mich in dieser Art und Weise hier persönlich bezeichnet und angreift“, so Merz im ZDF.

1980: Franz Josef Strauß gegen Helmut Schmidt

Die emotionale und mitunter auch persönliche Auseinandersetzung zwischen den Kanzlerkandidaten von SPD und Union weckt Erinnerungen an den Bundestagswahlkampf 1980. Damals gab es eine ähnlich scharfe Auseinandersetzung, begonnen vom damaligen Kanzlerkandidaten der Union, CSU-Chef Franz Josef Strauß, gekontert von SPD-Kanzler Helmut Schmidt.

Nie zuvor haben der amtierende Regierungschef und sein Herausforderer so gnadenlos gegeneinander ausgeteilt. Es wurde zu einem regelrechten Duell, einem Showdown. Keiner schenkte dem anderen etwas. Schmidt gelang es dabei perfekt, sich als Opfer von Strauß darzustellen, als Opfer, das hin und wieder auch einmal zurücklangte. Er sei – so formulierte es der Kanzler im TV – wenn es denn nötig sei, durchaus bereit, „auf einen groben Klotz auch einen groben Keil zu setzen“. Das kam an. Und Strauß lieferte mit seiner aggressiven polternden Art jede Menge Munition, die Schmidt geschickt nutzte.

Schmidt über Strauß: „Dieser Mann hat keine Kontrolle über sich“

In einem Wahlwerbespot der SPD etwa zitierte Schmidt genüsslich, wie ausfällig Franz Josef Strauß ihn und die SPD beschimpfte. „Chamäleon, Werkzeuge Moskaus, Moskau-Fraktion, Unfähigkeit, Skrupellosigkeit, Größenwahn, Heuchelei, Verantwortungslosigkeit, Kriegskanzler, Kriegsandrohungskanzler, Panikkanzler, reif für die Nervenheilanstalt“, das sei „alles Originalton Strauß und noch viel mehr“, so Schmidt ganz sachlich und mit betont ruhiger Stimme. Um dann nur umso heftiger loszudonnern: „Dieser Mann hat keine Kontrolle über sich! Und deshalb darf er erst recht keine Kontrolle über unseren Staat bekommen!“

Zentrales Thema des Wahlkampfes war damals die Sicherheitspolitik. 1980 war Deutschland geteilt, der Kalte Krieg verschärfte sich wieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg und seinen verheerenden Folgen, so Kanzler Schmidt, „gehört es zur nationalen Pflicht der Deutschen, den Frieden nicht nur zu wollen, sondern ihn auch tatsächlich zu festigen und zu gestalten“. 

Strauß verliert immer wieder die Fassung

Strauß und die Union dagegen stellte Schmidt als das Gegenprogramm dar: „Es fehlt ihnen die Fähigkeit nicht nur zum Frieden, auch die Fähigkeit zum Anstand.“ Den Kanzlerkandidaten der CSU/CDU stellte Schmidt mal als außenpolitischen Dilettanten, mal als sicherheitspolitisches Risiko dar: „Kiesinger war klüger als Strauß. Wir heute sind auch klüger als Strauß. Auch wir alle gemeinsam wissen, dass wer sich in fremde Konflikte einmengt, dass der sich dabei die Finger verbrennen kann.“ Schmidt warnte vor der Gefahr, dass mit Strauß ein kalter Krieger ins Kanzleramt einziehen werde.

Anders als Schmidt, dessen harte Wortwahl kühl kalkuliert war, die gezielt und dosiert eingesetzt wurde, verlor Strauß in diesem Wahlkampf immer wieder erkennbar die Fassung. Etwa, wenn er bei seinen Wahlkampfauftritten mit hunderten von Gegendemonstrant*innen konfrontiert wurde, die ihn mit lauten Pfiffen und dem zum Hitlergruß erhobenen rechten Arm empfingen. Strauß geriet außer sich. „Ihr wärt die besten Schüler von Doktor Joseph Goebbels gewesen!“, brüllte er vom Podium. „Ihr wärt die besten Anhänger Heinrich Himmlers gewesen!“, überschlug sich seine Stimme. „Ihr seid die besten Nazis, die es je gegeben hat!“

Dieser Vorfall sorgte für Schlagzeilen. Die SPD nutzte die Chance und brachte den Ausraster von Strauß in ihren Wahlwerbespots. Um dann Helmut Schmidt ernst und besorgt sagen zu lassen: „Keiner von uns sollte jemals so reden wie er.“

Eklat im TV drei Tage vor der Wahl

Auch drei Tage vor der Wahl war Strauß, der sich auf seinen Plakaten als „Kanzler für Frieden“ präsentierte, in der TV-Diskussion der Spitzenkandidaten hochaggressiv. Er empörte sich gegenüber dem Kanzler, „dass sie mich dauernd unterbrechen, dass sie in ihrer Gereiztheit, in ihrer Intoleranz nicht mehr in der Lage sind, sich Tatsachen anzuhören“. Und polterte: „Es wäre gut Herr Schmidt, wenn Sie hier Ihre infamen Behauptungen nicht dauernd wiederholen würden.“ Der blieb vollkommen unbeeindruckt und gelassen.

Das Ergebnis: CDU und CSU verloren bei der Wahl am 6. Oktober 1980 mehr als vier Prozentpunkte der Stimmen. Auch die SPD war nicht zufrieden. Während ihr im Wahlkampf sogar die absolute Mehrheit zugetraut wurde, gewann sie am Ende nur leicht um 0,3 Prozentpunkte und blieb so hinter der Union. Dennoch war das Duell zu Gunsten der SPD entschieden: Schmidt blieb Kanzler, Strauß in München. 

Der eigentliche Gewinner der Wahl

Aber der eigentliche Wahlgewinner – und das könnte eine Mahnung an die Wahlkämpfer*innen im Jahr 2025 sein – war damals die politische Kraft, die sich als betont sachliche Stimme der Vernunft präsentierte und sich an den persönlichen Auseinandersetzungen nicht beteiligte: die FDP. Sie verzeichnete mit 2,7 Prozentpunkten den größten Stimmenzuwachs und wurde mit 10,6 Prozent zweistellig. Dass ihr das 2025 noch einmal gelingt, darauf möchte zur Zeit wohl kaum jemand eine Wette wagen.

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