Mitgliedervotum: Was die SPD laut Manuela Schwesig jetzt tun muss
Die größte Aufgabe der möglichen neuen Regierung liegt darin, Vertrauen wiederzugewinnen, sagt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Auch die SPD habe dazu ihren Beitrag zu leisten. Wie, erklärt sie auf einer Dialogveranstaltung zum Koalitionsvertrag am Mittwoch in Güstrow.
IMAGO/Noah Wedel
Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern im Gespräch mit Mitgliedern, hier auf einer Dialogveranstaltung der SPD in Hannover
Genoss*innen stehen mit ihrer Abstimmung fürs Mitgliedervotum der SPD zur Zeit vor keiner leichten Entscheidung. Das wird schnell klar, lauscht man den Fragen der SPD-Mitglieder, die am Mittwoch in Güstrow der Einladung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zur Dialogveranstaltung über den Koalitionsvertrag von SPD und Union gefolgt sind. An ihrer Seite Bettina Martin und Christian Pegel, beide Minister*innen der Regierung in Mecklenburg-Vorpommern, die den Vertrag mit verhandelt haben.
Mit Ja zu stimmen bedeute, Friedrich Merz zum Kanzler zu machen. Das dürfte vielen Mitgliedern nicht leichtfallen, betont ein Genosse. Auch sei einiges im Koalitionsvertrag zu vage formuliert und schon jetzt gebe es Streit, wie etwa beim Mindestlohn von 15 Euro. Das werfe die Frage auf, ob künftig wie in der Ampel-Regierung ständig nachverhandelt werden müsse? Ein anderer Genosse möchte wissen, wie es in einer künftigen Regierung gelingen kann, einerseits fairer Koalitionspartner zu sein und andererseits deutlich zu machen, wofür die SPD eigentlich inhaltlich stehe, aber nicht durchsetzen konnte.
Vertrauen zurückgewinnen
Bei diesen grundsätzlichen Fragen kommt Manuela Schwesig schnell zum Punkt. „Ich wünsche mir wirklich, dass Fredrich Merz und diese mögliche Koalition und Regierung Erfolg hat“, erklärt sie vorab. Und ihre Begründung macht den Ernst der Lage deutlich:
So hätten die Bürger*innen in Ostdeutschland mit dieser Wahl ein deutliches Zeichen gesetzt. In allen fünf ostdeutschen Bundesländern wurde die AfD am 23. Februar stärkste Kraft. „Sie vertrauen der SPD nicht mehr, sie haben aber auch nicht Friedrich Merz und der CDU vertraut“, so Schwesig. Dieser „riesige Vertrauensverlust“ mache sich gar nicht an einzelnen Themen fest, sondern sei inzwischen ein Grundzustand, den Rechtspopulist*innen und Rechtsextremist*innen ausnutzten.
Die dringlichste Aufgabe eines künftigen möglichen Kanzlers Friedrich Merz und seiner Regierung sei es, Vertrauen zurückzugewinnen, ist die Ministerpräsidentin überzeugt. Und dazu hätten alle Demokrat*innen ihren Beitrag zu leisten – auch die SPD. Von der kommenden möglichen Koalition wünscht sich Schwesig deshalb Orientierung statt Streiterei, Stabilität statt Unklarheit. Eine Garantie, dass es so kommt, könne sie nicht geben, räumt sie gegenüber den anwesenden Mitgliedern in der Bürgerhalle ein. Zum Verhältnis SPD und Regierung sagt sie: „Wir können sagen, dass wir beim Thema Steuern oder beim Thema Migration die und die Linie haben, aber in der Koalition jetzt nur das und das möglich ist.“
Ein Abwägen zwischen Wunsch und Wirklichkeit also – das kommt während der zweistündigen Diskussion in der Landeshauptstadt mehrfach zum Audruck.
Startchancen-Programm und BAföG-Reform
So sieht etwa Bettina Martin, SPD-Ministerin unter anderem für Wissenschaft und Forschung, im Bereich Bildung viele sozialdemokratische Ideen umgesetzt. Allein aus den 500 Milliarden Euro Sondervermögen sollen gezielt Gelder in Schulen und Hochschulen fließen, betont sie. Die SPD werde darauf achten, dass das auch geschieht, fügt Martin hinzu. Auch die Ausweitung des Startchancen-Programms, also die Förderung von Schulen in benachteiligten Regionen, auf weitere Schulen und auch Kitas, sei ein großer Erfolg. Besonders aber freut sie, dass das BAföG an die Grundsicherung angeglichen werde. Künftig wird es demnach eine dynamisierte Entwicklung bei der Höhe der Auszahlung dieser Ausbildungsförderung geben. Für die Ministerin ist das „die größte BAföG-Reform seit 20 Jahren“.
Grundrecht auf Asyl bleibt
Mecklenburg Vorpommerns Innenminister Christian Pegel betont, dass die SPD beim im Wahlkampf sehr umstrittenen Thema Migration bei ihren Grundfesten geblieben sei. Deshalb war klar: „Das Grundrecht auf Asyl wird nicht angetastet“, sagt er. Und auch bei der Möglichkeit einer doppelten Staatbürgerschaft habe die SPD sich gegen die CDU durchsetzen können. Aus Pegels Sicht ein Signal an alle, „die sich hier integriert haben“. Dagegen mussten die Verhandler*innen auch Zugeständnisse machen. Zum Beispiel beim Familiennachwuchs bei subsidär Schutzberechtigten, räumt Pegel ein. Der soll für zwei Jahre ausgesetzt werden.
„Demokratie leben“ geht weiter
Bleibt die Frage nach dem Umgang mit der AfD. Schon zu Beginn der Koalitionsverhandlung habe die SPD sehr ernsthaft über den hohen Vertrauensverlust gesprochen, den Friedrich Merz durch seinen Wortbruch im Januar ausgelöst habe, macht Schwesig klar. Merz hatte mit den Stimmen der AfD einen Unions-Antrag zur Zurückweisung von Migrant*innen an deutschen Grenzen im Bundestag durchgesetzt. Noch verstärkt wurde dieser Vertrauensverlust laut Schwesig, als die Union einen 551-Fragenkatalog zu gemeinnützigen Organisationen aus dem Förderprogramm „Demokratie leben“ aufsetzte. Sie fand das „unverschämt“, betont die Ministerpräsidentin. Sie sei froh, dass die SPD bei den Verhandlungen durchsetzen konnte, dass das Programm bleibt. „Ein Punkt, wo die Zivilgesellschaft wissen kann, dass die SPD der Garant dafür ist, dass die Leute auch unterstützt werden.“
Bis zum 29. April können die Mitglieder der SPD noch abstimmen. 20 Prozent Beteiligung sind notwendig, die Mehrheit dieser abgegebenen Stimmen, also 50 Prozent, entscheidet. Auf die Frage, was passiert, sollte keine Mehrheit für den Koalitionsvertrag erreicht werden, gibt Schwesig eine „sachliche und nüchterne“ Beschreibung. Sie skizziert drei Möglichkeiten: So könnte Friedrich Merz eine andere Koalition eingehen, in diesem Fall gebe es nur die AfD. Er könnte aber auch eine Minderheitsregierung eingehen, oder aber es käme zu Neuwahlen. Zur Idee, dass möglicherweise nachverhandelt werden könnte, erklärt Schwesig: „Das sehe ich nicht.“
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.