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SPD-Mitgliedervotum: Warum Boris Pistorius so stark auf „gutes Regieren“ setzt

Der SPD-Mitgliederentscheid über Schwarz-Rot läuft. Auf einer online-Konferenz warb Boris Pistorius für ein Ja. Auch um die immer stärker werdende AfD zurückzudrängen.

von Lars Haferkamp · 23. April 2025
Kämpft um die Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag: Boris Pistorius, hier auf der Dialog-Konferenz der Parteispitze in Hannover am 14.04.2025

Kämpft um die Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag: Boris Pistorius, hier auf der Dialog-Konferenz der Parteispitze in Hannover am 14.04.2025

Eine Woche vor dem Ende des SPD-Mitgliedervotums hat am Mittwochabend Boris Pistorius für die Zustimmung der SPD-Basis geworben. Auf einer digitalen online-Konferenz stand der geschäftsführende Verteidigungsminister den zugeschalteten Genoss*innen eieinhalb Stunden lang Rede und Antwort: zum Koalitionsvertrag und einer möglichen Bundesregierung von SPD und Union. 

Seit dem 14. April können die rund 360.000 Parteimitglieder darüber digital abstimmen. Damit sie möglichst für den Vertrag votieren, legt sich die SPD-Spitze mächtig ins Zeug.

Pistorius: Vertrag „enthält sehr sehr viel Gutes“

In „Dialog-Veranstaltungen“ vor Ort – wie etwa in Hannover, Güstrow und Baunatal – aber auch in mehreren „online-Konferenzen“, wie am Mittwochabend mit Pistorius. Der Koalitionsvertrag sei „ein hartes Stück Arbeit“ gewesen und „länger geworden, als ich es mir gewünscht hätte“, räumt er ein. „Aber er enthält sehr sehr viel Gutes.“ Die SPD sei mit 16,4 Prozent in die Verhandlungen gegangen. „Wenn mir einer vorher gesagt hätte, wir würden in vielen Politikfeldern so viele wichtige Punkte durchbringen, hätte ich es nicht geglaubt – oder ich hätte sofort unterschrieben.“ Was Pistorius besonders gut gefällt: Der Vertrag „baut keine Luftschlösser“, er beschreibe stattdessen „eine pragmatische Politik“ für die Menschen.

Und dann kommt der Minister auf ein Thema zu sprechen, das sich wie ein roter Faden durch die Debatte zieht: die AfD, die aktuell immer neue Höchststände in den Umfragen erreicht,. Gerade vor dem Hintergrund dieser Entwicklung habe die demokratische Mitte jetzt „eine besondere Verantwortung“, betont Pistorius. „Wir sind gefordert als Demokraten, gute Regierungsarbeit abzuliefern und dabei vor allem die Menschen im Land im Blick zu behalten.“

Rechte durch „gutes Regieren“ zurückdrängen

Das gelte ganz besonders für die Migrationspolitik, zu der er immer wieder von Genoss*innen online befragt wird: etwa nach der befristeten Aussetzung des Familiennachzuges oder nach Zurückweisungen an der Grenze in Abstimmung mit den Nachbarländern, wie es im Koalitionsvertrag heißt. 

Pistorius warnt in der Debatte vor zwei Fehlern: Weder dürfe man Migration generell verteufeln, noch dürfe man sie als „völlig problemfrei“ verstehen. Die Wahrheit liege in der Mitte. Es könne nicht sein, dass Menschen ohne Bleiberecht trotzdem blieben. „Das verstehen die Menschen nicht.“ Die Akzeptanz dafür bröckele immer mehr. „Wenn uns die Mitte der Gesellschaft verloren geht, spätestens dann muss man reagieren. Aber nicht in der Rhetorik der Rechten.“ Sondern mit dem klaren Anspruch, denen zu helfen, die Schutz brauchen. 
 

Störfeuer der Union beim Mindestlohn

„Ohne Akzeptanz in diesem Feld – übrigens bei innerer Sicherheit auch – laufen uns die Wähler der demokratischen Mitte weg. Und dann überlassen wir unsere Demokratie, unser Land denjenigen, die etwas ganz anderes damit anstellen wollen“, warnt Pistorius vor der AfD. Die beste Möglichkeit die Rechten zurückzudrängen sei „gutes Regieren“, betont er immer wieder an diesem Abend.

Ob es ihn eigentlich ärgere, dass die CDU durch ihre Äußerungen zum Mindestlohn Unruhe in das SPD-Mitgliedervotum bringe, wird Pistorius gefragt. „Es würde mich ärgern, wenn es neu wäre“, antwortet er. Es sei „das alte Spiel“, die eigene Lesart des Vertrages zu vertreten. „Ich find‘ das nicht gut“, räumt Pistorius ein. Aber in der Regierung gelte das Ressortprinzip. Die SPD besetzt das Arbeitsministerium. Deshalb rät Pistorius: „Gelassen abwarten. Das ist jetzt Geplänkel. Ich würde sagen: Abhaken und weitermachen.“

Gute Stimmung unter den Genoss*innen

Auffällig an der Debatte dieser online-Konferenz ist die positive Stimmung: nicht nur von Boris Pistorius sondern vor allem von den Fragenden aus der Partei. Durchweg sind sie sehr freundlich und aufgeschlossen, diskutieren offen, auch mit einem Lächeln. Das ist eine ganz andere Stimmung als bei der No-Groko-Kampagne 2018, als viel Frustration an der SPD-Basis zu beobachten war.

Breiten Raum nimmt in den Fragen der Genoss*innen die Verteidigungspolitik an, für die Pistorius als geschäftsführender Minister verantwortlich ist. Mehrere Fragesteller*innen wollen wissen, ob Schwarz-Rot – anders als die Ampel unter Kanzler Scholz – Tarurus-Raketen an Kiew liefert. „Es gibt keine einfache Antwort darauf“, so Pistorius. Er wundere sich, dass in keinem Unterstützerland der Ukraine so viel über einzelne Waffen diskutiert werde wie in Deutschland. Er verstehe den Wunsch Kiews nach dem Taurus ebenso wie die Furcht vor einer Eskalation. Für Pistorius ist klar: „Putin hat in den letzten drei Jahren sehr klar gemacht, dass er keinen Grund braucht für eine Eskalation.“ In jedem Fall sollte die Entscheidung zu Taurus, egal wie sie ausfalle, deshalb „nicht aus Angst vor Putin“ getroffen werden. 

Bleibt Boris Pistorius Verteidigungsminister?

Ob er denn Verteidigungsminister bleiben wolle, wird Pistorius schließlich gefragt. „Wenn ich bleiben darf…“, antwortet er. „Willst du bleiben?“, die Nachfrage. „Ich würde bleiben“, seine Antwort. 

Ob es dazu kommt, hängt vom Ausgang des Mitgliedervotums ab. Noch eine Woche haben die Genoss*innen Zeit, sich eine Meinung zu bilden. Abstimmen können sie genau bis 23.59 Uhr am 29. April. Am nächsten Tag wird die SPD das Ergebnis des Votums bekannt geben. Dann wird Deutschland erfahren, ob es bald eine neue Regierung bekommt – und vielleicht auch Boris Pistorius, ob er Verteidigungsminister bleibt.

– Alle wichtigen Informationen zur Regierungsbildung in unserem Nachrichtenticker. –

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