Heizungsgesetz abschaffen: Was der Koalitionsvertrag damit wirklich meint
Die Union wollte unbedingt das Heizungsgesetz abschaffen, laut Koalitionsvertrag macht sie ihr Wahlversprechen wahr. Dürfen Öl- und Gasheizungen jetzt also bleiben?
Matthias Miersch hat eine Empfehlung, sie lautet: „Sofort weiterlesen!“ Damit bezog sich der SPD-Generalsekretär bei der Dialogkonferenz zum Koalitionsvertrag vergangene Woche in Hannover auf einen Absatz im Kapitel Bauen und Wohnen. Dort steht wörtlich: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen.“ In Hannover zitierte Miersch aber auch den weiteren Inhalt des Passus: „Unmittelbar im Anschluss steht: Das Gebäudeenergiegesetz werden wir novellieren.“ Der SPD-Generalsekretär erklärte den Genoss*innen: „Es gibt kein Heizungsgesetz, es gibt nur ein Gebäudeenergiegesetz.“ Der Begriff „Heizungsgesetz“, so Miersch, sei im Koalitionsvertrag so etwas wie „Folklore“.
Was meint er damit? Wird das Heizungsgesetz nun abgeschafft – oder nicht?
Es gibt kein Heizungsgesetz
Tatsächlich gibt es kein Gesetz, das Heizungsgesetz heißt, sondern nur einen Paragraphen von mehr als 150 im sogenannten Gebäudeenergiegesetz (GEG), das Union und SPD als große Koalition bereits 2020 beschlossen haben. Das „Heizungsgesetz“ als solches kann also gar nicht abgeschafft werden. Die Ampel-Koalition novellierte das GEG 2023, um Deutschland unabhängiger vom Gaslieferanten Russland zu machen und die Wärmewende voranzutreiben.
Nach monatelangen Diskussionen trat die Novellle im Januar 2024 in Kraft: Seitdem müssen neue Heizungen in Neubauten mindestens zu 65 Prozent Wärme aus Erneuerbaren Energien nutzen. Doch es gibt Übergangsfristen und einige Ausnahmen. So muss bei Bestandsbauten etwa zunächst eine kommunale Wärmeplanung vorliegen, bevor die Eigentümer*innen aktiv werden müssen. Zusätzlich beschloss die Ampel-Koalition umfangreiche Förderungen von bis zu 70 Prozent und eine Unterstützung für Menschen, die weniger verdienen.
Das Vorhaben war sehr umstritten, insbesondere Grüne und FDP überwarfen sich dabei, was den Begriff „Heizungsgesetz“ zum Kampfbegriff in einer ideologischen Debatte machte, die insbesondere Medien wie die „Bild“ führten. Weil das Gesetz so kleinteilig diskutiert wurde, herrschte in der Öffentlichkeit schnell Unsicherheit darüber, welche Heiz-Form künftig erlaubt ist und welche nicht. Das machte sich die Union im Wahlkampf zu Nutze.
Folgt man dem Wortlaut im Koalitionsvertrag, wird ihr Wahlversprechen wohl erfüllt. Was Miersch aber mit „Folklore“ andeutet: Der Begriff „Heizungsgesetz“ taucht auch in der Regierungsvereinbarung als ideologisches Schlagwort auf – möglicherweise als formales Zugeständnis der SPD an die Union. Viel wichtiger ist aber, was Schwarz-Rot mit dem GEG vorhat, zu dem das „Heizungsgesetz“ gehört.
Umstieg auf klimaneutrale Heizsysteme unvermeidbar
Darüber bleibt der Koalitionsvertrag im Vagen. „Das neue GEG wird technologieoffener, flexibler und einfacher“, steht da geschrieben. Ziel soll eine „erreichbare CO2-Vermeidung“ sein, die Sanierungs- und Heizungsförderung bleibt demnach bestehen. Schwarz-Rot will sich zudem für eine Verlängerung der Umsetzungsfristen einsetzen.
Viel genauer wird es nicht. Klar ist aber, auch in Zukunft lohnt es sich nicht mehr, eine neue Gas- oder Ölheizung einzubauen. Der Gebäudesektor produziert einen Großteil der CO2-Emissionen in Europa und Deutschland hat sich zu Klimaneutralität bis 2045 verpflichtet. Will Schwarz-Rot die CO2-Emissionen spürbar weiter senken, ist der Umstieg auf Fernwärme, Wärmepumpen und Holz unvermeidbar.
Für Verbraucher*innen entscheidender ist aber der Kostenfaktor. Deutschland ist Teil des europäischen Emissionshandelssystems. Dadurch wird ab 2027 der bisher politisch festgelegte CO2-Preis in ein marktbasiertes System wechseln. Die meisten Expert*innen gehen davon aus, dass die CO2-Preise dann stark ansteigen werden, Tanken und Heizen, Benzin, Gas und Öl werden also wahrscheinlich deutlich teurer. Das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln hat berechnet, dass bis 2035 die Kosten für Heizöl um 50 Prozent gestiegen sein werden, für Gas um ein Drittel im Vergleich zu heute.
Merz will Markt bestimmen lassen
Matthias Miersch betonte in Hannover, die SPD wolle darauf achten, „dass, wenn Wärme und Mobilität ab 2027 in den Handel übergehen, dass dann die CO2-Preise nicht durch die Decke schießen. Das würde dazu führen, dass weite Teile der Bevölkerung diesen Wandel nicht mitmachen können.“
Bei CDU-Chef Friedrich Merz klingt das etwas anders. In einem Interview mit RTL sagte der wohl nächste Bundeskanzler, die Menschen sollten irgendwann erkennen, „es lohnt sich nicht mehr, die alte Ölheizung, die alte Gasheizung zu betreiben“. Merz setzt also darauf, dass Verbraucher*innen von selbst aufgrund des hohen Kostendrucks auf Erneuerbare Energien umsteigen. In dem Interview von Anfang April kündigte Merz auch ein „Klimageld“ an, das an Menschen ausgezahlt werden könnte, die wenig CO2 produzieren. Im Koalitionsvertrag steht davon allerdings nichts.
SPD und Union kündigen zwar an, sich für Instrumente einzusetzen, die „CO2-Preissprünge“ für Verbraucher*innen und Unternehmen vermeiden. Besonders belastete Haushalte sollen etwa durch Mittel aus dem Europäischen Klimasozialfonds unterstützt werden. „Die CO2-Einnahmen geben wir an die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zurück“, heißt es weiter. Mit den CO2-Einnahmen soll die Senkung der Strompreise finanziert werden, die Stromsteuer soll auf das EU-Mindestmaß fallen und die Netzentgelte sollen begrenzt werden. Die Menschen sollen sich also auf Grundlage ihrer Ersparnisse bei den Strompreisen für Wärmepumpen und Elektroautos entscheiden.
Zentralverband reagiert zurückhaltend
So oder so: Ein Comeback der Öl- oder Gaszeitung bleibt ausgeschlossen. Entsprechend abwartend äußert sich der Zentralverband Sanitär, Heizung und Klima zu den Ankündigungen im Koalitionsvertrag. Sprecher Frank Ebisch erklärte: „Die Ausrichtung auf Technologieoffenheit und die stärkere Betonung von Klimaschutzzielen sind aus unserer Sicht essenziell, um die Innovationskraft unserer Branche zu fördern und die Klimaziele effektiv zu unterstützen.“ Wie die Koalitionäre sich die „Abschaffung des Heizungsgesetzes“ vorstellen, müsse sich allerdings erst zeigen. „Hoffentlich aber schnell und ohne langwierige Debatten“, so Ebisch.
Die Unterstützung für das europäische Emissionshandelssystem und die Förderung Erneuerbarer Energien seien positive Signale. „Jedoch bleiben Fragen zur konkreten Umsetzung der technischen und regulativen Vorgaben, besonders im Hinblick auf die freie Wahl der Heizsysteme und die individuelle Wärmeversorgung, offen.“