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Rolf Mützenich: Was der SPD-Fraktionschef bis zur Wahl noch umsetzen will

Kindergeld, steuerliche Entlastung, Deutschlandticket – bis zur Neuwahl am 23. Februar will SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich noch einige wichtige Vorhaben umsetzen. Er appelliert an CDU/CSU, zuzustimmen.

von Kai Doering · 12. Dezember 2024
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: Die Kombination aus Liberalismus, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit fand ich eine gute Kombination.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: Die Kombination aus Liberalismus, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit fand ich eine gute Kombination.

Früher als vorgesehen, soll am 23. Februar ein neuer Bundestag gewählt werden. Wie sehr grämt es Sie, dass die Legislatur jetzt schon nach drei Jahren endet?

Das ist ein politischer, aber auch persönlicher Einschnitt. Ich bin enttäuscht, dass es zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr gelungen ist, in dieser Koalition zusammenzubleiben. Die Wählerinnen und Wähler wollten ja damals diese politische Konstellation. Wir hatten uns im Koalitionsvertrag auf wichtige Vorhaben verständigt, die insbesondere mit dem Strukturwandel und der Sicherung von Arbeitsplätzen zusammenhängen. Die Kombination aus Liberalismus, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit fand ich eine gute Kombination.

„Mehr Fortschritt wagen“ war das Motto der Ampel bei ihrem Start 2021. Hat sie das Versprechen eingelöst?

Versprechen ist ein großes Wort. Ich würde zumindest sagen, sie hat alles dafür gegeben, dass unter den Voraussetzungen, die wir damals nicht kannten, nämlich der Überfall russischer Truppen auf die Ukraine, ihre Aufgaben zu bewältigen. Dass der Fokus unmittelbar danach dann auf den Umbau der Energiewege gelegt wurde, dass wir auch für die Unternehmen, auch zur Sicherung der Arbeitsplätze, eine große Summe in die Hand genommen haben, das war alles richtig. Eigentlich hätte das der Koalition zusätzlichen Halt geben können. Dass es anders gekommen ist, hat auch etwas mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt im vergangenen Jahr zu tun. Das war schon ein Bruch.

Rolf
Mützenich

Es wäre ja komisch, wenn jemand, der 65 Jahre alt ist, nicht überlegt, nach mehr als 20 Jahren im Bundestag aufzuhören.

Es gibt noch einige Sitzungswochen bis zur Wahl. Was kann mit der Opposition noch umgesetzt werden?

Ich mache mir keine Illusion, dass die Union noch bereit ist, uns darin zu unterstützen, noch wichtige Strukturvorhaben umzusetzen. Aber auch der Einstieg in die Kindergrundsicherung, das Tariftreuegesetz und das Demokratie-Stärkungsgesetz, all das wird wohl nicht mehr erfolgen. Gleiches gilt für die Stabilität der Rente, die ja nur bis 2025 garantiert ist, was vor allem die junge Generation trifft. Umso wichtiger ist, dass wir zumindest noch bei der kalten Progression Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten, dass eine Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags kommen. Ich hoffe auch, dass das Deutschlandticket, die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts und vielleicht noch ein paar andere Vorhaben umgesetzt werden können. Leider ist die Union nicht zu belastbaren Gesprächen bereit, bevor nicht die Vertrauensfrage gestellt worden ist.

Was schmerzt Sie bei den Dingen, die voraussichtlich nicht mehr kommen, besonders?

Wir sehen ja, dass nur noch etwa die Hälfte der Unternehmen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Tarifvertrag bezahlt. Ein Tariftreuegesetz wäre deshalb sehr wichtig. Es gibt zwar einen Entwurf, aber ich bin mir nicht sicher, ob er noch eine Mehrheit im Bundestag finden wird. Auch den Einstieg in die Kindergrundsicherung hätte ich gerne gehabt. Die geht ja noch auf eine Initiative von Andrea Nahles zurück. Dass wir damit nicht gut vorangekommen sind, hat leider auch etwas mit handwerklichen Fehlern zu tun, nicht nur mit Blockaden von Seiten der FDP. Unabhängig von konkreten Gesetzesvorhaben finde ich es sehr bedauerlich, dass es durch den Entschluss von Thomas Haldenwang, für die CDU für den Bundestag zu kandidieren, nicht mehr möglich sein wird, das weitere geplante Gutachten zur möglichen Verfassungsfeindlichkeit der AfD vorzulegen.

Trotzdem hat die Koalition auch vieles erreicht. Worauf sind Sie besonders stolz?

Das ist mit Sicherheit die Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro. Anfang des neuen Jahres wird er ja auf 12,82 Euro steigen, was aufgrund der Inflation eigentlich schon wieder zu wenig ist. Das war ein Foulspiel durch die Arbeitgeberseite in der Mindestlohnkommission. Stolz können wir auch darauf sein, dass wir trotz schwieriger Rahmenbedingungen, stark in den sozialen Wohnungsbau investiert haben. Eine starke Leistung ist auch, dass es uns auf der einen Seite gelungen ist, einen gemeinsamen Weg in der europäischen Migrationspolitik zu beschreiten und auf der anderen Seite das Einwanderungs- und das Staatsangehörigkeitsrecht grundlegend zu reformieren. Zwei letzte wichtige Punkte sind für mich die Angleichung der Renten in Ost und West und die deutliche Anhebung des Kindergeldes.

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Die SPD-Fraktion ist so jung und divers wie nie zuvor. Wie haben Sie die Zusammenarbeit in den vergangenen drei Jahren erlebt?

Ich bin sehr stolz auf meine Fraktion. Gerade den neuen Abgeordneten ist eine Menge zugemutet worden. Vor allem natürlich der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Angst vor einer Eskalation mit allen Folgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Familien in ihren Wahlkreisen. Das war schon nah an der Grenze der Überforderung. Und dass meine Kolleginnen und Kollegen das so gemeistert haben, das nötigt mir einen hohen Respekt ab. Viele der Kolleginnen und Kollegen sind mir in den vergangenen drei Jahren ans Herz gewachsen. Zu Anfang der Legislatur hatte ich die Sorge, dass mich manche als Fraktionsvorsitzenden für zu alt und vielleicht auch für zu altmodisch halten können. Dass ich weitgehend akzeptiert wurde, freut mich bis heute.

Sie haben lange offengelassen, ob Sie noch einmal für den Bundestag kandidieren. Was hat am Ende den Ausschlag gegeben, wieder anzutreten?

Es wäre ja komisch, wenn jemand, der 65 Jahre alt ist, nicht überlegt, nach mehr als 20 Jahren im Bundestag aufzuhören. Ich bin ja nicht unersetzlich. Den Ausschlag, dass ich mich für eine erneute Kandidatur entschieden habe, hat die innenpolitische Situation gegeben. Dazu gehört sowohl der Vertrauensbruch von Seiten der FDP, mit dem die Koalitionsmehrheit nicht mehr besteht als auch die Diskussion in der SPD über den Kanzlerkandidaten, die ja auch aus Teilen der Fraktion öffentlich befeuert wurde, was mich nicht gerade gefreut hat. Ich hatte aber auch in meinem Wahlkreis in Köln das Gefühl, dass viele möchten, dass ich noch einmal antrete.

Sie sind 2002 erstmals in den Bundestag eingezogen, haben dann 2005 die Vertrauensfrage von Gerhard Schröder als Abgeordneter miterlebt. Am Montag werden Sie über die Vertrauensfrage von Olaf Scholz abstimmen. Was ist diesmal anders?

Der entscheidende Unterschied ist, dass die Regierungskoalition diesmal keine Mehrheit im Deutschen Bundestag hat. Das war 2005 etwas anderes. Für mich persönlich ist die Situation auch eine ganz andere, weil ich als Fraktionsvorsitzender natürlich eine andere Rolle habe als damals, als ich nur ein einfacher Abgeordneter war. Ich habe mich damals übrigens nicht von meinem Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering überzeugen lassen, gegen den Kanzler zu stimmen und habe Gerhard Schröder damals mein Vertrauen ausgesprochen. Mein Selbstverständnis ist, dass ein Sozialdemokrat einen anderen nicht aus dem Amt vertreibt. Dass Schröder damals zu dem Mittel gegriffen hat, hat mir dennoch Respekt abverlangt.

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