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FDP blockiert: Steht das Tariftreuegesetz im Bund auf der Kippe?

Anfang September hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ein Tariftreuegesetz für den Bund auf den Weg gebracht. Die FDP kündigt nun Widerstand an. Die SPD hält dagegen.

von Vera Rosigkeit · 18. September 2024
Streik der IG Metall

Die Gewerkschaften unterstützen das Gesetz zur Tariftreue. In Hamburg demonstrierten Gewerkschaftsmitglieder der IG Metall für sieben Prozent mehr Geld.

Bereits im vergangenen Jahr hatte SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mehrfach ein Gesetz für mehr Tariftreue angekündigt, damit öffentliche Aufträge des Bundes nur noch an die Unternehmen gehen, die tatsächlich tariflich bezahlen. So ist es auch im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und der FDP vereinbart. 

FDP gegen Tarifbindung 

Die kleinste Fraktion innerhalb der Regierung hat nun Widerstand angekündigt und wertet die Tariftreue als „bürokratische Fessel“ und damit als Hindernis für Wirtschaftswachstum: Auf dem Kurznachrichtendienst X ließ die FDP am Mittwoch verlauten: „Wir brauchen die Wirtschaftswende, mit neuem Wachstum für gute Jobs mit fairer Bezahlung. Jetzt den Unternehmen mit dem sogenannten Tariftreuegesetz noch mehr Bürokratie aufzubürden steht dem klar im Weg!“

Die Argumentation ist nicht nur vor dem Hintergrund irreführend, dass sich die Ampel-Regierung, der die FDP selbst angehört, in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt hat, die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung zu stärken. Sie ist auch insofern verwunderlich, weil es in nahezu allen Bundesländern, ausgenommen in Bayern und Sachsen, bereits gesetzliche Regelungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge gibt. Die gelten aber nur, wenn die einzelnen Länder Ausschreibungen tätigen, für Aufträge vom Bund bräuchte es ein Gesetz auf Bundesebene.

Heil betont Vorteile für Beschäftigte

Grundsätzlich soll ein Tariftreuegesetz regeln, dass „die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden“ wird. Vor allem Beschäftigte profitieren davon. So sei der Stundenlohn bei Tariflöhnen um vergleichsweise 4,50 Euro höher, sagte Heil in einem Interview mit dem ARD-Morgenmagazin am 9. September. In Vollzeitarbeit seien das monatlich 750 Euro mehr. „Da hat der Staat eine Vorbildfunktion“, betonte der SPD-Politiker. Gleichzeitig wies Heil darauf hin, dass er nach langen internen Beratungen das Gesetz jetzt in die Ressortabstimmung gegeben habe, „weil wir es ja auch noch schaffen wollen in dieser Koalition“. 

Mast versichert: Tariftreuegesetz kommt 

Entschlossen zeigte sich am Mittwoch auch die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast. Sie reagierte auf die Ankündigung der FDP auf X und schrieb: „Das Tariftreuegesetz kommt. Ich finde es irritierend, dass es scheinbar Widerstand vom FDP-geführten Finanzministerium gibt. Es geht darum, faire Wettbewerbsbedingungen zu bekommen - und zwar für gut bezahlte Arbeit!“

Verhandelt und abgeschlossen wird ein Tarifvertrag zwischen Arbeitgeber*innen und Gewerkschafter*innen. Darin geregelt werden Arbeitsbedingungen wie Lohn bzw. Gehalt, Sonderzahlungen, Arbeitszeit und Urlaubsanspruch. Diese Regelungen gehen zumeist über gesetzliche Mindeststandards hinaus. So weist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) darauf hin, dass gesetzlich (laut Bundesurlaubsgesetz) ein Mindestanspruch von 24 Werktagen bezahltem Erholungsurlaub festgelegt ist, während ein tarifvertraglich geregelter Urlaubsanspruch meist 30 Tage umfasst. Liegen tarifvertraglich geregelte Arbeitszeiten je nach Branche zwischen 35 und 40 Wochenstunden, ist gesetzlich eine Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden möglich. 

Dass Gewerkschaften und Arbeitgeber Tarifverträge eigenständig aushandeln (sogenannte Tarifautonomie), wurde 1949 mit dem Tarifvertragsgesetz geregelt. 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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2 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mi., 18.09.2024 - 15:46

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Es gibt wohl kaum eine fortschrittliche Regelung, die von der SPD und z.T. auch von den Grünen, im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, deren Umsetzung nicht von der FDP blockiert wurde.

Deshalb sollte Olaf Scholz die FDP ernsthaft zur Rede stellen, wie ernst sie es mit der Einhaltung von Verträgen hält. Schließlich hatte sie bereits im Vorfeld die Aufnahme eines Tempolimits im Koaltionsvertrag sowie eine überfällige Steuergerechtigkeit verhindert. Dann sollte sie wenigstens die Punkte einhalten, die sie mit beschlossen hat.

Dann sollten auch SPD und Grüne Forderungen der FDP nicht weiter mittragen.

Gespeichert von Johannes Aevermann (nicht überprüft) am So., 22.09.2024 - 00:33

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Ein Musterbeispiel zur blockierten Tariftreue ist der Bundesanzeiger. Herausgeber ist das Bundesministerium für Justiz. Produziert wird er von DuMont Schauberg in Köln, denen gehört der Bundesanzeiger Verlag.
Den 600 Beschäftigten wird ein Tarifvertrag verweigert, bisher 95 Streiktage führten nicht zu einem ersten Gespräch. 200 der 600 Mitarbeiter sind sachgrundlos befristet, weitere 260 sind Leiharbeiter die überwiegend nach 9 Monaten, wenn EqualPay fällig wäre, ausgetauscht werden. Ohne EqualPay verdienen die Leiharbeiter nach TV Leiharbeit deutlich weniger. Die Leihfirma randstad hat ein festes Büro im Verlagshaus, das zur Leiharbeit bei vorübergehendem Mehrbedarf.
Das ganze ist ein Musterbeispiel für verweigerte Tariftreue und den Einsatz von Befristung und Leiharbeit zur Spaltung der Belegschaft, Schwächung der gewerkschaftlichen Organisation.
Geschäftsführer des Verlags ist Matthias Schulenberg. Der ist auch Vorsitzender des FDP-Bundesfachausschusses für Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz.