Soziale Politik

AfA-Jubiläum: Warum Olaf Scholz die Mindestlohn-Kommission kritisiert

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Entscheidung über die Mindestlohn-Erhöhung kritisiert. Sie sei nicht einvernehmlich, sondern mit knapper Mehrheit entschieden worden. Das kann so nicht bleiben, sagte Scholz.
von Vera Rosigkeit · 20. Oktober 2023
AfA-Vorsitzende Cansel Kiziltepe und Bundeskanzler Olaf Scholz beim 50. Jubiläum der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit
AfA-Vorsitzende Cansel Kiziltepe und Bundeskanzler Olaf Scholz beim 50. Jubiläum der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit

Die Kritik an der Entscheidung der Mindestlohn-Kommission, den Mindestlohn in den kommenden zwei Jahren um jeweils 41 Cent anzuheben, reißt nicht ab. Auf einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA) zum 50. Jubiläum im Berliner Willy-Brandt-Haus, bezog nun auch Bundeskanzler Olaf Scholz Stellung. Das hatten zuvor bereits SPD-Chef Lars Klingbeil und Generalsekretär Kevin Kühnert getan, als sie es für nicht akzeptabel erklärten, dass die Arbeitgeberseite in der Mindestlohn-Kommission einseitig eine ihrer Meinung nach viel zu geringe Lohnerhöhung durchgesetzt hätten.

12 Euro Mindestlohn per Gesetz

Scholz erklärte zunächst, dass es ihn mit „Scham und Schande erfülle“, dass „in unserem Land Millionen Menschen eine Gehaltserhöhung bekommen haben, als wir den Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt haben“. Und dass es nochmal sechs Millionen gewesen wären, als im Jahr 2022 der Mindestlohn gesetzlich auf 12 Euro festgesetzt wurde. Für ihn sei das ein Zeichen, dass es vielen Menschen in diesem Land, die viel arbeiten, nicht sehr gut gehe. „Deshalb müssen wir auch weiter dranbleiben“, betonte Scholz. Zwar müssten Tariflöhne immer das Ziel sein, aber eben auch eine gute Entwicklung der Mindestlöhne, fügte er hinzu.

Im vergangenen Jahr habe man sich zwar entschlossen, einmalig per Gesetz einzugreifen, um den Mindestlohn auf 12 Euro anzuheben, begründete er die Verabredung der Koalition, mit der ein Versprechen der SPD aus dem Wahlkampf 2021 umgesetzt wurde. Nach dieser einmaligen Anhebung per Gesetz sei man aber wieder zurückgekehrt zum System der sozialpartnerschaftlichen Entscheidung in der Mindestlohn-Kommission, in der jeweils Vertreter*innen aus Gewerkschaften und Arbeitgeber sitzen.

Arbeitgeber treffen einseitige Entscheidung

Doch die „haben das beim letzten Mal nicht gut gemacht“ und mit einer „Tradition gebrochen“, kritisierte Scholz. Denn die Entscheidung sei nicht einvernehmlich, sondern mit knapper Mehrheit entschieden worden. Für Scholz ein Bruch eines Commons, der zur Sozialpartnerschaft in Deutschland dazu gehöre. „Das kann nicht so bleiben.“ Es müsse auch in der Mindestlohnkommission in Zukunft wieder einvernehmliche Entscheidungen der Sozialpartner geben. Scholz wörtlich: „Egal, wie lange sie tagen, es muss eine gemeinsmae Entscheidung sein.“

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi griff die Kritik von Scholz auf, als sie erklärte, dass es die richtige Entscheidung gewesen sei, den Mindestlohn im vergangenen Jahr per Gesetz auf 12 Euro anzuheben. Nun aber hätten die „Arbeitgeber zurückgeschlagen“, in dem sie sich in der Mindestlohn-Kommission nicht auf einen einvernehmlichen Konsens geeinigt, sondern ihren Vorschlag durchgedrückt hätten. Und zwar nicht nur mit einer Erhöhung, die „ein Schlag ins Gesicht ist mit Blick auf den Inflationsschock, den wir seit 18 Monaten haben“, sondern auch ein Schlag ins Gesicht gegenüber dieser Bundesregierung sei. Ihre Begründung: Die Arbeitgeberseite hätte ihre Anhebung von „läppischen 41 Cent“ auf der Basis von 10,45 Euro berechnet und damit die Entscheidung der Bundesregierung und deren Anhebung auf 12 Euro einfach ignoriert. Für die DGB-Chefin ist es ein Zeichen dafür, dass es immer noch die alten Konflikte sind, „die wir miteinander durchstehen müssen“. Fahimi: „Die Gestaltung der Arbeitswelt und der Interessensausgleich zwischen Kapital und Arbeit ist eine fortwährende Aufgabe der Menschheit.“

AfA als Scharnier zwischen SPD und Gewerkschaften

Neben Olaf Scholz und Yasmin Fahimi gratulierten auch SPD-Chefin Saskia Esken und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit zum 50. Bestehen. In ihrem Eingangsstatement erinnerte Vorsitzende Cansel Kiziltepe daran, dass Herbert Wehner die AfA als „Auge, Ohr und Herzkammer der Partei“ sah. Esken unterstrich deren Bedeutung. Die AfA sei nicht nur eine große, sondern auch extrem wichtige Arbeitsgemeinschaft für die SPD. Sie zeige über die Jahre hinweg eine Kontinuität, zu der die SPD erst in ihrer jüngeren Geschichte wieder gefunden habe. In den 50 Jahren des Bestehens habe es mit Helmut Rohde, Rudolf Dressler, Ottmar Schreiner, Klaus Barthel und aktuell mit Cansel Kiziltepe nur fünf Vorsitzende gegeben. Sie habe nachgezählt, so Esken, „bei der SPD waren es 16 in dieser Zeit“.

Hubertus Heil warf den Blick auf die Zukunft der Arbeit. Mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der AfA erklärte der Arbeitsminister: „Dass Transformation gelingt, und Menschen sich vor der Zukunft nicht fürchten müssen, wird unsere Aufgabe gemeinsam sein.“

Mit zwei Bitten wandte er sich an die Aktiven in der Arbeitsgemeinschaft: Nicht nur die Stimme laut zu erheben „das kann die AfA“, sondern auch darüber zu reden, wie die AfA wieder mehr werden könne. Die Scharnier-Funktion zu den Gewerkschaften könne auch genutzt werden, um Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in den Betrieben einzuladen, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei zu sein. Und weil es leider auch nicht mehr üblich sei, sollte auch in der SPD dafür geworben werden, dass „wer Mitglied der SPD ist, auch Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft sein sollte.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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