Koalitionsverhandlungen: Wo sich Union und SPD noch uneinig sind
Die erste Phase der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU ist abgeschlossen. Ab Freitag ist dann die Hauptverhandlungsgruppe dran. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zeigen, wo es noch Differenzen zwischen den möglichen künftigen Partnern gibt.
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Auf dem Weg in eine Koalition? Noch sind Union und SPD in einigen Punkten recht weit voneinander entfernt.
Am Montag haben die 16 Arbeitsgruppen, die für CDU/CSU und SPD die Inhalte eines künftigen Koalitionsvertrags verhandelt haben, ihre Ergebnisse vorgelegt. Die Papiere einiger Gruppen sind inzwischen bekannt und liegen auch dem „vorwärts“ vor. Während bei vielem Einigkeit zwischen Konservativen und Sozialdemokrat*innen besteht, gibt es auch Punkte, die noch nicht „geeint“ sind, wie es in der Sprache der Verhandler*innen heißt. Diese Aufgabe soll ab Freitag die sogenannte Hauptverhandlungsgruppe übernehmen, in denen auch die Parteivorsitzenden sitzen.
Mieten
Die Mietpreisbremse „in angespannten Wohnungsmärkten“ wollen Union und SPD für zwei Jahre verlängern. In den meisten Ländern läuft sie in diesem Jahr aus. Uneinigkeit besteht dagegen bei der sogenannten Kappungsgrenze. Sie legt fest, dass Mieten innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 20 Prozent steigen dürfen. In mehr als 400 Städten und Gemeinden gilt zudem ein niedrigerer Wert von 15 Prozent. Die SPD will das noch verschärfen, sodass Mietsteigerungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt innerhalb von drei Jahren nur um maximal sechs Prozent möglich sind. Die CDU lehnt eine Verschärfung der Kappungsgrenze ab.
Tempolimit
Es war schon ein Streitthema in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP: das Tempolimit. Auch im geplanten Koalitionsvertrag mit CDU und CSU wollen die Sozialdemokrat*innen „ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen“ verankern. Die Union lehnt das ab.
Gentechnik
Gegen Gentechnik in der Landwirtschaft haben weder SPD noch Union grundsätzlich etwas einzuwenden. Bei der Frage des Umfangs unterscheiden sich die Positionen jedoch. Während CDU und CSU in der Gentechnik „große Chancen für die Ertrags-, Ernährungs- und Einkommenssicherung, Wettbewerbsfähigkeit und Ressourcenschonung sowie für Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft“ sehen, will die SPD an der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel festhalten. Patente auf Tiere und Pflanzen lehnen die Sozialdemokrat*innen ab.
Atomenergie
Schon im Wahlkampf hatte sich CDU-Chef Friedrich Merz für eine Renaissance der Atomkraft in Deutschland ausgesprochen. Im Papier der entsprechenden Arbeitsgruppe hat die Union nun den Passus eingefügt: „Gerade mit Blick auf die Klimaziele und die Versorgungssicherheit kann die Kernenergie eine bedeutende Rolle spielen.“ Die Konservativen wollen deshalb eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Atomkraftwerke prüfen lassen. Ihr Rückbau soll vorerst gestoppt werden. Als Ziel formulieren CDU und CSU zudem: „Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.“ Die SPD lehnt die Pläne ab.
Heizungsgesetz
CDU und CSU wollen das Ampel-Gesetz, das Hausbesitzer*innen zum Einbau klimaschonender Heizsysteme verpflichtet, abschaffen und stattdessen „ein neues Recht schaffen, das einen Paradigmenwechsel weg von einer kurzfristigen Energieeffizienzbetrachtung beim Einzelgebäude hin zu einer langfristigen Betrachtung der Emissionseffizienz vollzieht“. Die SPD dagegen will am bestehenden Gesetz festhalten, ist allerdings offen für eine Novellierung. „Die geltenden Regelungen werden wir technologieoffener, flexibler und einfacher machen und mit verlässlicher, unbürokratischer und effizienter und sozial gestaffelter Förderung flankieren“, nennen die Sozialdemokrat*innen ihr Ziel.
Entwicklungszusammenarbeit
Die Union will das eigenständige Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) abschaffen und in das Auswärtige Amt integrieren. Das soll Einsparungen möglich machen. Die SPD lehnt das ab und erhofft sich denselben Effekt von einer besseren Zusammenarbeit zwischen BMZ, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium. CDU und CSU wollen darüber hinaus die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit reduzieren. Die SPD dagegen will die sogenannte ODA-Quote („Official Development Assistance“) bei mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens halten. Zuletzt betrug sie 0,8 Prozent.
Wehrpflicht
CDU und CSU wollen die 2011 ausgesetzte allgemeine Wehrpflicht reaktivieren. Die SPD setzt dagegen auf einen „neuen Wehrdienst“, der auf Freiwilligkeit basiert. Dazu sollen noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine notwendige „Wehrerfassung“ und „Wehrüberwachung“ geschaffen werden. Ein solches Modell hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius im vergangenen Jahr erarbeitet. Bevor es den Bundestag passieren konnte, zerbrach die Ampel-Regierung.
Cannabis-Freigabe
CDU und CSU wollen die Teillegalisierung von Cannabis rückgängig machen. Die SPD ist dagegen.
Legalisierung von Abtreibungen
Die SPD möchte Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch streichen. Bisher sind Abtreibungen nach Paragraf 218 unter Strafe gestellt. Nach einer Beratung sollen sie nach dem Willen der Sozialdemokrat*innen „in der Frühphase der Schwangerschaft“ künftig rechtmäßig vorgenommen werden können. CDU und CSU lehnen das ab.
Staatsangehörigkeitsrecht
Die Regierung aus SPD, Grünen und FDP hatte das Staatsangehörigkeitsrecht umfassend reformiert, sodass Menschen deutlich einfacher die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. Auch doppelte Staatsbürgerschaften sind nach der Rechtslage möglich. Daran möchte die SPD auch künftig festhalten. CDU und CSU dagegen wollen die Möglichkeit eines Entzugs der deutschen Staatsbürgerschaft prüfen lassen, wenn jemand Terrorismus unterstützt, sich antisemitisch äußert oder zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufruft. Nach dem Willen der Union soll zudem „jede Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einem Ausschluss von der Einbürgerung führen“.
Chancenaufenthaltsrecht
Geflüchtete, die keinen Asylstatus haben, sondern nur über eine Duldung verfügen, können zurzeit das sogenannte „Chancen-Aufenthaltsrecht“ beantragen. Dann können sie innerhalb von 18 Monaten die Voraussetzungen für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erfüllen. Die Regelung der Ampel-Regierung ist bis Ende 2025 befristet. Die SPD will sie verlängern, CDU und CSU wollen sie auslaufen lassen. „Um die illegale Migration möglichst zu verhindern, muss die Vergabe von Aufenthaltsrechten an abgelehnte Asylbewerber wieder zur Ausnahme werden“, fordern sie.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
Wo sich Union und SPD noch uneinig sind
Das sind noch sehr wesentliche Punkte, die schon in der Ampel an der FDP gescheitert sind, wie z.B. Tempolimit oder Atomkraft. Hoffentlich lässt sich die SPD nicht unterkriegen, sonst wird sie bei weiteren Wahlen wieder abgestraft, wenn sie ihre Programmatik verlässt. Außerdem sollte endlich eine gerechte Steuerpolitik eingeführt werden, damit die SPD nicht endgültig ihre Glaubwürdigkeit verliert!
Da sind wir alle mal gespannt ...
... wo sich die Koalitionspartner in spe noch hinbewegen. Ich hoffe, dass man bei der Migrationspolitik endlich auch in der SPD den Schuß gehört hat - ansonsten droht die Mehrheit der afd - die Programme u. Prinzipien sind den Leuten mittlerweile egal. Sollte die SPD die Cannabis Teillegalisierung nicht verteidigen, fallen die wählenden Kiffer (1 - 2 Millionen?) auch noch weg - zumindest meine Stimme. Der Umgang mit Canna ist ein prima Gradmesser für die Liberaltität einer Gesellschaft. Chancenaufenthaltsrecht: Da hat die Union doch eindeutig recht - wollen wir die afd wieder aus dem Bundestag vertreiben oder nicht? Geht nur mit wirklich strengen restriktiven Maßnahmen bei Migration - ist auch ein Gradmesser für Liberalität und Empathie, aber es gilt die afd zu verzwergen und uns Verteidigungsfähig gegen RUS zu machen. Und: Merz kann es nicht, wie Merkel, Scholz wäree besser, nun haben die Rechten eine immer stärker werdende Wählerschaft, wegen Migration. Bitte nicht verkacken.