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Sondierungspapier von Union und SPD: Diese Punkte stehen in der Kritik

CDU/CSU und SPD haben am Wochenende die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche vorgestellt. Am Donnerstag sollen die Koalitionsverhandlungen beginnen. Doch an dem Sonderierungspapier gibt es Kritik. Die wichtigsten Reaktionen im Überblick

von Lea Hensen · 10. März 2025
L-R: Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Saskia Esken

Die SPD konnte in den Ergebnissen der Sondierungsverhandlungen zwar sozialdemokratische Forderungen wie eine Stabilisierung des Rentenniveaus, eine stärkere Tarifbindung sowie die Erhöhung des Mindestlohns durchsetzen. Kritik gibt es aber vor allem an den Migrationsplänen, bei denen die Union einige ihrer umstrittenen Forderungen durchsetzen konnte. So sollen unter anderem Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen möglich sein und der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte soll befristet ausgesetzt werden.

Scharfe Kritik an den Migrationsplänen

Zu den Migrationsplänen sagte Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion, Tim Klüssendorf, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Sie werfen nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken auf, sondern stellen auch soziale und integrationspolitische Rückschritte dar.“ Ähnlich sehen das die Jusos in Bayern. Mit der Aussetzung des Familiennachzugs und der „Rückführungsoffensive“, mit der unter anderem die Kapazitäten für die Abschiebehaft erweitert werden sollen, sei eine Forderung der AfD übernommen worden. „Viele Jusos, Sozialdemokrat*innen und weite Teile der Zivilbevölkerung waren gegen derartige Forderungen zuletzt noch auf der Straße“, erklärte der bayerische Juso-Chef Benedict Lang. 

„Menschen mit Migrationshintergrund – von denen viele Mitglied unserer Partei sind – haben große Angst, was das für ihr Leben bedeutet“, so Lang. „Wenn sich in den Koalitionsverhandlungen nicht deutlich was bewegt, dann wird der Koalitionsvertrag für weite Teile der Partei – auch über die Jusos hinaus – nicht zustimmungsfähig sein, das können wir schon jetzt sehr klar und deutlich sagen.“ Die Mitglieder der SPD müssen den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen nach deren Abschluss noch zustimmen.

„Zäsur unseres Rechtsstaats“

Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) zeigte sich enttäuscht über die Migrationspläne. AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner, erklärte, das Sondierungspapier lese sich wie eine „Absage an sozialen Fortschritt und eine menschenwürdige Flucht- und Migrationspolitik.“ Sie kritisierte die befristete Aussetzung des Familiennachzugs, den Stopp des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan und die geplanten Zurückweisungen an den Grenzen. 

Sonnenholzner sprach von einer „Zäsur unseres Rechtsstaats“, indem Abzuschiebenden der Rechtsbeistand gestrichen werden soll, sowie von einer „Einführung eines Zwei-Klassen-Staatsangehörigkeitsrecht“ durch die Überlegung, Doppelstaatler*innen bei bestimmten Straftaten die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. „Das bewusste Inkaufnehmen von Menschenrechtsverstößen und Verfassungsbruch darf nicht Programm einer neuen Regierung werden“, sagte sie.

Ihr Vorstandskollege Michael Groß kritisierte auch sozialpolitische Punkte im Sondierungspapier. So folgen die Pläne den Forderungen der Union, den Fokus stärker auf eine möglichst schnelle Vermittlung in eine Arbeit zu setzen. „Dass Menschen alle Bezüge gestrichen werden und die Vermittlung in prekäre Jobs wieder Vorrang gegenüber Qualifizierung erhalten soll, ist der letzte Sargnagel für die große Reform der Ampel-Koalition", erklärte Groß. „Zur nachhaltigen Finanzierung von Pflege und Gesundheit äußern sich die Koalitionäre in spe nicht einmal – und wie die Steuerentlastung für die Mittelschicht finanziert werden soll, bleibt ebenfalls offen.“

Wirtschaftsweise warnt vor EU-Schuldenkrise  

Henning Homann, Parteichef und Fraktionsvorsitzender der SPD im sächsischen Landtag, richtete den Blick auf die Punkte, die die SPD für den Osten durchgesetzt habe. So werde ein höherer Mindestlohn auf 15 Euro dazu beitragen, die Lohnlücke zwischen Ost und West schließen. Auch werde mit der Einführung eines Industriestrompreises und dem Kaufanreiz für Elektroautos das Ziel verfolgt, Sachsen als Industrie- und Energiestandort zu erhalten. Homann pochte aber darauf, ostdeutsche Themen bei den Koalitionsverhandlungen stärker zu berücksichtigen und bei den Koalitionsverhandlungen auch Vertreter*innen aus dem Osten einzubeziehen. 

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer kritisierte, dass keine Rentenreform vereinbart wurde, aber stattdessen Wahlkampfversprechen wie die Erhöhung der Mütterrente und die Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie umgesetzt würden. Union und SPD planen, Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen, wenn diese ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes übersteigen. Schmitz merkte an, dass dieser Grenzwert nicht den bisherigen Haushaltsansatz für Verteidigung überschreite.

Arbeitgeber und Handwerk fordern mehr Entlastung

Unternehmensvertreter*innen blicken gemischt auf die Wirtschaftspläne im Sondierungspapier. „Bei den Inhalten ist guter Wille erkennbar, doch das Ziel, zu einer deutlich besseren Wettbewerbsfähigkeit zu kommen, ist noch längst nicht erreicht", sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Das Papier enthalte notwendige Impulse zur Stärkung des Standorts Deutschland und seiner Wirtschaft. Allerdings seien klare Bekenntnisse zu höheren Investitionen sowie eine Entlastung bei Bürokratie, Steuern und Energiekosten für das Handwerk von großer Bedeutung. Auch fehle eine dringend benötigte Neuausrichtung der sozialen Sicherungssysteme. „Hier muss in den Koalitionsverhandlungen nachgebessert werden."

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, sagte: „Es ist richtig, die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen und ein Potentialwachstum von deutlich über ein Prozent anzustreben. Wir anerkennen den Mut, diese Ziele klar zu formulieren.“ Allerdings seien schuldenfinanzierte Programme nicht genug, vielmehr müssten die Rahmenbedingungen der Wirtschaft angepackt werden. Auch Dulger vermisst dahingehend eine Reform der Sozialversicherung. „Die Sozialversicherungsbeiträge müssen dauerhaft bei 40 Prozent liegen, um Arbeit wieder attraktiver zu machen und den Standort zu stärken“, forderte er. 

Kritik von Grünen und AfD

Insbesondere bei den Grünen, die zukünftig wohl in der Opposition sitzen, stoßen die Ergebnisse der Sonderiungsverhandlungen auf scharfe Kritik. Die Parteien wollten, statt strukturelle Probleme zu lösen, alles mit Geld zuschütten, sagte Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner. Das Finanzpaket, dem die Grünen wahrscheinlich nicht zustimmen wollen, diene nur dazu, Wahlversprechen wie die Mütterrente zu finanzieren. SPD und CSU/CDU sind beim Finanzpaket auf die Zustimmung der Grünen angewiesen, das es eine Änderung im Grundgesetz braucht. Die Grünen kritisieren insbesondere, dass der Klimaschutz keine Rolle spiele.

Die AfD wirft Unions-Chef Friedrich Merz vor, seine Wahlversprechen zu brechen. Die Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel nannten die Pläne in der Migrationspolitik „vage Versprechungen und Formelkompromisse“ von Seiten der SPD. Die sozial- und wirtschaftspolitischen Vorhaben trügen „die Handschrift „Rezepte aus der sozialistischen Mottenkiste wie Industriestrompreis und E-Auto-Subventionen schaffen weder Wohlstand noch Wirtschaftswachstum." Das Sondierungspapier sei eine Einigung „zum Schaden Deutschlands." Auch die Linke zeigte sich enttäuscht. „Zentrale Themen wie Wohnungsbau, Gesundheit, Stärkung von Familien, gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West oder bezahlbare Lebensmittel werden nebenbei verhandelt oder nicht einmal erwähnt“, teilten die Fraktionsvorsitzenden Heidi Reichinnek und Sören Pellmann mit. 

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