Sondierungen: Worauf sich Union und SPD geeinigt haben
Samstagnachmittag, Feiertag, Frühlingswetter – doch Union und SPD haben sich keine Auszeit von ihren Sondierungsgesprächen gegönnt. Stattdessen verkündeten die Partei- und Fraktionsspitzen im Bundestag das Ergebnis ihrer Verhandlungen. Ob es zu einer Koalition kommt, ist aber weiter offen.
Einen ersten Aufschlag, den großen Durchbruch zum künftigen Finanzrahmen, hatten die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD bereits am Dienstagabend präsentiert. Mit einem Abschluss der Sondierungsgespräche war im politischen Berlin für das Wochenende gerechnet worden. Und so kam es auch. Mit ein wenig mehr Vorlauf als am Dienstag kam die Einladung zu einem Pressestatement von Lars Klingbeil, Saskia Esken, Friedrich Merz und Markus Söder um 15 Uhr im Bundestag. „Ich freue mich sehr, dass wir diese Einigung ausgerechnet heute am Kampftag für Frauenrechte erzielen konnten“, sagte Esken. Weniger als zwei Wochen nach der Bundestagswahl steht ein elfseitiges Papier, das nun die Grundlage für mögliche Koalitionsverhandlungen bilden soll. Das sind die wichtigsten Punkte:
Wirtschaft
„Wirtschaftlich ist für uns wichtig, dass ,Made in Germany' wieder strahlt. Wir wollen, dass die Erfolgsgeschichte unseres Landes weitergeht. Wir wollen Arbeitsplätze sichern. Wir tun das durch einen Industriestrompreis und eine Kaufförderung für Elektromobilität und indem wir Investitionsanreize schaffen“, kündigte Lars Klingbeil an. Schon im Wahlkampf hatte die SPD einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen gefordert. Als ersten Schritt sollen nun dafür die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß gesenkt und die Übertragungsnetzentgelte halbiert werden. Ziel ist eine dauerhafte Deckelung der Netzentgelte. Außerdem soll für stabilere Strompreise auch ein größeres Energieangebot geschaffen werden, beispielsweise durch neue Gaskraftwerke.
Als Zielmarke formulieren Union und SPD ein Wirtschaftswachstum von mehr als einem Prozent. Zuletzt schrumpfte die Wirtschaft in Deutschland zwei Jahre in Folge. Klingbeil sagte am Samstag: „Wir haben uns vorgenommen, in Deutschland einen neuen Aufschwung zu entfachen, einen Aufschwung, der unser Land stärker, sicherer und lebenswerter macht.“
Arbeit und Soziales
„Wir wollen niedrige Einkommen stärken durch den Mindestlohn von 15 Euro und die Stärkung der Tariftreue“, sagte Saskia Esken. Beides waren Kernforderungen der SPD im Wahlkampf. Das Tariftreuegesetz sollte eigentlich schon in der vergangenen Legislaturperiode kommen, wurde damals jedoch vehement von der FDP blockiert. Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent stabilisiert werden, die Rente nach 45 Beitragsjahren erhalten und die sogenannte Mütterrente eingeführt werden. Rentner*innen, die freiwillig weiterarbeiten, sollen bis zu 2.000 Euro Gehalt pro Monat steuerfrei erhalten können. Wie von der SPD gefordert, haben sich die Parteien eine Einkommensteuerreform vorgenommen.
Das bestehende Bürgergeldsystem soll zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende umgestaltet werden. Der Schwerpunkt solle künftig darauf liegen, Menschen schneller wieder in Arbeit zu bringen. Für sogenannte Totalverweiger*innen soll auch eine komplette Streichung des Bürgergeldes möglich sein.
Migration und Integration
In diesem Bereich hat sich mit Blick auf die Sondierungspapier wohl die Union größtenteils mit ihren Forderungen durchgesetzt. So haben sich die Parteien auf zahlreiche Punkte geeinigt, die CDU/CSU bereits im Januar mit ihrem im Bundestag gescheiterten Zustrombegrenzungsgesetz umsetzen wollten. Demnach soll das Ziel der „Begrenzung“ wieder ausdrücklich in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden. Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen sollen in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn auch bei Asylgesuchen möglich sein.
Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte soll befristet ausgesetzt, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme wie zum Beispiel aus Afghanistan sollen beendet, die Zahl sicherer Herkunftsstaaten soll erhöht werden. Außerdem ist eine „Rückführungsoffensive“ geplant. Die Bundespolizei soll die Kompetenz erhalten, für ausreisepflichtige Ausländer*innen vorübergehende Haft oder Ausreisegewahrsam zu beantragen, um ihre Abschiebung sicherzustellen. Nach Angaben von CSU-Chef Söder sollen künftig auch in Länder wie Afghanistan und Syrien Abschiebungen möglich sein.
Im Gegenzug sollen die Fachkräfteeinwanderung erleichtert und die Integrationsmöglichkeiten erweitert werden. Dafür soll mehr in Integration investiert werden. Integrationskurse sollen fortgesetzt und Sprach-Kitas wieder eingeführt werden. Eine verpflichtende Integrationsvereinbarung soll 299 künftig Rechte und Pflichten definieren.
Wohnen und Verkehr
Nach aktuellem Gesetzesstand würde die Mietpreisbremse zum 31. Dezember 2025 auslaufen. Union und SPD haben sich nun vorgenommen, sie zunächst um zwei Jahre zu verlängern. Die Ampel-Regierung hatte sich in ihrem damaligen Koalitionsvertrag noch eine Verlängerung bis 2029 vorgenommen. Die Umsetzung war jedoch an der FDP gescheitert.
Wie es mit dem Deutschland-Ticket weitergeht, scheint noch fraglich. In der Vergangenheit hatte sich vor allem der CSU-Vorsitzende Söder mehrfach skeptisch bis ablehnend geäußert. Das Sondierungspapier enthält nun lediglich den Satz: „Wir beraten über die Fortsetzung des Deutschlandtickets sowie den Ausbau und die Modernisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs.“
Wie es nun weitergeht
„Wir haben viele Stunden gesprochen, verhandelt und vertrauensbildende Maßnahmen ergriffen“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken zu den zurückliegenden Sondierungsgesprächen. Auf Grundlage des Sondierungspapiers wollen alle drei Parteien ihren Vorständen empfehlen, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Diese könnten dann schon in der kommenden Woche beginnen. Dazu sagte Klingbeil: „Wir sind mit dem Sondierungspapier große Schritte vorangekommen, aber wir sind noch lange nicht am Ende. Wir haben gezeigt in den letzten Tagen durch die Vertraulichkeit, die Ernsthaftigkeit und auch die Weite der Gespräche, die wir geführt haben, dass wir uns verabredet haben, die großen Fragen in diesem Land zu klären. Das ist in einem ersten Schritt gelungen. Deswegen werden auch wir vorschlagen, jetzt Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.“
Nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen sollen dann wie schon 2013 und 2018 erneut die SPD-Mitglieder das letzte Wort haben, „ob wir eintreten in eine Regierung“.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
na, das ist ja nun durchwachsen, um mal vorsichtig
zu formulieren. Ich hatte schon gehofft, wir würden die Schutzsuchenden nicht verprellen, so wie Merz dies vorhat und nun wohl auch umsetzen wird können. Hoffen wir auf die Korrektur im Rahmen der Mitgliederbefragung, ein gutes Instrument, das wir da haben
Sondierungspapier
Guten Tag,
ich bitte um Zusendung des / eines Links auf das Sondierungspapier(s).
Besten Dank und
Gruß
Bernhard Pfitzner
Sondierungspapier
Das Sondierungspapier ist hier verlinkt:
https://vorwaerts.de/sites/default/files/2025-03/Sondierungspapier%20CD…
Unausgewogen?
Das Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD setzt ambitionierte Ziele, offenbart jedoch Schwächen in Finanz-, Sozial- und Migrationspolitik. Das Sondervermögen von 500 Mrd. Euro bedeutet Neuverschuldung ohne langfristige Finanzierungsstrategie. Während Verteidigungsausgaben bevorzugt werden, bleiben soziale und Bildungsinvestitionen ungesichert. Steuererleichterungen und Strompreissenkungen könnten die Netzstabilität gefährden. Ob sie Wachstum ankurbeln, ist fraglich. Härtere Sanktionen beim Bürgergeld verstärken soziale Härten, ein Konzept zur Arbeitsmarktintegration fehlt. Grenzschließungen, Abschiebungen und Einschränkungen beim Familiennachzug sind rechtlich fragwürdig, während Fachkräfteeinwanderung gefördert werden soll. Eine zweijährige Mietpreisbremse reicht nicht, die Zukunft des Deutschlandtickets bleibt unklar. Das Papier deutet auf einen sicherheitspolitischen Kurswechsel hin, bleibt aber unausgewogen und vage. Die Umsetzung ist fraglich.
Wohnungsmarkt und Klimaschutz
Ich verstehe die teilweise als Symbolpolitik anmutenden Vereinbarungen. Ich hoffe aber inständig, dass auf dem Wohnungsmarkt mehr passiert als die Mietpreisbremse. Und dass es auch in Bezug auf Klimaschutz entschieden weitergeht.