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Pistorius-Plan: So soll der neue Wehrdienst aussehen

Der Bundeswehr fehlen Soldat*innen für den Verteidigungsfall. Verteidigungsminister Boris Pistorius will deshalb einen neuen Wehrdienst einführen. Dabei setzt er weitgehend auf Freiwilligkeit. Nur eines soll verpflichtend sein.

von Kai Doering · 12. Juni 2024
Die Bundeswehr fit machen für den Verteidigungsfall: Der neue Wehrdienst von Verteidigungsminister Pistorius nimmt Formen an.

Die Bundeswehr fit machen für den Verteidigungsfall: Der neue Wehrdienst von Verteidigungsminister Pistorius nimmt Formen an.

„Fünf Minuten vor der Zeit ist des Soldaten Pünktlichkeit“, lautet ein Ausbilder-Spruch bei der Bundeswehr. Auch Boris Pistorius betritt am Mittwoch bereits fünf Minuten vor 15 Uhr den Saal der Bundespressekonferenz. Der Verteidigungsminister will seine Pläne für einen neuen Wehrdienst den Hauptstadt-Journalist*innen vorstellen. Am Morgen hat er sie bereits im Bundeskabinett und im Verteidigungsausschuss des Bundestags präsentiert.

Wie soll der neue Wehrdienst aussehen?

Ab dem kommenden Jahr sollen alle Frauen und Männer in Deutschland mit Erreichen des 18. Lebensjahres angeschrieben und dazu aufgefordert werden, einen digitalen Fragebogen auszufüllen. Für die Männer ist das Ausfüllen verpflichtend, für die Frauen freiwillig. Abgefragt werden etwa die persönliche Fitness, Interessen und die Bereitschaft, Wehrdienst in der Bundeswehr zu leisten. Wer Interesse anmeldet, wird zur Musterung eingeladen und kann – ein positives Musterungsergebnis vorausgesetzt – freiwillig seinen Wehrdienst leisten. „Wir wollen die, die am fittesten und am motiviertesten sind“, sagte Verteidigungsminister Pistorius bei der Vorstellung des Modells, das er einen „Auswahlwehrdienst“ nennt. Nur für den Fall, dass sich nicht genug Männer freiwillig melden, soll eine Verpflichtung zum Wehrdienst geben.

Wie lange soll der neue Wehrdienst dauern?

Der neue Wehrdienst soll mindestens sechs und höchstens 23 Monate dauern. Von der Länge hängt ab, was der oder die Rekrut*in im Anschluss macht. Wer nur die sechsmonatige Grundausbildung absolviert, kann im Anschluss etwa als Reservist*in im Heimatschutz eingesetzt werden. Wer länger dient, soll nach der Grund- noch eine Spezialausbildung erhalten und „in die Strukturen der Einsatzkräfte“ integriert werden, wie Pistorius sagte. Sein Ziel sei, das möglichst viele Wehrdienstleistende deutlich länger als sechs Monate in der Truppe blieben. Als Anreiz, sich von Anfang an für eine längere Zeit zu verpflichten, soll es finanzielle und andere Anreize geben.

Wie viele Wehrdienstleistende will Boris Pistorius auf diese Weise gewinnen?

Zunächst sollen 5.000 Rekrut*innen eine Grundausbildung erhalten. Mehr geben nach Aussage des Verteidigungsministers die bestehenden Kapazitäten der Bundeswehr (Kasernen, Ausbilder*innen usw.) nicht her. Diese wurden nach dem Aussetzen der Wehrpflicht 2011 drastisch heruntergefahren und ganze Kasernen geschlossen. In den folgenden Jahren soll die Anzahl der Wehrdienstleistenden jedoch nach und nach steigen. Boris Pistorius geht davon aus, dass etwa ein Viertel jedes Jahrgangs interessiert sein könnte. Bei rund 400.000 18-jährigen Männern wären das etwa 100.000. Diese sollen aber nicht alle ein Angebot erhalten. Nach Aussage von Pistorius sollen etwa 40.000 bis 50.000 junge Männer zu einer verpflichtenden Musterung eingeladen werden.

Wann soll der neue Wehrdienst beginnen?

Geht es nach Boris Pistorius, so schnell wie möglich. Da es aber noch keinen entsprechenden Gesetzentwurf gibt und der Bundestag diesem erst zustimmen muss, geht der Verteidigungsminister von einem Start des neuen Wehrdienstes im Laufe des kommenden Jahres aus.

Gibt es auch beim neuen Wehrdienst die Möglichkeit, zu verweigern?

Ja, „das verbriefte Recht, den Kriegsdienst zu verweigern, bleibt bestehen“, betonte Boris Pitorius am Mittwoch. Allein das Ausfüllen des Fragebogens und ggf. die anschließende Musterung sind verpflichtend. Kommt ein junger Mann dem nicht nach, droht ihm ein Bußgeld.

Ist ein Wehrdienst auch für Frauen oder eine allgemeine Dienstpflicht damit vom Tisch?

Nein. Boris Pistorius macht am Mittwoch sehr deutlich, dass er eine allgemeine Dienstpflicht nicht nur für sinnvoll, sondern absehbar auch für notwendig hält. „In der nächsten Wahlperiode wird es eine Diskussion über eine Dienstpflicht geben müssen“, sagte der Verteidigungsminister. Dafür müsste jedoch das Grundgesetz geändert werden, was zum jetzigen Zeitpunkt „völlig unrealistisch“ sei und viel Energie brauche. Deshalb sei im Moment nicht der richtige Zeitpunkt für eine solche Diskussion, so Pistorius. Der neue Wehrdienst sei „ein Einstieg“, betonte er.

Warum wird überhaupt über eine Wiederbelebung des Wehrdienstes diskutiert?

Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hat lange gehegte Gewissheiten in der Verteidigungspolitik über den Haufen geworfen. Nach Berechnungen von Expert*innen könnte Russland bereits 2029 in der Lage sein, einen Nato-Staat anzugreifen. „Wir müssen kriegstüchtig werden“, hat Boris Pistorius deshalb schon vor Monaten als Ziel ausgegeben. Am Mittwoch drückte es der Verteidigungsminister etwas anders aus. „Wir müssen glaubhaft abschreckungsfähig sein“, sagte er in der Bundespressekonferenz. Dazu gehöre, dass die Bundeswehr von derzeit 181.000 Soldat*innen anwachse. Vor allem aber gehe es bei der neuen Wehrpflicht darum, Frauen und Männer so auszubilden, dass sie im Verteidigungsfall aktiviert werden können.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Insgesamt positiv. „Wir unterstützen die Pläne von Bundesverteidigungsminister Pistorius, die Zahl unserer Streitkräfte zu erhöhen“, erklärte der stellvertretende verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Vöpel. „Die Zeitenwende ernst nehmen heißt, mehr Wehrdienstleistende für die Bundeswehr zu gewinnen, um die Zahl der Reservisten für einen möglichen Verteidigungsfall zu erhöhen.“ Es müsse deshalb das Ziel sein „deutlich mehr junge Männer und Frauen für einen Dienst in der Bundeswehr zu gewinnen als bisher“. 

Auch aus Sicht von SPD-Verteidigungspolitikerin Marja-Liisa Völlers stellt „das von Boris Pistorius vorgeschlagene Modell die richtigen Weichen“. Völlers stellt aber auch klar: „Wir reden nicht über eine allgemeine Dienstpflicht, sondern einen Wehrdienst, der vor allem auf Freiwilligkeit beruht. Der jetzt vorliegende Vorschlag ist das realistische, notwendige Vorhaben, das wir nach 16 Jahren Unionsführung im Verteidigungsministerium brauchen“, so die SPD-Abgeordnete. Und auch Boris Pistorius betonte am Mittwoch, dass er von einer Unterstützung aller drei Koalitionspartner für seine Pläne ausgeht.

Wie geht es nun weiter?

Nach Aussage von Boris Pistorius soll nun eine „ressortübergreifende Arbeitsgruppe“ einen Gesetzentwurf für den neuen Wehrdienst erarbeiten. Dieser soll zügig von der Bundesregierung beschlossen und in den Bundestag eingebracht werden. Die neue Wehrpflicht könnte dann im kommenden Jahr bereits in Kraft treten.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 18.06.2024 - 18:34

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Ein überkommenes Relikt aus der Zeit als der Gefolgsmann seinem GefolgschaftsFÜHRER zu folgen hatte.
Niemand soll sterben damit die Aktienkurse steigen !
Das Gebot der Stunde heißt Diplomatie und Entspannung ! Aber als ich unseren Bundeskanzler per TV am 7.2.2022 in Washington sah und hörte habe ich meine Wahlentscheidung vom September davor schon bereut.