Inland

Heizungsgesetz: „Die Wärmepumpe ist nicht die einzige Möglichkeit.“

Kommt das Heizungsgesetz noch vor der Sommerpause? SPD-Energieexperte Timon Gremmels ist optimistisch, mahnt jedoch eine soziale Abfederung an. Vom Einbau neuer Gasheizungen rät er dringend ab.
von Kai Doering · 30. Mai 2023
Heizungsbauer mit Wärmepumpe: Die SPD will technologische Vielfalt ermöglichen.
Heizungsbauer mit Wärmepumpe: Die SPD will technologische Vielfalt ermöglichen.

Die geplanten Änderungen beim Heizungseinbau haben eine Debatte ausgelöst, die inzwischen weit über die Politik hinausreicht. Hat Sie die Wucht der Diskussion überrascht?

In dieser Massivität ja. Ich war ja schon in der vergangenen Legislaturperiode Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für das Gebäudeenergiegesetz. Da war es eher ein Feinschmecker-Thema und lief deutlich unter dem öffentlichen Radar. Dass die Diskussion über die geplante Reform jetzt so hochkocht, liegt sicher auch daran, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck sie nicht gut vorbereitet hat. Statt die Neuregelungen beim Einbau von Heizungen gleich mit Maßnahmen zur sozialen Abfederung zu verbinden, hat man sich in technischen Vorgaben verloren. Das sorgt massiv für Verunsicherung.

Der Umstieg auf klimafreundliche Heizungen selbst steht schon im Koalitionsvertrag. Das Vorziehen auf den 1. Januar 2024 ist seit einem Jahr bekannt. Warum gibt es die Diskussion erst jetzt?

Nicht jede Bürgerin und jeder Bürger liest Koalitionsverträge oder verfolgt Koalitionsausschüsse so intensiv, dass er alles, was dort beschlossen wird, mitbekommen würde. Im vergangenen Jahr war das Wirtschaftsministerium auch vor allem damit beschäftigt, die Energieversorgung zu sichern, sodass die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes deutlich später angegangen werden konnte als geplant. Erst als dann im März der erste Entwurf durchgestochen wurde, ist vielen bewusst geworden, wie unmittelbar die Pläne sie betreffen werden. Das alles ist aber vergossene Milch. Wir müssen jetzt überlegen, wie wir die geplanten Änderungen so umsetzen, dass sie sozialverträglich sind und mit technologischer Vielfalt ein Gesetz schaffen, das die Energiewende im Gebäude ermöglicht.

Praktiker wie der Zentralverband Sanitär, Heizung, Klima fordern bereits eine Verschiebung des Starts und fürchten, dass Hausbesitzer*innen mit den neuen Vorgaben überfordert werden. Wie sehen Sie das?

Wir sollten darüber nachdenken, ob wirklich alle Teile des Gesetzes zum 1. Januar 2024 in Kraft treten müssen. Bei Neubauten sehe ich aber keine Notwendigkeit für einen späteren Start. Die Mehrheit der Heizungen, die heute neu verbaut werden, sind ohnehin bereits Wärmepumpen. Den Menschen ist ja sehr bewusst, dass sich etwas verändern muss. Wir müssen ihnen aber die Gewissheit geben, dass sie diese Veränderung auch bewältigen können. Die Falschmeldungen, die zum Teil seit einiger Zeit verbreitet werden, machen diese Aufgabe nicht leichter. Ich empfehle deshalb allen ein Fachgespräch mit dem Handwerker vor Ort.

Vor allem die FDP betont stets, dass ein technologieoffener Ansatz wichtig sei. Sie auch?

Ja. Auch die SPD will technologische Vielfalt ermöglichen. Die Gebäude und die Voraussetzungen in den verschiedenen Regionen sind so unterschiedlich, dass nicht ein System für alles passt. Die Wärmepumpe ist sicher ein wichtiger Baustein, aber bei weitem nicht die einzige Möglichkeit. Pallet- und Holzheizungen auszuschließen, wäre der falsch Weg. Deshalb will die SPD, dass jede und jeder einen kostenlosen Sanierungsfahrplan individuell abgestimmt auf seine Bedürfnisse und Voraussetzungen erstellen lassen kann. Auch die Verknüpfung mit der kommunalen Wärmeplanung ist sehr wichtig.

Macht es überhaupt Sinn, die Reform des Gebäudeenergiegesetzes ohne die kommunale Wärmeplanung zu beschließen?

Die ursprüngliche Planung war ja, zuerst die kommunale Wärmeplanung auf den Weg zu bringen, damit es eine Grundlage gibt für die individuellen Entscheidungen, welches Heizsystem eingebaut wird. Wenn ich weiß, dass mein Haus in den kommenden Jahren ans Fernwärmenetz angeschlossen wird, werde ich mir ja keine Wärmepumpe installieren. Durch den Krieg in der Ukraine wurde die GEG-Novelle ein Jahr vorgezogen und beide Gesetzesvorhaben laufen nun parallel. Wichtig ist, beide gut aufeinander abzustimmen.

Die SPD betont stets, dass mit dem neuen Gesetz niemand aus seiner Wohnung verdrängt werden dürfe. Wie wollen Sie das verhindern?

Es darf nicht sein, dass jemand aus seiner Wohnung ausziehen oder sein Haus verkaufen muss, weil er sich die neue Heizung nicht leisten kann. Eine soziale Abfederung ist der SPD deshalb sehr wichtig. Über den Klima- und Transformationsfonds kann der Staat ausreichende Förderungen ausbezahlen, sodass die Anschaffung eines neuen Heizsystems niemanden überfordert. Bei der Auszahlung der Gelder bin ich persönlich sehr für eine soziale Staffelung, auch wenn das vom Mechanismus her nicht ganz leicht wird. Sinnvoller als Verbote halte ich gezielte Anreize, die verlässlich sein müssen. Die Leute sollen ja Freude haben an der Energiewende und sie nicht als Bedrohung wahrnehmen. Die Bereitschaft der Menschen, etwas für den Klimaschutz zu tun, ist nach wie vor sehr groß. Das dürfen wir nicht verspielen.

Was sagen Sie denen, die jetzt noch schnell eine Gasheizung bei sich einbauen wollen?

Das wäre sehr kurzsichtig. Der Preis für fossile Energieträger wird in den kommenden Jahren deutlich steigen, ebenso der CO2-Preis. Auch wenn eine Gasheizung vom heutigen Standpunkt aus günstig erscheint, droht sie in wenigen Jahren zu einer Kostenfalle zu werden.

Nachdem die erste Lesung des Gesetzentwurfs in der vergangenen Woche nicht stattfinden konnte, soll sie nun in der Woche ab dem 12. Juni stattfinden. Ist das realistisch?

Wenn ich in der Protokollnotiz der FDP zum Beschluss im Kabinett lese, dass der Gesetzentwurf im Bundestag verbessert werden soll, dann bin ich da vollkommen dabei. Wenn die FDP ihre Forderung selbst ernst nimmt, muss die erste Lesung aber zügig stattfinden, damit wir dann auch über Verbesserungen beraten können. Ich würde jedenfalls viel lieber über die Inhalte des Gesetzes streiten als weiter Verfahrensfragen zu diskutieren. Ich bin aber optimistisch, dass wir vor der Sommerpause ein gutes Gebäudeenergiegesetz hinbekommen werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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