Klimaneutralität bis 2045: Warum das keine Gefahr, sondern eine Chance ist
Im Grundgesetz soll ein neues Sondervermögen „für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ verankert werden. Ökonom Gustav Horn erklärt, warum das für die deutsche Wirtschaft technologische Chancen eröffnet.
IMAGO/Christian Ohde
Windräder in der Nähe von Hamburg: Erneuerbare Energien sind ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Kaum haben sich Union und SPD sowie die Grünen über die Architektur der künftigen Finanzpolitik geeinigt, erklimmen die üblichen Verdächtigen unter den Ökonom*innen die verbalen Barrikaden und malen das Gespenst einer Deindustrialisierung mit hoher Arbeitslosigkeit an die Wand. Gesponsert von der ökonomisch in den Nullerjahren dieses Jahrhunderts verharrenden Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) betrachten sie das Ziel, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen – und damit fünf Jahre früher als auf EU-Ebene vereinbart – als Todesstoß für die industrielle Basis in Deutschland.
Ihr zentrales Argument lautet, das Vorziehen des Ziels gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie im Vergleich zu ihrer europäischen und globalen Konkurrenz massiv, ohne gleichzeitig das globale Klima nennenswert beeinflussen zu können. Die bei vielen ohnehin schon vorhandenen Sorgen um einen sicheren und guten Arbeitsplatz würden so verstärkt.
Klimawandel betrifft alle
Diese Sichtweise übersieht die entscheidenden Punkte eines solchen Vorgehens. Richtig ist, dass das errechnete Erreichen einer Klimaneutralität nur in Deutschland wegen des geringen Anteils der deutschen Wirtschaft an den gesamten CO2-Emissionen aus globaler Sicht ziemlich unbedeutend ist. Es geht also nur in sehr begrenztem Umfang um eine beschleunigte Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Es geht vielmehr um die Zukunft der Industrie und des Wohlstandes in Deutschland.
Ausgehend von der Tatsache, dass der Klimawandel ein reales globales Phänomen ist, das alle belasten wird, werden auch die Maßnahmen gegen die Veränderungen von allen getragen werden müssen. Früher oder später wird sich die globale Wirtschaft in allen Volkswirtschaften mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Das gilt ungeachtet von Rückschlägen, wie sie derzeit in den USA durch die Präsidentschaft von Donald Trump zu beobachten sind. Am Ende werden die spürbaren Auswirkungen der Klimaveränderungen die Wirtschaftspolitik in den USA, selbst jene von republikanischen Regierungen, wieder auf einen anderen Kurs zwingen.
Eine Chance für die Wirtschaft in Deutschland
Wenn dem so ist, dann gehört Technologien die Zukunft, die einen nennenswerten Beitrag zum Kampf gegen oder zur Bewältigung des Klimawandels zu leisten vermögen. Genau dies ist eine Chance für die Wirtschaft in Deutschland. Ihre Stärke liegt schließlich in der Entwicklung anspruchsvoller industrieller Verfahren. Ziel der Wirtschaftspolitik der möglichen neuen Bundesregierung ist, diese Stärke mit den klimapolitischen Herausforderungen zu verbinden. Wenn die Industrie hierzulande in der Lage ist, technologische Lösungen anzubieten, mit deren Hilfe man mittels industrieller Produktion den Klimawandel bekämpfen und bewältigen kann, dann hat sie ein Angebot, das auf eine globale Nachfrage treffen wird.
Doch dies geschieht nicht von selbst und schon gar nicht mit der notwendigen Geschwindigkeit. Denn der Kampf gegen den Klimawandel ist ein öffentliches Gut, das nur mit staatlicher Unterstützung rasch und in hinreichendem Umfang angeboten wird, weil der Ertrag, ein besseres Klima für die Allgemeinheit und nicht privat anfallen.
Wie China sich einen Vorteil verschafft hat
Von daher ist es sowohl sinnvoll der Industrie gezielt Anreize zu geben, ihre Investitionen in Richtung klimafreundlicher Produktion zu lenken, als auch öffentliche Investitionen in die entsprechende Infrastruktur zu leiten. Ziel muss sein, in diesem Bereich führend auf den globalen Märkten zu werden. Und dies gelingt nur, wenn man auch schnell genug ist. Deshalb ist es richtig, das Ziel der Klimaneutralität vorzuziehen. Das war eigentlich schon viel länger Strategie Teil des Regierungshandelns, ist aber zeitweise in politische „Vergessenheit“ geraten. Die chinesische Regierung hat dies hingegen seit längerem verstanden und der chinesischen Wirtschaft mittlerweile eine relativ starke Position auf diesem Feld verschafft.
Vor diesem Hintergrund ist der zeitliche Druck in Richtung Klimaneutralität verbunden mit einer starken Förderung und starken Anreizen genau das Richtige, um Tempo aufzunehmen. Am Ende werden all jene Unternehmen, alte wie neue, profitieren, die sich im Wettbewerb rasch auf die neuen Gegebenheiten umzustellen vermögen. Das ist auch ein Versprechen auf neue und gut bezahlte Arbeitsplätze.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Was bedeutet "Klimaneutralität" ?
Wie misst man das ? Soweit mir bekannt wurdenbis mindestens 25% des CO2 aus fossilen Quellen in den Meeren als Kalk (CaCO3) abgeschieden; ist das beim Schlagwort "Klimaneutralität" mit berechnet ? Un wieweit steht diese CO2-Senke dauerhaft auch weiterhin zu Verfügung.
Bäume, Wald, Humusaufbau werden auch als CO2-Senke debattiert, aber inwieweit sind sie wirksam ?
Als Naturwissenschaftler sage ich, daß ich dazu viel zu wenig weiß, aber die PolitsoziologenBWLerjuristen sind da ja nascheinen informierter.
Ich kann nur davor warnen mit Schlagwörter, deren Definition offen ist, Politik zu machen.
ich bin ganz andeter Meinung , es ist
richtig , hier Druck zu machen. Die Tatsache, dass es gelungen ist, die aktuellen CO2 Ziele zu erreichen, belegt doch, dass solch ein Druck- jetzt in der Qualität eines Staatsziels, der Sache mehr als dienlich ist. Wir müssen raus aus der Kohle und dem Kohlenstoff, zurück zur Natur