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Wachstumsinitiative: Wie die Bundesregierung die Wirtschaft ankurbeln will

Mit einer „Wachstumsinitiative“ will die Bundesregierung eine „neue wirtschaftliche Dynamik“ in Deutschland entfachen. Wie soll das gelingen? Und was bringen die geplanten Maßnahmen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

von Kai Doering · 29. Juli 2024
Mithilfe der Wachstumsinitiative der Bundesregierung könnte die Wirtschaftsleistung um 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte wachsen.

Mithilfe der Wachstumsinitiative der Bundesregierung könnte die Wirtschaftsleistung um 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte wachsen.

Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am 5. Juli in Berlin vor die Presse traten, um die Einigung auf einen Haushaltsentwurf zu verkünden, hatten sie noch ein weiteres Papier in der Tasche. Mit einer „Wachstumsinitiative“ will die Bundesregierung die schwächelnde deutsche Wirtschaft wieder auf Trab bringen. Am 17. Juli hat das Kabinett die Initiative gemeinsam mit dem Haushaltsentwurf auf den Weg gebracht.

Was ist im Rahmen der Wachstumsinitiative vorgesehen?

Das Papier der Bundesregierung umfasst 49 Maßnahmen in ganz unterschiedlichen Bereichen – vom Abbau von Bürokratie über Änderungen bei der Energieerzeugung bis hin zu einer Reform des Bürgergelds. Kernanliegen des Papiers ist, der Wirtschaft notwendige Impulse „für mehr wirtschaftliche Dynamik“ zu geben und „Investitionen in Infrastruktur, Transformation, Digitalisierung, Bildung, Innovation und Forschung im Haushalt zu priorisieren“.

Was ist beim Bürokratieabbau vorgesehen?

Hier sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen profitieren. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen künftig Unternehmen erst ab einer Größe von 50 Mitarbeiter*innen eine*n Datenschutzbeauftragte*n bestellen müssen. Zurzeit ist dies ab 20 Mitarbeiter*innen verpflichtend. Die menschenrechtspolitisch wichtige EU-Lieferkettenrichtlinie wird so umgesetzt, dass dabei vermeidbare Belastungen wie beispielsweise doppelte Berichtspflichten, für Unternehmen vermieden werden. Vorschriften, die über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus in der europäischen Richtlinie verschärfend enthalten sind, treten erst zum europarechtlich spätest möglichen Zeitpunkt in Kraft.

Was ändert sich für Arbeitnehmer*innen?

Das hängt davon ab, zu welchen Bedingungen sie beschäftigt sind. Insgesamt ist das Ziel der Bundesregierung, dass mehr gearbeitet wird. Damit das attraktiver wird, will sie Zuschläge für Mehrarbeit von Steuern und Abgaben befreien. Um Erwerbsarbeit für Frauen attraktiver zu machen, soll die bisherige Kombination der Steuerklassen III und V, die meist Frauen steuerlich schlechter stellt, in das sogenannte Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführt werden. Um das Arbeiten im Alter attraktiver zu machen, sollen Arbeitnehmer*innen eine Rentenaufschubprämie erhalten können. Den Beitrag zur Krankenversicherung, den die Rentenversicherung im Fall einer Weiterbeschäftigung spart, soll der bzw. die Arbeitnehmer*in erhalten. Die automatische Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters entfällt künftig.

Was ist für ausländische Arbeitskräfte geplant?

Hier muss zwischen Fachkräften und Geflüchteten unterschieden werden. Um Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, will die Bundesregierung einen Teil ihres Bruttolohns zum Anfang ihrer Zeit in Deutschland steuerfrei stellen. Ähnliche Regelungen gibt es in anderen europäischen Ländern. Um Geflüchtete schneller in Arbeit zu bringen, will die Bundesregierung eine „Genehmigungsfiktion“ einführen: Stellt ein Geflüchteter den Antrag, eine Arbeit aufzunehmen, gilt dieser als erteilt, wenn die Ausländerbehörde nicht innerhalb von zwei Wochen ein Veto einlegt. Bisher ist eine ausdrückliche Genehmigung der Behörde notwendig, was mehrere Monate dauern kann.

Welche Änderungen soll es beim Bürgergeld geben?

Ziel der Bundesregierung ist, beim Bürgergeld „das Prinzip der Gegenleistung wieder zu stärken“. Das heißt, dass Bezieher*innen von Bürgergeld künftig stärker reglementiert werden sollen. So soll ein längerer Weg zur Arbeit künftig zumutbar sein. Wer eine zumutbare Arbeit oder Eingliederungsmaßnahmen ablehnt, muss mit stärkeren Kürzungen des Bürgergelds rechnen. Gleiches gilt für sogenannte Meldeversäumnisse. Im Gegenzug soll eine „Anschubfinanzierung“ eingeführt werden: Wenn Langzeitarbeitslose eine Arbeit aufnehmen und keine Grundsicherung mehr beziehen, sollen sie eine Prämie erhalten.

Was sollen alle diese Maßnahmen konkret bewirken?

Die Bundesregierung verspricht sich von der zügigen Umsetzung der 49 Punkte ein deutliches Wirtschaftswachstum. Das Wirtschaftsministerium geht von einem Plus von 0,5 bis 0,6 Prozentpunkten aus. Statt des bisher erwarteten Wachstums von 1,0 Prozent, das die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung für 2025 prognostiziert, soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2025 so um 1,5 bis 1,6 Prozent wachsen. Zwischen dem Jahr 2000 und 2020 ist das BIP durchschnittlich nur um 1,0 Prozent gewachsen.

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