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Ehegattensplitting: Warum die Steuerklassen III und V abgeschafft werden sollen

Die Bundesregierung will die Steuerklassen reformieren. Ab 2030 soll das sogenannte Faktorverfahren der Steuerklasse IV die Kombination aus III und V ablösen. Wen das betrifft und was das bedeutet: Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

von Vera Rosigkeit · 24. Juli 2024
Ehegatten

Schon im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien sich darauf verständigt, die Kombination aus Steuerklasse III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV zu überführen. Nun liegt ein Entwurf zum zweiten Jahressteuergesetz vor, wonach die Umstellung bis 2030 vollzogen wird und die Lohnsteuerklassen III und V wegfallen werden. „Mit dem Faktorverfahren wird die Lohnsteuerbelastung gerechter auf die Eheleute, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner verteilt“, heißt es zur Begründung im Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums.

Lange Kritik am Ehegattensplitting

Tatsächlich hatte das sogenannte Splittingverfahren, das nur für Ehepaare und eingetragene Lebensgemeinschaften gilt, in den vergangenen Jahren immer wieder für Kritik gesorgt. Als etwa im vergangenen Jahr eine Debatte um die Kürzung des Elterngeldes entbrannte, meldete sich SPD-Chef Lars Klingbeil zu Wort: Statt am Elterngeld zu sparen, schlug er vor, das Ehegattensplitting für neue Ehen zu streichen.

Für Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, setze das Ehegattensplitting vor allem negative Erwerbsanreize für Frauen. Andere Wissenschaftler*innen kritisieren zudem, dass von diesem Splittingverfahren in erster Linie vor allem Alleinverdiener-Ehepaare mit sehr hohem Einkommen profitierten. Das soll sich nun ändern.

Wer profitiert von der Steuerklasse III?

Die Lohnsteuerklasse III ist die günstigste aller Lohnsteuerklassen. Der steuerliche Vorteil begründet sich dadurch, dass Steuerpflichtige die gemeinsamen Grundfreibeträge geltend machen können. Beschäftigte mit Lohnsteuerklasse III zahlen damit weniger Steuern und haben ein höheres monatliches Nettoeinkommen als Ledige. 

Wie wird Lohnsteuerklasse III mit IV kombiniert?

Für Beschäftigte in Lohnsteuerklasse V bedeutet das allerdings deutlich weniger Netto. Da ihr Grundfreibetrag an ihre*n Partner*in weitergegeben wird, können sie diesen bei der Lohnsteuer nicht selbst geltend machen und zahlen – auch im Verhältnis zu Ledigen – deutlich mehr Steuern.

Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus der Steuerklassen-Kombi III und V?

Grundsätzlich ergibt sich durch das Splitting der Steuerklassen in III und V ein Plus beim Netto-Gesamteinkommen des Paares, es ist fast immer höher als das von zwei Unverheirateten.

Allerdings begünstigt das Splittingverfahren vor allem Alleinverdiener-Ehepaare insbesondere mit sehr hohem Einkommen. Laut Stefan Bach von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung entsteht der größte Splitting-Vorteil, wenn ein*e Partner*in mehr als 580.000 Euro im Jahr verdient. 

Daraus ergibt sich allerdings die Gefahr, dass Beschäftigte in Steuerklasse V ihre Arbeitszeit reduzieren oder in Minijobs verharren. Zudem haben sie Nachteile, wenn sie Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld oder auch Elterngeld beziehen, denn die Höhe der Lohnersatzleistungen wird anhand des bisherigen Nettoeinkommens berechnet und fällt damit geringer aus.

So erklärte die Soziologin Bettina Kohlrausch in einem vorwärts-Interview, dass das Ehegattensplitting bei Frauen „zu einer hohen Teilzeitbeschäftigung mit Folgen wie geringe Lohnersatzleistung bei Kurzarbeitergeld oder Erwerbslosigkeit und auch zu geringen Rentenansprüchen“ führe.

Aus einer Anfrage im Bundestag von 2019 geht zudem hervor, dass mit 92,1 Prozent vor allem Ehepaare in Westdeutschland von der bisherigen Regelung profitieren.

Was ändert die Umstellung der Steuerklassen?

Zunächst einmal bedeutet die Umstellung auf Steuerklasse IV lediglich, dass beide Partner*innen den gleichen Grundfreibetrag geltend machen können. Schon heute nutzen Doppelverdiener*innen mit ähnlich hohem Einkommen die Steuerklasse IV, denn ein Steuervorteil ergibt sich erst, wenn die Einkommen der Partner*innen unterschiedlich hoch sind.

Laut einer Böckler-Studie haben Paare mit den Lohnsteuerklassen III/V auch keinen größeren Splittingeffekt, allerdings einen Zeitvorteil. Paare, die die Kombination aus III/IV nutzen, profitieren davon, dass ihre Steuerlast erst um ein Jahr verspätet vom Finanzamt erhoben wird. 

Was ändert sich für Paare bzw. Lebenspartner*innen mit Kindern?

Die bisherige Kombination aus Lohnsteuerklasse III und IV wird unabhängig davon genutzt, ob Kinder im Haushalt leben oder nicht. Auch wenn es oft so dargestellt wird, handelt es sich beim Ehegattensplitting nicht um eine familienpolitische Leistung, denn einen Steuervorteil erhalten Paare mit unterschiedlich hohem Einkommen mit oder ohne Kinder gleichermaßen.

Warum ist die Umstellung auf Steuerklasse IV fair?

Die Umstellung das Faktorverfahren der Steuerklasse IV betrachtet Ehepartner*innen steuerrechtlich unabhängig voneinander. Für den- oder diejenige mit dem geringeren Einkommen bedeutet das höhere Beiträge in die Rentenkasse und damit später eine höhere Rente als nach der bisherigen Veranlagung. Im Koalitionsvertrag erklärt die Ampel-Regierung daher, dass die Überführung der Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV mehr Fairness schaffe. Dies dürfte vor allem auf Frauen zutreffen. Laut einer Böckler-Studie sind es zu rund 90 Prozent verheiratete Frauen, die ihr Einkommen bisher in Lohnsteuerklasse V versteuern. 

DGB begrüßt Änderung

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist die Reform ein erstes wichtiges Signal auf dem Weg zur ökonomischen Gleichstellung von Frauen. „Mit der Änderung im Steuerrecht sollen bei verheirateten Paaren endlich beide Erwerbseinkommen gemäß ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack am Mittwoch in Berlin. Gleichzeitig kritisierte Hannack, dass die Regelung erst Ende des Jahrzehnts gelten solle. Sie forderte hier nachzubessern. Anreize, um die Sorgearbeit zu Hause gerechter zu verteilen und berufliche Perspektiven für Frauen zu stärken, seien ihrer Meinung nach „längst überfällig“.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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