Merz ist neuer Bundeskanzler: So holprig war die Wahl in zwei Runden
Das gab es noch nie: CDU-Chef Friedrich Merz hat am Dienstag im ersten Wahlgang die notwendige Mehrheit für die Kanzlerwahl verpasst, erst im zweiten Wahlgang bekam er ausreichend Stimmen. Eine Rückschau auf ein historisches Chaos.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernennt den zehnten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Sechs Stimmen waren am Dienstag der Grund dafür, dass wohl viele Menschen in Deutschland stundenlang den Atem anhielten. Sechs Stimmen fehlten CDU-Chef Friedrich Merz für die Wahl zum Bundeskanzler, der eine stabile Regierung bilden wollte, die Deutschland nun schon seit sechs Monaten fehlt. Die sogenannte Kanzlermehrheit erforderte 316 Stimmen der 630 Abgeordneten im Bundestag, doch nur 310 Abgeordnete gaben dem CDU-Chef bei der ersten Wahlrunde am Vormittag das Ja. CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im neu gewählten Bundestag, also zwölf mehr als die erforderliche Mehrheit.
Das unerwartete Fiasko stürzte das Land vorrübergehend in ein politisches Chaos. Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein designierter Kanzlerkandidat nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen doch nicht gewählt. Die internationale Presse berichtete überrascht bis schockiert über die Niederlage, das wichtigste Börsenbarometer Dax knickte deutlich ein.
Am Ende ging die Hängepartie gut aus. Nach dem Scheitern des ersten Wahlgangs verständigten sich die Fraktionsspitzen von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken über das weitere Vorgehen und einigten sich darauf, die Tagesordnung so weit zu ändern, dass eine zweite Abstimmung noch am selben Tag möglich war. Dafür war im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Damit diese gelingen konnte, sah die Union über ihren Unvereinbarkeitsbeschluss für eine Zusammenarbeit mit den Linken hinweg – auch das war historisch.
„Mit leichter Verspätung“ zum Kanzler ernannt
Am Nachmittag dann das große Aufatmen: Im zweiten Wahlgang stimmten 325 Abgeordnete für Merz, der damit der neue Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wurde. 289 stimmten mit Nein. Der Bundestag applaudierte Merz mit Standing Ovations. Auf Nachfrage von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner nahm der CDU-Chef die Wahl zum Bundeskanzler an. Wenig später eilte er ins Schloss Bellevue, wo Frank-Walter Steinmeier ihm im Großen Saal seine Ernennungsurkunde überreichte. „Mit leichter Verspätung“, wie der Bundespräsident augenzwinkernd bemerkte. Anschließend ging es zurück in den Bundestag, wo Merz am späten Nachmittag den Amtseid ablegte, mit der Formel „So wahr mir Gott helfe“ - ein Christdemokrat.
Das Wahlergebnis zeigt: 15 Abgeordnete haben zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang ihre Meinung geändert. Wer aus den Reihen von CDU/CSU oder SPD verwehrte Merz im ersten Wahlgang seine Stimme? Das lässt sich im Nachhinein nicht nachvollziehen: Die Wahl ist geheim. Aus der SPD-Fraktion hieß es, die Abgeordneten hätten geschlossen für Merz gestimmt. Aus der Unions-Fraktion hieß es ebenfalls, man stehe geschlossen hinter Merz. Allerdings hatte der Parteichef nach der Bundestagswahl Kritik für seine Zustimmung zur Aufweichung der Schuldenbremse auf sich gezogen. Gut möglich, dass ihm Abgeordnete aus den eigenen Reihen einen Denkzettel verpassen wollten. Möglich ist aber auch, dass die 15 neuen Ja-Stimmen im zweiten Wahlgang aus der Opposition kamen.
Was wäre, wenn?
Das Verfahren zur Kanzlerwahl wird im Grundgesetz Artikel 63 geregelt. Die Hängepartie von Dienstag hätte demnach noch eine Zeitlang anhalten können. Laut Absatz drei hätte es innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist beliebig viele zweite Wahlgänge geben können, auch mit unterschiedlichen Kandidat*innen. Hätte Merz auch im zweiten Wahlgang keine nötige Mehrheit erreicht, wäre „unverzüglich“ ein dritter Wahlgang durchgeführt worden. Es ist fraglich, ob die Union ihn dann noch aufgestellt hätte. Über seiner Kanzlerschaft hängt mit der holprigen Wahl am Dienstag bereits ein Schatten, die Stabilität seiner schwarz-roten Regierung steht in Frage.
Aktuelle Entwicklungen zur Bundestagswahl und den Koalitionsverhandlungen gibt es zum Nachlesen in unserem Newsticker.
Kanzlerwahl
Ich bin schockiert über so viel Verantwortungslosigkeit.
Kanzlerwahl
Diese Blamage wird vor allem zu unseren Lasten gehen. Weder regierungs- noch koalitionsfähig wird das Urteil in der Öffentlichkeit lauten. Die AfD kann sich die Hände reiben und wird ihr Glück kaum fassen können. Nun kann sie sich als einzig verlässlicher Koalitionspartner der CDU anbieten und aufspielen weil ja sonst kein verlässlicher Koalitionspartner im Bundestag vorhanden ist. Und wir sind auf dem Weg zur unbedeutenden linken Splitterpartei wieder ein gutes Stück voran gekommen. Wir schreiben noch nicht 1933 aber versagen wie damals und ebnen einer gesichert rechtsradikalen Partei den Weg in die Regierung.
Chaos, Krise, Drama ......
..... der Untergang des Abendlandes.
Mir geht die schreibende und sendende Zunft auf .......... . Ummer noch mehr Steigerungen ??? Euch will ja kaum noch einer was glauben.
Nu isser ja doch gewählt und auch die SPD kann glücklich sein, obwohl die vor dem 23. 2.2025 dich vor der wahl eines solchen Kanzlers gewarnt hat. Wie soll ich denn da die Welt noch richtig verstehen ????
Das war ein ganz normaler parlamentarischer Vorgang, gefolgt von einem 2. parlamentarischen Vorgang.