Inland

Geplatzte Koalition: „Sahra Wagenknecht profiliert sich auf Kosten Sachsens“

Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD steuert Sachsen auf eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen zu. Im Interview erhebt der SPD-Co-Landeschef Henning Homann schwere Vorwürfe gegen die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht.

von Nils Michaelis · 7. November 2024
Sondierungsgespräche in Sachsen gescheitert

Was nun, Sachsen? Sozialministerin Petra Köpping (SPD) und Henning Homann, Co-Vorsitzender der SPD, mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und CDU-Fraktionschef Christian Hartmann (von links) am Mittwoch während einer Pressekonferenz im Landtag.

Auf der Plattform X haben Sie geschrieben, die Sondierungsgespräche mit dem BSW seien nicht an landespolitischen Themen gescheitert. Vielmehr hätten die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht und BSW-Landeschefin Sabine Zimmermann eine Einigung gezielt verhindert. Woran machen Sie das fest?

Wir hätten gemeinsam die Möglichkeit gehabt, die Weichen in Sachsen neu zu stellen. In vielen Arbeitsgruppen haben wir uns auf konkrete Maßnahmen verständigt, um zum Beispiel die Wirtschaft zu beleben und neue Jobs zu schaffen, dass vor jeder Klasse ein Lehrer steht und dass Krankenhausstandorte gesichert werden. Viele BSW-Verhandler haben sich wirklich bemüht, gute Ergebnisse zu erzielen. Das muss man anerkennen.

Es ist an der Frage gescheitert, dass Wagenknecht und Zimmermann diese Verhandlung abblasen wollten. Dafür haben sie das Friedensthema missbraucht. Am Dienstag hatten wir uns auf eine „Friedensformel“ geeinigt. Tags darauf hat das BSW diesen Kompromiss wieder aufgekündigt und versucht, uns zu erpressen. Im Grunde war die BSW-Seite nicht bereit zuzugeben, dass Putin unsere Sicherheit bedroht. Und auch nicht, dass wir unsere internationalen Partner für den Schutz des Friedens in Europa brauchen. In diesem Moment war klar, dass es kein Weiterkommen gibt.

Als die BSW-Spitze merkte, dass wir uns nicht erpressen lassen, haben sie die Verhandlungen abgebrochen.

Bei den Koalitionsgesprächen in Thüringen gab es zuvor eine Einigung bei der Friedensthematik in der Präambel, die aber von Wagenknecht kritisiert wurde. Hatten Sie das Gefühl, dass die Bundesvorsitzende den Druck auf Zimmermann erhöht hatte, um eine ähnliche Einigung wie in Thüringen zu verhindern?

Ja. Der Abbruch der Verhandlungen in Sachsen ist das Ergebnis des Einflusses von Sahra Wagenknecht. Sie opfert unser Land für ihre Profilierungsambitionen im Bund. Sie hat eine Mehrheitsregierung verhindert, um eine bessere Ausgangsposition bei der Bundestagswahl zu haben. Den bekannten Satz „Erst das Land und dann die Partei“ hat sie ins Gegenteil verkehrt. Sie folgt dem Prinzip: erst Wagenknecht, dann die Partei und dann das Land. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen.

Henning
Homann

Am Ende wurden die Verhandlungen von Wagenknecht sabotiert, weil sie nicht wollte, dass das BSW in drei Bundesländern einer Regierung beitritt.

Waren die Verhandlungen mit dem BSW von Anfang an zum Scheitern verurteilt?

Nein. Zunächst einmal war es richtig, dass wir Sozialdemokraten versucht haben, eine Mehrheitskoalition mit CDU und BSW auf den Weg zu bringen. Eine Mehrheitskoalition macht es einfacher, über fünf Jahre eine klare Zukunftsstrategie zu entwickeln und diese dann auch umzusetzen. Die Verhandler der BSW waren sehr seriös und sehr gewissenhaft, gerade in den Arbeitsgruppen. Sie wollten regieren.

Am Ende wurden die Verhandlungen von Wagenknecht sabotiert, weil sie nicht wollte, dass das BSW in drei Bundesländern einer Regierung beitritt. Und weil sie gemerkt hat, dass am Ende die SPD bei vielen Verhandlungspunkten mit guten Argumenten im Vorteil war oder sich durchzusetzen drohte.

Sie fürchtete einen Imageschaden. Das sieht man, wenn man sich die Friedenspräambel anschaut. Natürlich stehen da auch Sätze drin, die ein Sozialdemokrat nicht sagen würde. Aber es gibt einen klaren kausalen Zusammenhang. Unsere Sicherheit in Deutschland wird von Wladimir Putin bedroht.

Die Leute in Sachsen sind skeptisch gegenüber zusätzlichen US-Mittelstreckenraketen, aber sie fühlen sich auch von den russischen Raketen in Kaliningrad bedroht.

Nach dem Aus der Ampel im Bund hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine Annäherung an die CDU ins Spiel gebracht, um verbleibende Gesetzesvorhaben durch den Bundestag zu bringen. Erleichtert Ihnen diese Entwicklung die Zusammenarbeit mit der Union in Sachsen?

Die Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner ist eine Chance für eine neue Annäherung zwischen SPD und CDU in Sachsen. Es geht aber um mehr. In schwierigen Zeiten braucht es ein verlässliches Verhältnis zwischen den beiden entscheidenden Parteien in diesem Land. Davon kann Sachsen nur profitieren.

Ein Bündnis zwischen CDU und SPD ist derzeit die einzige realistische Machtoptionen in Sachsen. Dies würde eine Minderheitsregierung bedeuten. Drohen Sachsen instabile politische Verhältnisse wie während der vergangenen fünf Jahre in Thüringen?

Die Situation in Sachsen ist nicht vergleichbar mit der in Thüringen. Dafür sind die Machtverhältnisse im Parlament zu unterschiedlich. In Sachsen herrscht ein kollegiales Grundvertrauen zwischen den Entscheidungsträgern in den demokratischen Parteien. Neben einer Minderheitsregierung sind übrigens auch Neuwahlen nicht ausgeschlossen.

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3 Kommentare

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 07.11.2024 - 18:32

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erhebt SPD-Co-Landeschef Henning Homann.

Hat Woidke nicht bemerkt, dass er sich hat erpressen lassen?

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 07.11.2024 - 18:37

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".....schwere Vorwürfe gegen die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht........" das ist eine sehr gute Idee. So geht das nicht. Gerade der SPD stünde es gut an ihrer Tradition der Friedens- und Abrüstungspolitik treu zu bleiben. Die Menschen hier auf der Straße oder wo immer ich sie treffe sagen mir doch: das ist doch unser Geld das sie da in der Ukraine verpulvern. Ich will nicht, daß die zur afd gehen !!!! aber mit SPD lockt man nhier nicht mal einen toten Hund hinterm Ofen vor.

Gespeichert von Matias Leão Ra… (nicht überprüft) am Sa., 09.11.2024 - 15:52

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Im Gegensatz zu Sarah Wagenknecht hat die SPD schon in ihrer Geschichte insbesondere als Lehre nach den beiden Weltkriegen sowohl pazifistische als auch wehrhaft-demokratische Elemente vertreten. Es gibt keinen Zweifel darüber, dass die deutsche Sozialdemokratie sich bis jetzt und nach wie vor für Abrüstung und friedliche Konfliktlösung eingesetzt hat. Allerdings hat die SPD nach dem zweiten Weltkrieg die Notwendigkeit erkannt, die Demokratie aktiv zu verteidigen und sich gegen extremistische Bedrohungen zu wehren.

Diese Balance zwischen Pazifismus und wehrhafter Demokratie ist Sarah Wagenknecht völlig egal. Letztlich basiert ihr Machtstreben weder auf Pazifismus noch auf anderen Grundwerten, sondern rein auf Geltungsdrang und prorussischer Huldigung. Ihre teenagerartige Schwärmerei für Putin erinnert an die backfischartige Schwärmerei Ursula Haverbecks.

Vorgeblich setzt sie sich für einen starken Staat und Umverteilung ein, aber sie lehnt wesentliche Errungenschaften der Gleichberechtigung und Umweltschutz als unwesentlich ab. Ihre linksnationalistische Ideologie erlaubt ihr nicht auf globale Bedrohungen durch den Klimawandel oder durch multipolare Wirtschaftsbedrohungen von Autokraten wie Trump, Putin und Jinping, sich proeuropäisch und protransatlantisch zu schützen. Sarah Wagenknecht fabuliert von direkten Eingriffen in die Wirtschaft, um soziale Gerechtigkeit zu erreichen und stigmatisiert alles, was ihr nicht passt als neoliberal.

Rechte von Minderheiten, Integration, Inklusion und progressive soziale Reformen bedürfen jedoch breiter gesellschaftlicher Verabredungen. Das ist nicht ihre Sache. Sie ist genauso autoritär wie die Antidemokraten für Deutschland [AfD]. Daher versucht sie erst gar nicht ihre Landesverbände vor Ort zu stärken und ihnen Regierungserfahrung zu erlauben. Ihr Ziel ist einzig, wie bisher das Ziel Der Linken im Bundestag, die Position einer steuerfinanzierten Daueropposition bis zum Ruhestand. Um die Gewaltenteilung und den grundgesetzlichen Föderalismus schert sie sich einen Deut.

Sie ist genauso machthungrig wie Putin selbst. Das ist der einzige Grund, warum sie Neuwahlen gefordert hat. Es würde mich nicht wundern, dass dies letztlich den BSW-Landesverbänden gar nicht zu pass kommt. Sie sind personell, organisatorisch und finanziell nicht gut aufgestellt und die Wähler*innen, Wählerinnen und Wähler haben nun gesehen, wie destruktiv sie in den östlichen Bundesländern hineinfunkt. Dietmar Woidke sollte gewarnt bleiben.