Landesregierung in Sachsen: Warum die SPD beim BSW skeptisch ist
Die SPD-Politikerin Sophie Koch wurde erstmals in den sächsischen Landtag gewählt. Wie sie sich auf ihre künftige Aufgabe vorbereitet, was im Kampf gegen Rechtsextremismus im Freistaat zu tun ist und warum sie skeptisch auf eine mögliche Koalition mit dem BSW blickt, erzählt sie im Interview.
Julian Hoffmann
Sophie Koch ist stellvertretende Landesvorsitzende der sächsischen SPD.
Sie sind großer Fan von Taylor Swift. Welche Liedzeile passt am besten zur aktuellen politischen Lage in Sachsen?
Im Lied „Only the Young“ geht es um die Wahlen in den USA. Mit Blick auf die Politik heißt es darin „Only the young can run.“ Eine für mich passende Zeile daraus ist: „Don't say you're too tired to fight, it's just a matter of time.“
Seit Sonntagabend steht fest, dass Sie künftig dem sächsischen Landtag angehören. Wie fühlt sich das an?
Ich bin noch dabei, es zu begreifen. Ich bin mega happy und stolz auf mein Team, auf mich, auf alles, was wir erkämpft haben. Ich habe in meinem Wahlkreis das beste Zweitstimmenergebnis für die SPD in Sachsen geholt. Das war eine Teamleistung. Jetzt muss ich mich sortieren, den Übergang von meinem jetzigen Job zur neuen Aufgabe im Landtag hinzubekommen. Es fühlt sich ein bisschen so an wie vor dem ersten Schultag. Wo sind meine Klassenräume? Was sind meine Fächer?
In Ihrem Wahlkreis Dresden 2 kommt die SPD auf 14,7 Prozent der Stimmen und liegt damit vor der AfD mit 12,8 Prozent. Was kann sich der Rest von Sachsen bei Ihnen abschauen?
Ein bisschen mehr Dresdner Neustadt wäre für Sachsen ganz schön. Es ist ein Wahlkreis, in dem sehr viele Menschen leben, die progressiv eingestellt sind. Im Wahlkampf hatte ich das Glück, über Landesthemen reden zu können, über Bildung, Mietpreise oder wie wir Kinder und Jugendliche besser beteiligen zu können, aber eben nicht, wie in vielen anderen Ecken des Freistaats, über Krieg und Frieden oder Migration. Wie wir davon mehr nach ganz Sachsen bekommen, müssen wir gucken. Das wird so nicht in jeder Region klappen.
Was überwog bei Ihnen am Wahlabend? Die Erleichterung über das SPD-Ergebnis oder der Frust über die Gesamtgemengelage?
Am Anfang ganz klar die Erleichterung, nachdem ich gesehen habe, wie krass wir uns als SPD zurückgekämpft haben. Manche Umfragen haben uns vorher bei drei Prozent gesehen. Dass wir da wieder rausgekommen sind und die zehn Mandate gehalten haben, sieht vielleicht von außen gar nicht wie ein Sieg aus, aber für uns ist es ein krasser Erfolg. Es ist auch verdient, weil ich so viele Leute habe kämpfen sehen in den letzten Wochen, egal, wie schlimm die Umfragen waren. Alle haben durchgezogen und standen geeint da. Als ich auf die anderen Ergebnisse geschaut habe, war ich frustriert.
Wobei die Zuwächse für die rechtsextreme AfD in Sachsen noch gering ausgefallen sind.
Das gibt mir Hoffnung, dass sie ihr Potenzial nicht weiter ausgebaut haben. Sie haben jetzt wahrscheinlich ihr Potenzial erreicht und wir können mit der Mehrheit, die noch demokratisch wählt, zusammenarbeiten und gucken, wie wir die AfD langfristig wieder klein kriegen.
Sophie Koch
Wir sind auch zu wenig auf TikTok, aber das allein rettet die demokratischen Parteien nicht, sie bei jungen Menschen sichtbar zu machen. Wir müssen in der Politik aufhören, über diese jungen Leute zu reden, sondern sie wirklich mitnehmen.
Die AfD hat bei Erst- und Jungwähler*innen mit Abstand am besten abgeschnitten und in dieser Altersgruppe am meisten Prozentpunkte dazu gewonnen. Besorgt Sie das?
Sehr. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze. Das eine ist, dass rechts zu sein an manchen Schulen die neue coole Subkultur ist. Wir müssen noch mehr auf Jugendarbeit und Jugendbeteiligung setzen. Wir sind auch zu wenig auf TikTok, aber das allein rettet die demokratischen Parteien nicht, sie bei jungen Menschen sichtbar zu machen. Wir müssen in der Politik aufhören, über diese jungen Leute zu reden, sondern sie wirklich mitnehmen. Wenn eine Fridays-For-Future-Demo tausende Leute auf die Straße bekommt, sollte man sich mit denen an den Tisch setzen, und zwar ernsthaft, nicht nur, weil es für die Presse schön aussieht.
Die SPD hat in Sachsen, wenn auch auf geringem Niveau, in allen Altersgruppen bis 44 Jahren dazu gewonnen und nur bei den Über-60-Jährigen Stimmen eingebüßt. Haben Sie diesen Trend im Wahlkampf bemerkt?
Definitiv. Ich war insofern überrascht, weil bei früheren Wahlen unsere Kernklientel 60 plus war. Im Wahlkampf habe ich am Infostand oder beim Kneipenwahlkampf mehrfach Reaktionen wie „Ey, SPD, das ist ja voll cool" oder „SPD auf die eins“ bekommen. Ich war ein wenig irritiert und wusste nicht genau, ob sie das ernst meinen, aber scheinbar meinten es verdammt viele ernst. Das ist schön zu sehen. Das liegt in meinem Wahlkreis auch an mir als Person und generell daran, dass wir super viele junge Kandidierende in Sachsen hatten. Wir hatten mit den Jusos eine Jugendorganisation, die auch mit Unterstützung aus dem ganzen Bundesland einen richtig krassen Wahlkampf auf die Beine gestellt hat und in jedem Landkreis unterwegs war. Unsere Juso-Landesvorsitzende ist rauf und runter gefahren, hat Flyer verteilt, Plakate aufgehängt, mit jungen Leuten gesprochen und war auf Instagram aktiv. Das hat sich ausgezahlt.
In Sachsen ist Volt nicht zur Landtagswahl angetreten, sondern hat die SPD unterstützt. Hat das dazu beigetragen, dass jüngere Leute eher die SPD gewählt haben?
Ich kenne keine Zahlen dazu, aber ich kann mir gut vorstellen, dass auch das geholfen hat.
Der neue Landtag konstituiert sich am 1. Oktober. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Ich habe noch einen Job bis zum 30. September. Ansonsten freue mich darauf, hoffentlich eine gute Anleitung zu bekommen, wie man Abgeordnete ist. Wir haben schon erste Sitzungen als neue Fraktion. Wir werden sicher demnächst über die Themen entscheiden.
Sophie Koch
Der Ball liegt bei der CDU-Fraktion. Wir warten auf Anfragen.
Laut Landesverfassung hat der Landtag vier Monate Zeit, einen Ministerpräsidenten zu wählen. Doch mit welcher Mehrheit?
Die Frage stellen wir uns auch aktuell. Der Ball liegt bei der CDU-Fraktion. Wir warten auf Anfragen.
Wie enttäuscht waren Sie darüber, dass die bisherige Kenia-Koalition aus CDU, Grünen und SPD keine Mehrheit zusammen hat?
Die wäre mir viel lieber gewesen. Es wäre besser gewesen, eine demokratische Mehrheit zu haben, die man schon kennt, als so eine Blackbox wie das BSW.
Sahra Wagenknecht hat als Bedingung für eine Koalition gefordert, die sächsische Staatsregierung solle sich gegen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und Waffenlieferungen an die Ukraine aussprechen. Ist solch ein Bündnis mit dem BSW unter diesen Umständen für Sie vorstellbar?
Es ist nicht vorstellbar, wenn uns jemand aus dem Saarland Dinge vorgibt, die wir hier gar nicht regeln. Ansonsten gilt: Wir werden rote Linien haben, aber momentan wissen wir nicht mal ansatzweise, wofür das BSW überhaupt steht und was deren landespolitischer Kompass ist. Da gibt es noch so viele offene Fragen.
Was könnten inhaltliche Schnittmengen für ein Dreierbündnis aus CDU, SPD und BSW sein?
Ich kann mir vorstellen, dass man sich im Bildungsbereich, bei ein, zwei sozialen Themen oder bei Finanzen einigen kann. Inhaltlich habe ich im Wahlkampf wenig vom BSW mitbekommen. Deswegen bin ich gespannt, was dabei rauskommt, aber ich bin da sehr skeptisch.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
Skeptisch
Wird das BSW jetz aus dem Saarland oder von Moskau ferngesteuert ??? Naja, wenigstens scheint eine Fernsteuerung aus Washington ausgeschlossen.
Frau Koch bedauert daß nicht ganz Sachsen aus der Leipziger Neustadt besteht, aber ist eine SPD-
Politikerin nicht dazu da für das ganze Land eine gute Politik zu machen statt nur für eine woke Großstadtblase.
Wenn ich diese Aussagen lese werde ich auch skeptisch. Hoffen wir trotzdem auf das Beste.