Inland

Thüringer Landtag: „Es gibt weiterhin Sabotage-Möglichkeiten für die AfD.“

Nach dem Eklat bei der Konstituierung des Thüringer Landtags zieht SPD-Fraktionschef Lutz Liebscher ein gemischtes Fazit. Zwar sei es gut, dass es mit CDU-Mann Thadäus König nun einen anerkannten Landtagspräsidenten gebe. Doch das Verhalten der AfD lasse Schlimmes für die Zukunft erwarten.

von Kai Doering · 1. Oktober 2024
Thüringens SPD-Fraktionschef Lutz Liebscher: Die AfD hat wieder einmal gezeigt, dass es ihr ausschließlich darum geht, destruktiv zu sein.

Thüringens SPD-Fraktionschef Lutz Liebscher: Die AfD hat wieder einmal gezeigt, dass es ihr ausschließlich darum geht, destruktiv zu sein.

Die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags in der vergangenen Woche hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Haben Sie so etwas in Ihrer Zeit als Abgeordneter schon mal erlebt?

Nein, so etwas ist mir noch nicht passiert. Die konstituierende Sitzung war sicher eine der dunkelsten Stunden in der Geschichte des Thüringer Landtags. Dass ein Alterspräsident die individuellen Abgeordnetenrechte derart beschneidet und statt überparteilich und zeremoniell die erste Sitzung zu eröffnen, Parteipolitik betreibt, ist ein beispielloser Vorgang. 

Inzwischen ist durch zahlreiche Äußerungen deutlich geworden, dass das Vorgehen des Alterspräsidenten innerhalb der AfD-Fraktion abgesprochen gewesen ist. Ist ihr Plan aufgegangen?

Mit dem Vorgehen in der vergangenen Woche hat AfD wieder einmal gezeigt, dass es ihr ausschließlich darum geht, destruktiv zu sein, das Parlament lahmzulegen und dann auch im Nachgang noch das Verfassungsgericht verächtlich zu machen. Die AfD verfolgt das Ziel, unsere Demokratie von innen aus heraus zu beschädigen und dafür hat sie die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags in der Form missbraucht, dass ihr Alterspräsident gegen jede Regel und auch gegen die Thüringer Verfassung verstoßen hat. Der AfD gelingt es aber, die Vorgänge als Opfererzählung zu deuten und das scheint bei vielen ihrer Anhänger auch zu verfangen. Insofern scheint ihr Plan aufgegangen zu sein.

Die AfD argumentiert, ihr werde das Recht genommen, als stärkste Fraktion den Landtagspräsidenten zu stellen. Wie bewerten Sie das?

Das ist genau die Opfererzählung, die ich meine. Es gibt kein automatisches Recht für die stärkste Fraktion, den Landtagspräsidenten zu stellen. Die Fraktionen können Kandidaten vorschlagen, die dann aber auch eine Mehrheit im Landtag erhalten müssen. Das war bei Wiebke Muhsal absehbar nicht der Fall: Alle Fraktionen haben ausgeschlossen, mit Frau Musahl eine Person zu wählen, die wegen Betrugs am Thüringer Landtag rechtskräftig verurteilt worden ist.

Mit Thadäus König wurde letztlich ein CDU-Abgeordneter zum Landtagspräsidenten gewählt. Ist das Sabotagepotenzial der AfD damit aufgebraucht?

Es ist gut, dass wir mit Thadäus König einen soliden, anerkannten Landtagspräsidenten bekommen haben. Damit ist auch sichergestellt, dass wir im Landtag nach demokratischen Regeln miteinander diskutieren können und auch die Repräsentanz der Abgeordneten ist über diesen Landtagspräsidenten sichergestellt. Sabotage-Möglichkeiten für die AfD gibt es natürlich weiterhin, denn sie hat ja mehr als ein Drittel der Abgeordneten im Thüringer Landtag, verfügt also über die berühmte Sperr-Minorität. Das wird uns sicher noch vor einige Herausforderungen stellen, wenn es etwa darum geht, Verfassungsrichter zu wählen. Auch mit Blick auf die demnächst anstehende Ministerpräsidentenwahl wird die AfD sicher wieder versuchen, Unruhe zu stiften, wie sie es schon vor fünf Jahren mit der Wahl von Thomas Kemmerich getan hat. Wir Demokraten müssen versuchen, uns bestmöglich darauf vorzubereiten.

Am Montag haben Sie sich mit CDU und BSW zum ersten Sondierungsgespräch für eine mögliche Koalition getroffen. Wie war die Stimmung?

Das Gespräch war, wie die vorherigen Kennenlern-Gespräche auch, geprägt von Vertrauen und Verantwortung. Inhaltlich ging es am Montag vor allem um Haushalts- und Finanzpolitik, aber auch über das Thema moderner Staatsaufbau haben wir gesprochen. Jeder ist sich der Verantwortung bewusst, die wir für Thüringen tragen und die Geschehnisse der konstituierenden Landtagssitzung haben uns noch etwas enger zusammengebracht. 

Sie sind also optimistisch, dass es eine Landesregierung als CDU, BSW und SPD geben wird?

Mein bisheriger Eindruck ist, dass das gelingen kann und ich werbe auch innerhalb der SPD dafür, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Di., 01.10.2024 - 17:00

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" Dass ein Alterspräsident die individuellen Abgeordnetenrechte derart beschneidet und statt überparteilich und zeremoniell die erste Sitzung zu eröffnen, Parteipolitik betreibt, ist ein beispielloser Vorgang. "

Ein beispielloser Vorgang war wohl eher, die bisher nie in Frage gestellten Spielregeln abzuändern, wenn sie einer missliebigen Partei zu gute kommen. Die GO hätte man auch vorher schon ändern können, nur hatte da die CDU einen entsprechenden Antrag abgelehnt.

"Der AfD gelingt es aber, die Vorgänge als Opfererzählung zu deuten und das scheint bei vielen ihrer Anhänger auch zu verfangen"

Die Anhänger der AfD haben eben selbst die Sitzung live mitverfolgt und sich ihr eigenes Urteil über die Vorgänge gemacht. Das kann ich auch nur jedem nicht AfD Anhänger auch empfehlen.

"Es gibt kein automatisches Recht für die stärkste Fraktion, den Landtagspräsidenten zu stellen"

Ein Rechts dazu gibt es nicht aber normalerweise gibt es soetwas wie Respekt vor den Wählern. Das ohnehin geringe Vertrauen darin, wie die demokratischen Prozesse unter der aktuellen Regierung gelebt werden, wurde weiterhin beschädigt. Das Signal an die Wähler war eindeutig: Wenn ihr nicht so wählt wie wir es wollen, ignorieren und übergehen wird euch komplett. Die normalen Regeln gelten für euch nicht und werden einfach geändert.

"Auch mit Blick auf die demnächst anstehende Ministerpräsidentenwahl wird die AfD sicher wieder versuchen, Unruhe zu stiften, wie sie es schon vor fünf Jahren mit der Wahl von Thomas Kemmerich getan hat"

Die Wahl von Kemmerich war völlig korrekt verlaufen. Die Unruhe hat Frau Merkel gestiftet, als sie rechtswidrig (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/D…) die Wahl "rückgängig" gemacht hat.