Inland

Regierungsbildung: So ist der Stand in Brandenburg, Sachsen und Thüringen

Im September wurden In Brandenburg, Sachsen und Thüringen neue Landtage gewählt. Wegen der schwierigen Mehrheitsverhältnisse zieht sich die Bildung einer Regierung hin. Dabei drängt in zwei der drei Länder die Zeit, weil sonst Neuwahlen drohen.

von Kai Doering · 22. Oktober 2024
Auf dem Weg in die Brombeer-Koalition? Am 18. Oktober stellten CDU, BSW und SPD in Thüringen die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche vor.

Auf dem Weg in die Brombeer-Koalition? Am 18. Oktober stellten CDU, BSW und SPD in Thüringen die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche vor.

Die Brombeere könnte der Trend dieses Herbstes werden. Nicht, weil die Sträucher in diesem Jahr besonders gut tragen würden, sondern weil es nach der Jamaika-, der Ampel- und der Kenia-Koalition bald ein neues Parteienbündnis in Deutschland geben könnte: die Brombeer-Koalition. So zumindest wird inzwischen eine Zusammenarbeit von CDU, SPD und dem „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW) von vielen genannt. Die Farben der unterschiedlichen Reifegrade der Brombeere – rot, lila und schwarz – geben der Koalition ihren Namen.

In Thüringen fehlt eine Stimme

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September sowie in Brandenburg am 22. September haben dafür gesorgt, dass die Brombeer-Koalition zurzeit in aller Munde ist. Zumindest in Sachsen und in Thüringen könnte es zu solch einem Bündnis kommen. In Brandenburg würde es auch knapp für eine Koalition aus SPD und BSW reichen, ohne die CDU. Da alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD – in Sachsen und Thüringen als rechtsextrem eingestuft – ausgeschlossen haben und es bei der CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss für die Linke gibt, bleiben keine anderen Koalitionsmöglichkeiten.

Besonders schwierig ist die Situation in Thüringen. Hier würde ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD nur über 44 der 88 Mandate verfügen. Eine Brombeer-Koalition wäre also bei jeder Abstimmung auf mindestens eine Stimme aus der Opposition angewiesen – entweder von der Linken oder von der AfD. Die möglichen Partner schlagen deshalb ein „prälegislatives Konsultationsformat“ vor: Die Oppositionsfraktionen sollen danach über Gesetzesvorhaben früh informiert werden, noch bevor sie ins Kabinett kommen. So hoffen CDU, BSW und SPD, bei Beschlüssen zumindest die eine fehlende Stimme zu erhalten. So steht es im Sondierungspapier, das die möglichen Koalitionspartner am 18. Oktober vorgestellt haben. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließen sie darin aus.

Die AfD sorgte bereits für Chaos im Landtag

Der Druck für erfolgreiche Koalitionsverhandlungen ist groß, denn mit 32 der 88 Sitze im Landtag hat die AfD-Fraktion eine sogenannte Sperrminorität. Ohne ihre Zustimmung kann der Landtag nicht aufgelöst und auch die Landesverfassung nicht geändert werden. Zudem kann die AfD die Wahl neuer Verfassungsrichter*innen blockieren.

Wie wichtig diese sind, wurde Ende September deutlich. Nachdem sich Alterspräsident Jürgen Treutler von der AfD in der konstituierenden Landtagssitzung über Stunden geweigert hatte, über eine Änderung der Geschäftsordnung abstimmen zu lassen, wurde er vom Verfassungsgericht dazu verpflichtet. Die Sitzung konnte erst mit eineinhalb Tagen Verspätung fortgesetzt werden. „Dass ein Alterspräsident die individuellen Abgeordnetenrechte derart beschneidet und statt überparteilich und zeremoniell die erste Sitzung zu eröffnen, Parteipolitik betreibt, ist ein beispielloser Vorgang“, sagt Lutz Liebscher, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag.

Der Zeitdruck in Sachsen und Brandenburg ist hoch

Deutlich reibungsloser lief die konstituierende Sitzung des sächsischen Landtags am 1. Oktober – vermutlich auch, weil sie von dem CDU-Abgeordneten Wolf-Dietrich Rost geleitet wurde. Doch seit diesem Tag tickt in Sachsen die Uhr. Innerhalb von vier Monaten muss hier der Ministerpräsident gewählt werden. Gelingt das nicht, ist der Landtag aufgelöst, und es finden Neuwahlen statt.

Der Druck auf CDU, BSW und SPD, eine Koalition zu bilden, ist damit groß. Gemeinsam verfügen sie über 66 der 120 Mandate im Parlament, doch die inhaltlichen Differenzen sind groß. Der sächsische SPD-Vorsitzende Henning Homann sagt aber: „Auch wenn uns von den potenziellen Partnern viel trennt, so eint uns doch die gemeinsame Verantwortung für Sachsen.“ In den Wochen nach der Wahl haben sich Homann und eine Delegation der sächsischen SPD mit Vertreter*innen von CDU und BSW zu sogenannten Kennenlerngesprächen getroffen.

Optimistische Signale aus Brandenburg

Am 17. Oktober gab der SPD-Landesvorstand grünes Licht für offizielle Sondierungsgespräche. Diese sollen nun zeigen, „ob eine belastbare Koalition und kluge Kompromisse möglich sind“, sagt Homann. Das Ziel sei dabei klar. „Wir wollen eine stabile Mehrheitsregierung für Sachsen, mit einer klaren Zukunftsstrategie statt dem politischen Stückwerk einer Minderheitsregierung“, so der SPD-Chef. Die Kennenlerngespräche hätten gezeigt, dass es „eine Basis fürs gemeinsame, stabile Regieren geben“ könne.

Ob es die auch in Brandenburg gibt, ist bislang noch offen. Hier müssen zwar nur zwei und nicht drei Partner zusammenfinden, weil SPD und BSW gemeinsam über 46 der 88 Sitze im neuen Landtag verfügen. Das BSW ist erstmals im Parlament vertreten. Viele seiner Positionen sind noch nicht geklärt. Am Rande der Sondierungsgespräche ließ SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke aber verlauten, diese seien „erst mal erfolgversprechend verlaufen“.

Auch in Brandenburg läuft die Zeit. Nachdem sich am 17. Oktober der Landtag in Potsdam konstituiert hat, muss nun bis Mitte Januar der Ministerpräsident gewählt werden. Ansonsten schreibt hier die Brandenburger Verfassung Neuwahlen vor.

Realitätscheck für das BSW?

Auch auf Bundesebene werden die Verhandlungen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen mit Spannung verfolgt. Das liegt vor allem am BSW und seiner Namensgeberin und Vorsitzenden Sarah Wagenknecht. „Erst die Ergebnisse von möglichen Koalitionsverhandlungen in den Ländern werden zeigen, wie groß der Einfluss von Frau Wagenknecht ist“, glaubt der Politikwissenschaftler Aiko Wagner von der Freien Universität Berlin. Inhaltlich sieht er „abgesehen von der Haltung zu Russland“ keine unüberwindbaren Hürden.

„Die Landespolitikerinnen und -poltiker des BSW dürften ein großes Interesse daran haben, Koalitionen mit CDU und SPD zu schmieden.“ Scheitern könnte eine Koalition eher an strategischen Erwägungen der Bundespartei und von Sahra Wagenknecht mit Blick auf die Bundestagswahl 2025, meint Wagner. „Ein Jahr lang in drei Ländern Regierungsverantwortung zu tragen, könnte für das BSW ein harter Realitäscheck werden.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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