Vertrauensfrage und Neuwahl: Warum die SPD am 15. Januar festhält
Am 15. Januar will Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen und den Weg für Neuwahlen freimachen. Zu spät, sagt die Union. Dabei gibt es für den Termin gute Gründe.
IMAGO / Steinach
Bundeskanzler Olaf Scholz will am 15. Januar die Vertrauensfrage stellen, um Neuwahlen zu erreichen. Die SPD hat er dabei an seiner Seite.
Nach dem Ende der Ampel-Regierung ist die Debatte über den Termin für eine Neuwahl des Bundestags voll entbrannt. Bundeskanzler Olaf Scholz will am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Danach müsste Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Bundestag innerhalb von drei Wochen auflösen. Eine Neuwahl müsste dann innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung erfolgen. Am wahrscheinlichsten wäre danach ein Wahltermin im März. Aus Regierungskreisen ist der 9. März zu vernehmen.
Klare Aussage der Bundeswahlleiterin
Der Union um CDU-Chef Friedrich Merz dauert das zu lange. Er fordert Scholz auf, bereits in der kommenden Woche die Vertrauensfrage zu stellen. „Wir könnten Bundestagswahlen in der zweiten Januarhälfte im nächsten Jahr durchführen“, sagte Merz am Donnerstag. Doch an diesem straffen Zeitplan gibt es Zweifel. „Eine im Falle der Auflösung des Bundestages stattfindende Neuwahl bedarf in Bund, Ländern und Kommunen einer angemessenen Vorbereitung“, erinnerte Bundeswahlleiter Ruth Brand am Donnerstag auf X. Die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl sei für sie „und alle Wahlorgane dabei von größter Bedeutung“.
Sollte Bundeskanzler Scholz am kommenden Mittwoch nach seiner geplanten Regierungserklärung die Vertrauensfrage stellen, müsste der Bundespräsident den Bundestag bis zum 4. Dezember auflösen. Die Bundestagswahl müsste dann bis zum 2. Februar stattfinden. Die Stimmzettel müssten dann wegen der Briefwahl bereits bis zum 22. Dezember fertig sein. Dafür müssten alle Parteien ihre Kandidat*innenlisten bis Ende November aufgestellt haben, damit die zuständigen Wahlämter alle Kandidaturen überprüfen können.
Kommunen fordern ausreichend Zeit zur Vorbereitung
„In den Kommunen müssen zudem eine Vielzahl an organisatorischen Vorbereitungen getroffen werden“, sagt Thorsten Kornblum, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK) und Oberbürgermeister von Braunschweig. „Es sind Wahllokale zu organisieren und ehrenamtliche Wahlhelfer*innen zu gewinnen.“ Bei der Bundestagswahl 2021 seien „zigtausende ehrenamtliche Wahlhelfer*innen“ zum Einsatz gekommen.
„Deshalb ist es aus Sicht der Kommunen allein aus organisatorischen Erfordernissen sinnvoll, wenn der Bundeskanzler die Vertrauensfrage erst im Januar stellt, um hinreichend Zeit für eine in Bund, Ländern und Gemeinden ordnungsgemäße Vorbereitung der Neuwahlen zu gewinnen“, so Kornblum.
Erstmals gilt das neue Wahlrecht
In der SPD hält man eine Neuwahl Anfang Februar daher für unrealistisch, zumal erstmals das neue Wahlrecht gilt, das den Bundestag auf 598 Sitze begrenzt. Hinzu kommen Fristen für den Druck von Wahlplakaten und anderen Materialien. Auch die Wahlprogramme der Parteien müssen beschlossen werden. Hierzu bedarf es eines Parteitags. Bei der Vorbereitung der Aufstellungsversammlungen ist die gesamte Partei vom Ortsverein, Unterbezirk bis zu den Landesverbänden mit entsprechenden Aufstellungsversammlungen beschäftigt, dies erfordert entsprechende organisatorische Vorbereitungen wie den fristgerechten Versand von Einladungen und die Organisation von Veranstaltungsräumen.
Damit auch Parteien, die bisher nicht im Bundestag vertreten sind, bei der Wahl antreten können, müssen sie Unterstützungsschriften von Wahlberechtigten vorlegen. Auch die Zeit dafür wäre deutlich verkürzt.
„Es wird erneut ein Popanz aufgebaut“, sagte deshalb der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich am Freitag. „Wir brauchen keine intellektuelle Diskussion über einen Kalender zu führen.“ Viel wichtiger ist aus Mützenichs Sicht, dass in den verbleibenden Sitzungswochen bis zum Ende des Jahres noch wichtige Gesetzesvorhaben beschlossen werden. Als Beispiele nannte er die Erhöhung des Kindergelds, die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts und eine Senkung der Energiepreise für Unternehmen. „Da wollen die Menschen verlässliche Informationen haben“, so Mützenich.
Helmut Kohl ließ noch mehr Zeit verstreichen
„Das Grundgesetz ist eindeutig: Artikel 68 erkennt allein dem Bundeskanzler das Initiativrecht für die Vertrauensfrage zu“, argumentierte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende am Freitag in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. „Durch die Forderung nach überstürzten Neuwahlen soll Unsicherheit in die Institution und Zweifel an der Legitimität geschürt werden. Das lassen wir als SPD-Bundestagsfraktion nicht zu.“
Bundeskanzler Olaf Scholz habe „einen klaren und geordneten Weg zu Neuwahlen des Deutschen Bundestags skizziert“, den die SPD-Fraktion ausdrücklich begrüße. „Denn niemand möchte, dass jemand an Heiligabend oder am ersten Weihnachtstag an seiner Haustür klingelt und Wahlkampf macht.“ Zudem müssten Wahlen ordentlich vorbereitet werden. „Wir müssen Ländern und Kommunen die Zeit geben, die sie brauchen, um sich auf die Wahl vorzubereiten“, betonte Wiese.
Bei der letzten Vertrauensfrage eines Bundeskanzlers vergingen übrigens 119 Tage zwischen der Ankündigung der Vertrauensfrage und der Wahl. Das war bei Gerhard Schröder 2005 der Fall. Setzt Olaf Scholz seinen Zeitplan um, wären es 144 Tage. Länger wartete der Kanzler 1982. Hier verstrichen 156 Tage zwischen der Ankündigung der Vertrauensfrage und der Bundestagswahl. Der Name des Kanzlers war Helmut Kohl.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
niemand beneidet Sie alle in der Redaktion, nun hat man
eine Vielzahl guter Gründe gefunden und verkündet dementsprechend das Festhalten am Stichtag 15.1.25 unter großem Beharrungsvermögen, und schon verkündet der BK in Budapest seine Verhandlungsbereitschaft in Bezug auf den Termin. Was denn nun? Kann man nicht auch einmal Nägel mit Köpfen machen- wir haben vor Ort immense Probleme, das immer wieder auftretende Bäumchen wechsel dich zu erklären. Heute hüh, morgen hott, das frustriert jeden Genossen, und was die Wählerschaft im Umfeld davon hält, will ich hier lieber nicht wiedergeben