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Anke Rehlinger: Was das Ampel-Aus für den Bundesrat bedeutet

Das Ende der Ampel-Koalition hat auch Auswirkungen auf gemeinsame Vorhaben mit den Bundesländern wie das Sicherheitspaket und die Unterstützung der Wirtschaft. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger glaubt an „Durchbrüche“, wenn CDU und CSU sich nicht verweigern.

von Kai Doering · 8. November 2024
Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger: Olaf Scholz hat Führung gezeigt.

Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger: Olaf Scholz hat Führung gezeigt.

Mit seiner Ankündigung, im Januar die Vertrauensfrage zu stellen, hat Bundeskanzler Olaf Scholz überrascht. Was bedeutet das Ampel-Aus für die Länder?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Führung gezeigt und die Ampel-Misere beendet. In den letzten Monaten gab es immer mehr Themen, die Christian Lindner und die FDP blockiert haben, weil sie den großen Knall wollten. Die Haltung, die Volker Wissing beweist, zeigt das ja ein Stück weit. Es öffnet sich jetzt ein Möglichkeitsfenster. Wenn CDU/CSU sich nicht verweigern, können wir Durchbrüche schaffen, die alle 16 Länder wollen, auch die unionsgeführten. 

Mitte Oktober hat der Bundesrat einen Teil des sogenannten Sicherheitspakets der Bundesregierung gestoppt. Ist das mit dem Ende der Bundesregierung erledigt? 

Die unionsgeführten Länder haben speziell den Teil zur Terrorismusbekämpfung gestoppt. Dass man ausgerechnet die Sicherheit Deutschlands aus parteitaktischen Gründen blockiert, ist mir völlig unverständlich. Denn die Union will das ja auch. Aus meiner Sicht wäre das Sicherheitspaket so zustimmungsfähig gewesen. Es ist jetzt an der Bundesregierung, ob sie den Vermittlungsausschuss anruft oder nicht. Relevante Teile könnten aber auch ohne Bundesratszustimmung möglich sein.

Sie teilen die Bedenken von Nordrhein-Westfalen und Bayern also nicht, die mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden fordern?

Wir müssen unterscheiden zwischen dem, was manche wortgewaltig fordern und dem, was rechtlich machbar ist. Aus meiner Sicht schöpfen die Vorschläge, die im Sicherheitspaket gemacht werden, den Rechtsrahmen gut aus. Dass die Union mehr fordert, ist ja das eine. Aber dass sie das, was im Sicherheitsbereich bereits möglich wäre, nicht macht, ist absurd. Beispiel: Die Polizei muss Fahndungen weiter mit gedruckten Fotos machen wie im letzten Jahrhundert, während Medien längst das Internet mittels KI durchforsten und zu schnelleren Ergebnissen kommen. Die Union sorgt damit für weniger Sicherheit als rechtssicher möglich gewesen wäre.

Anke
Rehlinger

Für mich ist klar, dass es Grenzkontrollen nur so lange geben darf, bis die EU-Außengrenzen ausreichend sicher sind.

Mit Blick auf den migrationspolitischen Teil des Pakets, der im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig war, haben Sie davor gewarnt, die Spirale zu weit zu drehen. Was befürchten Sie?

Erstmal muss ich sagen, dass es wichtig ist, Terrorismusbekämpfung und Migration nicht zu vermischen. Meine Sorge ist aber in beiden Bereichen, dass wir uns in einer Maßnahmenspirale wiederfinden könnten, in der immer noch mehr striktere Vorgaben gefordert werden. Das halte ich für brandgefährlich. So überdehnen wir nicht nur den rechtlichen Rahmen, sondern warten auch nicht mal mehr ab, dass die gerade beschlossenen Maßnahmen wirken. Die ungewollte Migration etwa ist ja im Vergleich zum Vorjahr schon deutlich zurückgegangen.

Unabhängig vom Sicherheitspaket hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach dem Terroranschlag von Solingen vorübergehende Grenzkontrollen veranlasst. Was bedeutet das für das Saarland, das ja gleich an zwei Schengen-Staaten grenzt.

Ich kann den Schritt in dieser Situation nachvollziehen, aber ein Grund zum Jubeln sind die Grenzkontrollen wahrlich nicht. Das ist nicht das Europa, das ich möchte – gerade, wenn man im Hinterkopf hat, dass die CDU sogar noch einen Schritt weitergehen und die Grenzen ganz schließen möchte. Für mich ist deshalb klar, dass es Grenzkontrollen nur so lange geben darf, bis die EU-Außengrenzen ausreichend sicher sind. Spätestens, wenn wir die wichtigsten Bestandteile der GEAS-Reform umgesetzt haben. Alles andere schadet uns wirtschaftlich, vor allem aber kulturell.

Anke
Rehlinger

Deutschland muss jetzt um Arbeitsplätze hier kämpfen.

Stichwort Wirtschaft: Die deutsche Wirtschaft schwächelt weiter, was sich auch in den Ländern mehr und mehr bemerkbar macht, etwa bei Volkswagen in Niedersachsen oder im Saarland bei Wolfspeed. Tut der Bund genug, um gegenzuhalten? 

Wir brauchen Taten. Es ist gut, dass der Bundeskanzler die Führung übernommen hat. Ich erwarte, dass sich für Impulse für Industrie, Mittelstand, für unsere Wirtschaft insgesamt auch in der neuen Lage Mehrheiten im Bundestag finden. Für die Automobil-Industrie, die im Saarland eine große Rolle spielt, müssen wir die Elektromobilität ankurbeln. Es geht auch um die Frage, wie wir mit EU-Strafzahlungen umgehen, wenn CO2-Flottengrenzwerte und wie wir nicht die Klima-Ziele infrage stellen, der Industrie aber den Weg dahin gangbar machen. Und drittens geht es um wettbewerbsfähige Energiepreise. Es gibt jetzt die Möglichkeit, im Bundestag zu beschließen, was alle richtig finden. Das sollte auch schnellstmöglich geschehen und nicht erst im Sommer 2025, wenn es eine neue Regierung gibt. 

Die 49 Maßnahmen, die die Bundesregierung im Rahmen ihrer „Wachstumsinitiative“ bereits auf den Weg gebracht hat, reichen aus Ihrer Sicht also nicht aus?

Deutschland muss jetzt um Arbeitsplätze hier kämpfen. Das muss oberste Priorität sein. Wir brauchen Impulse für neues Wachstum in Deutschland. Dafür hat der Bundeskanzler Vorschläge gemacht, die im Bundestag ernsthaft diskutiert werden müssen. Dazu gehören auch sinnvolle Maßnahmen der Wachstumsinitiative, die noch ausstehen.

Noch in diesem Jahr könnte der Bundestag einen Prüfantrag für ein AfD-Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht beschließen. Würde sich der Bundesrat dem anschließen?

Der Bundesrat würde sich sicher mit dieser Frage beschäftigen. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass wir Herz und Verstand in dieser Frage miteinander in Einklang bringen müssten. Auch wenn es politisch starke Argumente für einen solchen Prüfantrag gibt, ist für mich eine akritische Vorbereitung und ein Abwägen aller Vor- und Nachteile entscheidend. Die Empfehlung der Sicherheitsbehörden sollte dabei die entscheidende Rolle spielen. Da sollten wir uns nicht von Emotionen leiten lassen. Es geht schließlich um das schärfste Schwert, das unsere Demokratie zur Verfügung hat.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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