Wahlrecht: Wie die Ampel den Bundestag verkleinern will
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Warum soll das Wahlrecht geändert werden?
736 Abgeordnete hat der Bundestag zurzeit – 138 mehr als eigentlich vorgesehen. Ein Grund sind die sogenannten Überhangs- und dadurch entstehende Ausgleichsmandate, die bei großen Unterschieden zwischen den Anteilen bei Erst- und Zweitstimme entstehen. „Der wachsende Bundestag führt zu immer größeren Ausschüssen und erschwert bis hin zu Plenardebatten den Austausch“, nennt der SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann zwei Probleme des aufgeblähten Parlaments. Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP haben sich deshalb vorgenommen, eine Regelung zu finden, die den Bundestag wieder auf sein gesetzlich vorgesehenes Maß bringt.
Was ist der Kern der geplanten Wahlrechtsreform?
Überhang- und Ausgleichsmandate sollen künftig entfallen. Der Bundestag wird auf 598 Mandate festgeschrieben. Um das zu erreichen, sollen künftig nur noch die Zweitstimmen, mit denen eine Partei gewählt wird, darüber entscheiden, wie stark diese im Bundestag vertreten ist. Im Gesetzentwurf der Ampel wird sie daher „Hauptstimme“ genannt. Erringt eine Partei über die Erststimme mehr Direktmandate als über die Zweistimme gedeckt sind, entfallen diese künftig. Wer als Wahlkreiskandidat*in die meisten Stimmen aller Bewerber*innen erhält, zieht künftig also bei einem schwächeren Zweistimmenergebnis nicht in den Bundestag ein.
Wie werden die Mandate künftig vergeben?
Die Kandiat*innen in den Wahlkreisen werden in jedem Bundesland anhand ihrer Ergebnisse im Wahlkreis gereiht. Die Reihenfolge richtet sich nach dem prozentualen Anteil der Wahlkreisstimmen in den Wahlkreisen, beginnend mit dem höchsten Wahlkreisstimmenanteil. Die Sitze werden anhand dieser Reihenfolge an die gewählten Abgeordneten vergeben. Sind mehr Sitze der Partei zu vergeben, als Kandidat*innen in ihren Wahlkreisen gewonnen haben, werden die verbleibenden Sitze nach der Landesliste der Partei vergeben. SPD-Politiker Hartmann, der den Gesetzentwurf mit ausgearbeitet hat, spricht von einer „doppelten Legitimation“.
Was ist aus der „Ersatzstimme“ geworden, die in ersten Entwürfen Teil eines neuen Wahlrechts werden sollte?
Per „Ersatzstimme“ sollten Wähler*innen noch am Wahltag festlegen, wer Ersatzbewerber*in werden darf, falls ein Direktmandat mangels Sitzkontigent nicht zugeteilt werden kann. Im jetzt vorgelegten Gesetzentwurf ist die Idee nicht mehr enthalten.
Was ist mit der Parität und dem Wahlalter 16?
Beides wurde in der Wahlrechtskommission intensiv diskutiert. Für beides wäre eine Änderung des Grundgesetzes und damit eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag notwendig. Da CDU und CSU bereits signalisiert haben, diese in beiden Fällen nicht mitzutragen, wird im Gesetzentwurf darauf verzichtet.
Wie geht es nun weiter?
Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP wollen den Gesetzentwurf in dieser Woche zunächst intern beraten und dann in den Bundestag zur Beratung einbringen. Ziel ist, das Gesetz noch vor Ostern zu beschließen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.