Inland

Wie Ungleichheit den Feinden der Demokratie nützt

Viele Menschen sind unzufrieden mit der Demokratie. Das nützt den rechtsextremen Kräften. Die SPD will die Macht der Vielen wieder stärken. Dabei gehe es auch um Investitionen und Verteilungsfragen, sagt SPD-Chefin Saskia Esken in Berlin.

von Vera Rosigkeit · 8. Oktober 2024
Brandmauer gegen rechts

Eine demokratische Gesellschaft braucht Respekt und Toleranz für ein würdiges Miteinander, sagt Saskia Esken auf dem FES-Kongress „Die Zukunft der Demokratie“

Woher kommt die Distanz vieler Menschen zu unserer heutigen Demokratie? Vor allem bei jenen, die bereit sind, Menschen- und Demokratiefeinde zu wählen, um „sie an die Macht zu bringen“. Dieser Frage geht Saskia Esken in ihrer Grundsatzrede beim Kongress der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zur Zukunft der Demokratie nach. 

Ohnmacht als Warnsignal

So erklärten sich die Hälfte der Befragten einer FES-Studie unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie, betonte die SPD-Chefin. Ihr Anteil steige deutlich, wenn sie geringe Einkommen und einen niedrigen Bildungsstand hätten. Demokratie als „die Macht der Vielen“, so Esken, werde von vielen nicht erlebt. Stattdessen gerieten angesichts steigender Inflation, Mieten oder Energiepreise, gerade „Menschen mit geringem Einkommen und ohne große Rücklagen an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit“, sagte Esken.

Viele fühlten aber auch Ohnmacht, weil sie den Staat nicht handlungsfähig erlebten. „Diese Wut ist ein Warnsignal, das wir ernst nehmen müssen“, mahnte Esken. Ihrer Meinung nach werde sie von Demokratiefeinden wie der AfD genutzt. Die Sozialdemokratin appellierte daran, sich mehr mit den Alltagsproblemen der Menschen zu beschäftigen – zum Beispiel mit fehlenden Kitaplätzen, maroden Schulen oder verspäteten Zügen. Eine schlechte Infrastruktur schade nicht nur dem Wohlstand, sondern auch dem sozialen Zusammenhalt, ist sie überzeugt.

Schuldenbremse gefährdet Demokratie

Aus dieser Überzeugung heraus kritisiert sie auch den Koalitionspartner FDP, der eine Reform der Schuldenbremse trotz hohem Investitionsbedarf in die Infrastruktur Deutschlands blockiert. Für sie sei es eine seltsame Idee, dass wir „unseren Kindern keine Schulden hinterlassen“ dürften, „aber kaputte Schulen und Brücken“. Esken wörtlich: „Eine an der Schuldenbremse orientierte Politik ist brandgefährlich.

Damit die Infrastruktur wieder „auf Vordermann kommt“ fordert Esken am Dienstag in Berlin eine neue Steuerpolitik. Der Plan der SPD: Die große Mehrheit der Steuerzahlenden entlasten und sehr hohe Einkommen und Vermögen höher besteuern. Auch müsse der Mindestlohn auf 15 Euro steigen, um einer Richtlinie der Europäischen Kommission gerecht zu werden. Zudem müsse die Tarifbindung deutlich gestärkt werden. Sehr hohe Erbschaften sollen für eine gelingende Bildung investiert werden, so Esken.

Mindestlohn und Tariftreue

Ähnlich äußern sich die 96 Bundestagsabgeordneten des Seeheimer Kreises in der SPD-Bundestagsfraktion in ihrem Anfang Oktober veröffentlichten Strategiepapier „Die arbeitende Mitte stärken“.

Auch hier geht es um Steuerpolitik etwa bei der Kritik an der pauschalen Besteuerung von Kapitalerträgen mit 25 Prozent, während das Lohneinkommen auf Arbeit deutlich höher ausfällt. Weitere Forderungen: Spitzenverdiener*innen sollen höhere Beiträge zu den sozialen Sicherungssystemen leisten und damit Arbeitnehmer*innen mit geringerem Einkommen durch eine Senkung der Lohnnebenkosten entlasten, eine angemessenen Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro und zukunftsweisende Tarifverträge. 

Für Saskia Esken sind Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen „ganz eng mit dem Erleben von Macht und Ohnmacht verbunden". Deshalb stünden diese Fragen bei der SPD ganz oben auf der Agenda. Für sie komme der Demokratie-Kongress zur richtigen Zeit. In ihrer Rede griff sie auf die Worte Willy Brandts zurück: „mehr Demokratie wagen“. Der ehemalige Parteivorsitzende und Bundeskanzler der SPD starb am Dienstag vor 32 Jahrem am 8. Oktober 1992.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Di., 08.10.2024 - 16:49

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Dieses Thema plagt mich schon seit vielen Jahren, und ich habe es immer wieder in diesem Forum sowie an anderen Stellen parteiintern angeschnitten. Aber seither bin ich mit meinen Vorstellungen leider nur auf taube Ohren gestoßen.
Dabei stellt diese Ungleichheit ein gewaltiges Problem und eine wesentliche Ursache für den Erfolg der AfD dar, so dass man meinen könnte, dass die Blockadepolitik Lindners dazu dient, der AfD zu Wahlerfolgen zu verhelfen.
Man erinnere sich hierbei an die Sparpolitik Brünings in der Weimarer Republik, die den Erfolg der Nazis mit hervorrief.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 09.10.2024 - 09:48

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Den Worten von Frau Esken (Covidioten) kann ich kein Vertrauen entgegen bringen.
Daß die soziale Ungleichheit die Grundfesten dieser Republik erschüttert ist ja seit Einführung der Hartz-Gesetze schon offensichtlich, aber die Regierungs-SPD verweigerte ja vehement fast alle Korrekturen. Die Erkenntnis, daß diese Politik der afd die Hasen in die Küche treibt ist mir nicht neu. Ob das derzeitige politische Personal die Glaubwürdigkeit der SPD wieder herstellen kann ist für mich fraglich, aber es muss zu einer Umkehr dieser Bereicherungs/Verarmungspolitik kommen.

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