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Schuldenbremse: Warum aus der SPD immer mehr ihr Ende fordern

Die Bundesregierung will einen Haushalt weitgehend ohne neue Schulden auf den Weg bringen. Doch aus der SPD werden die Stimmen lauter, die ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse fordern. Am Mittwoch hat sich eine weitere Gruppe zu Wort gemeldet.
von Kai Doering · 30. Oktober 2023
Zeitgemäß in Zeiten eines großen Investitionsbedarfs? Die Schuldenbremse wird in der SPD zunehmend kritisch gesehen.
Zeitgemäß in Zeiten eines großen Investitionsbedarfs? Die Schuldenbremse wird in der SPD zunehmend kritisch gesehen.

Immer mehr Stimmen aus der SPD wollen ein Ende der Schuldenbremse, zumindest im kommenden Haushalt. „Die Schuldenbremse muss auch in diesem Jahr wieder ausgesetzt werden“, fordert der Vorstand der „Parlamentarischen Linken“ (PL), eines Zusammenschlusses progressiver SPD-Bundestagsabgeordneter. Der PL-Vorstand begründet die Forderungen mit den „akuten Krisen“ wie dem Angriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober. „Durch die vielen Krisen und Kriege ist der gesellschaftliche Zusammenhalt besonders unter Druck geraten“, erklären die Abgeordneten. Bewährte soziale Projekte wie der Bundesfreiwilligendienst müssten deshalb fortgesetzt und finanziert werden.

Bereits am Wochenende hatten sich gleich zwei führende Sozialdemokrat*innen für ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse ausgesprochen. Erst warb am Samstag Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich in der „Rheinischen Post“ dafür, auch im kommenden Jahr „erneut von der Ausnahmeregel Gebrauch zu machen“. Dann legte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken im selben Blatt nach und sagte: „Ich bin davon überzeugt, dass wir erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremsen-Regelung benötigen.“

Wie die Schuldenbremse Schulden bremst

Die Schuldenbremse wurde 2009 in Artikel 109 des Grundgesetzes aufgenommen, auch, um die EU-Regeln zur Begrenzung der Neuverschuldung im deutschen Recht zu verankern. Seit 2016 darf Deutschland neue Schulden nur bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. Das entspricht zurzeit etwa neun Milliarden Euro. Ziel ist, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden.

Eine Ausnahmeregelung gibt es für Naturkatastrophen oder „andere außergewöhnliche Notsituationen“. Deshalb konnten während der Corona-Pandemie und zu Beginn des Kriegs in der Ukraine Schulden über die Vorgaben der Schuldenbremse hinaus aufgenommen werden. Nach dem Willen der Bundesregierung soll damit aber nun Schluss sein. Ziel für den neuen Haushalt sei die Rückkehr zu „fiskalpolitischer Normalität“, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereits im Sommer. Es gehe „um die Rückkehr zur Schuldenbremse – oder genauer gesagt: zu langfristig tragfähigen Staatsfinanzen“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im September.

SPD will lieber investieren

Der Vorstoß von Saskia Esken und Rolf Mützenich zum jetzigen Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein: Im November will der Bundestag den Haushalt für das kommende Jahr beschließen. Die Schuldenbremse wird in der SPD schon länger kritisch gesehen. „In der Abwägung, ob wir investieren sollten oder die Schuldenbremse einhalten, würde ich mich für die Zukunftsinvestitionen entscheiden“, sagte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil im Juni bei einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Auch die Parlamentarische Linke (PL) will die Schuldenbremse auf den Prüfstand stellen.

Hintergrund sind zum einen die weiterhin hohen finanziellen Belastungen durch den Krieg in der Ukraine sowie zur Versorgung von Geflüchteten, zum anderen ein großer Nachholbedarf bei den Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung. „Viel zu lange haben wir von der Substanz gelebt“, betonte SPD-Chefin Esken in der „Rheinischen Post“. „Wenn sich die Schuldenbremse als Investitions- und als Innovationsbremse herausstellt, dann müssen wir diese Regelung kippen.“

SPD arbeitet an neuem Finanzkonzept

Dass es dazu tatsächlich kommt, ist allerdings unwahrscheinlich: Für die Änderung des Grundgesetzes bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Zwar sehen auch die Grünen und die Linkspartei die Schuldenbremse kritisch. FDP, CDU und AfD wollen aber an dem Instrument festhalten. Gut möglich also, dass die Schuldenbremse ein Thema im kommenden Bundestagswahlkampf wird. Auf ihrem Parteitag im Dezember will die SPD ein steuer- und finanzpolitisches Konzept beschließen. Die Zukunft der Schuldenbremse dürfte darin eine große Rolle spielen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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